Controller Magazin 1/2018 - page 71

69
Ausgehend von den betriebswirtschaftlichen
Prämissen konnten die von der Analytics Engi-
ne identifizierten Korrelationen und Treiber
durch den User einer weiteren Vorauswahl und
Präzisierung unterzogen werden. Hierbei stan-
den verschiedene Simulationsmöglichkeiten zur
Verfügung. Die Eintrittswahrscheinlichkeiten
wurden dabei als ein Confidence-Band, dessen
Breite ein Maß für die Unsicherheit innerhalb
der Trendschätzung ist, wiedergegeben. Zu-
dem wurden die aktuellen sowie die zu errei-
chenden Zielwerte dargestellt. Zusätzlich stan-
den in den Simulationen die Funktionen „Clus-
ter“ und „Patterns“ zur Verfügung. Im Rahmen
von „Clusters“ werden z. B. dominante Bezie-
hungen und Outlier automatisch voneinander
getrennt, für die dann jeweils eine detaillierte
Ursachenanalyse gestartet werden konnte. Die-
se Funktion separiert automatisch Geschäfts-
abläufe voneinander, die unterschiedliche Ei-
genschaften haben, wie z. B. Direktlieferung
und Streckengeschäft. Die Funktion „Patterns“
erlaubte auf Basis eines durch den User inter-
aktiv grafisch festgelegten Datenbereichs Muster
zu identifizieren, um so gezielt weitere Analysen
anzustoßen.
Insgesamt stand damit für die Analytics ein
System zur Verfügung, welches auf der Basis
statistischer Zusammenhänge in den Datenbe-
ständen Vorschläge unterbreitete, die durch
den User weiter analysiert werden konnten. Die
User-Interaktion erfolgte dabei vollständig gra-
fisch im Sinne der eingangs skizzierten Visual
Analytics. Durch diese User-Interaktion konn-
ten weitere algorithmische Analysen (Cluster,
die betriebswirtschaftlichen Anforderungen
und Prämissen für den jeweils zu untersu-
chenden Anwendungsfall festgelegt. Für den
Start des Analyseprozesses
konnten un-
terschiedliche Einstiegsmöglichkeiten ausge-
wählt werden:
Systemseitig vorgeschlagene Einflussfak-
toren/Treiber:
Dabei werden – auf Grundlage
der kompletten Datenbasis – automatisiert Re-
gressionsmodelle für Treibergrößen ermittelt,
die aufgrund statistischer Zusammenhänge
einen Einfluss auf die userseitig gewählten
betriebswirtschaftlichen Key Performance Indi-
cators (KPI) haben. Systemseitig werden zu-
sätzlich die gegenwärtigen und die zu errei-
chenden Werte der KPI und der Treiber sowie
der potentielle Gewinn, die Wahrscheinlichkeit,
mit der dieser erreicht werden kann, und der
True Performance Index Free Cash (TPI-C) be-
reitgestellt. Der TPI-C ist ein Maß für das freizu-
setzende Kapital und zeigt damit das Verbesse-
rungspotential an. Der TPI-C kann daher auch
als Entscheidungsunterstützung bei der Frage
dienen, welche der systemseitig vorgeschla-
genen, monetär bewerteten Driver weiter ana-
lysiert werden sollen.
Google-like Suche:
Hier werden nicht nur die
Treiber für die im Vorfeld erstellten Zielgrößen
und Anwendungskontexte angezeigt, sondern
auch weitere, die das System durch Bots, d. h.
im Hintergrund ablaufende Algorithmen, in-
nerhalb aller zur Verfügung stehenden Daten
entdeckt.
jahre 2015 und 2016. Das führende „Q“ zeigt
dabei, dass die Daten aus Qualitätssiche-
rungssystemen und nicht direkt aus den pro-
duktiven SAP-Systemen abgezogen wurden.
Da diese Q-Systeme jedoch durch 1:1-Kopien
der produktiven Systeme erstellt und vor dem
Datenabzug nicht verändert worden sind, sind
die Daten identisch mit den entsprechenden
Produktivdaten. Personenbezogene Daten
wurden aus Datenschutzgründen nicht über-
mittelt und auch nicht benötigt. Aus dem Verti-
kal- und Horizontalsystem finden etwa 250
SAP-Tabellen Verwendung, aus denen insge-
samt
407 Mio. Datensätze
automatisiert in
die Analyse überführt wurden. Die gesammel-
ten Master-, Konfigurations- und Transaktions-
daten kommen aus den SAP-Modulen Materi-
als Management (MM), Sales & Distribution
(SD) und Finanzwesen (FI). Damit stehen für
die Analysen wichtige Informationen aus Ein-
kauf, Lagerhaltung und Verkauf zur Verfügung,
beispielsweise die Prozesse von der Beschaf-
fung bis zur Zahlung, das Bestandsmanage-
ment, der Rechnungseingang und das Forde-
rungsmanagement. Keine Berücksichtigung
fanden im Projekt Kostendaten. Zudem wurde
aus Zeitgründen auf eine Kopplung der beiden
SAP-Systeme verzichtet.
Die Forschungsteams setzten sich aus Mitar-
beitern unterschiedlicher Abteilungen der
Bosch Diesel Systems zusammen und wurden
durch Trufa- sowie Hochschulmitarbeiter un-
terstützt. Dieses funktions- und bereichsüber-
greifende Forschungssetup hat den Vorteil,
dass verschiedene Sichtweisen und Interes-
senlagen auf die zu behandelnden Themen
existieren und in Lösungsansätze integriert
werden können.
Analytics
Zwei Anwendungsszenarien befassen sich
mit den Beschaffungs- und Bestandsprozes-
sen der Sparten Rail bzw. Injectors. Der dritte
Anwendungsfall widmet sich der Reduzierung
der Kundenforderungslaufzeit. Neben dem an
dieser Stelle nicht weiter beschriebenen klas-
sischen erfahrungsbasierten Analytics-An-
satz war insbesondere der datengetriebene
Ansatz Schwerpunkt des Projektes. Zu die-
sem Zweck wurden in einem ersten Schritt
Autoren
Katharina Zucker
war Masterandin im Controlling der Robert Bosch GmbH im
Geschäftsbereich Diesel Systems. Im Rahmen ihrer Abschluss-
arbeit hat sie sich mit der Optimierung des Working Capital
durch den Einsatz von Business Intelligence Analytics befasst
und daraus entstehende Potenziale untersucht.
Ralph Treitz
ist Gründer der Trufa Inc., San Bruno CA, USA und Geschäftsführer der
deutschen Trufa GmbH, Heidelberg. Trufa betreibt angewandte For-
schung im Bereich statistical analytics, Big Data und Machine Lear-
ning und entwickelt neuartige Produkte für Automatisiertes Enterprise
Management. Des Weiteren ist er Co-Leiter des Fachkreises „BI/Big
Data-Controlling“ im Internationalen Controller Verein (ICV).
E-Mail:
CM Januar / Februar 2018
1...,61,62,63,64,65,66,67,68,69,70 72,73,74,75,76,77,78,79,80,81,...116
Powered by FlippingBook