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          Früher war die Welt noch einfach: Eine ausge-
        
        
          baute Planung lieferte die Ziele für die Ergeb-
        
        
          nisverantwortlichen, periodische Kontrollen
        
        
          stellten sicher, dass sie auch wirklich erfüllt
        
        
          wurden. Ein Kostenstellenleiter z. B. hatte sich
        
        
          nach den geplanten Kosten zu richten, die so-
        
        
          mit sowohl ein Plan- als auch ein Zielwert wa-
        
        
          ren. Kam es zu einer Abweichung, dann ging es
        
        
          um Maßnahmen, diese zumindest bis Jahres-
        
        
          ende wieder zu korrigieren.
        
        
          Heute ist das Spiel komplizierter geworden.
        
        
          Zum einen müssen sich Ziele nicht unmittelbar
        
        
          aus der Planung ergeben, sondern können
        
        
          auch einfach normativ gesetzt sein, z. B., um
        
        
          höhere Anstrengungen der Verantwortlichen zu
        
        
          erreichen („Stretched Targets“). Planung und
        
        
          Zielsetzung fallen damit auseinander. Zum an-
        
        
          deren kann ein Planwert im Jahresablauf an
        
        
          Validität verlieren, weil das Umfeld turbulenter
        
        
          und volatiler geworden ist. Insofern haben un-
        
        
          terjährige Prognosen eine wichtige Bedeutung
        
        
          gewonnen. „Forecasting“ ist aus den Unterneh-
        
        
          men nicht mehr wegzudenken.
        
        
          An was müssen Sie denken, wenn Sie die für
        
        
          Ihr Unternehmen passende Form von Forecas-
        
        
          ting festlegen wollen? Zwei zu beantwortende
        
        
          Fragen springen sofort ins Auge: (1) Wie häufig
        
        
          soll prognostiziert werden? Monatlich, quar-
        
        
          talsweise? (2) Soll der Prognosezeitraum im
        
        
          Laufe des Jahres immer kleiner werden, weil
        
        
          stets das Jahresende den Bezugspunkt bildet,
        
        
          oder soll sich der Forecast fest auf einen be-
        
        
          stimmten Zeitraum (z. B. 12 Monate) beziehen
        
        
          („Rolling Forecast“). Beide Fragen werden in
        
        
          der Praxis von den Unternehmen sehr unter-
        
        
          schiedlich beantwortet.
        
        
          Für die Gestaltung des Forecasts ist es darüber
        
        
          hinaus wesentlich, eine klare Vorstellung davon
        
        
          zu haben, wann ein Forecast eine hohe Qualität
        
        
          besitzt und wann nicht. Auf den ersten Blick
        
        
          scheint die Antwort einfach: Ein Forecast ist
        
        
          umso besser, je genauer die prognostizierte
        
        
          Zahl auch wirklich eintritt. Prognosegüte ist
        
        
          aber nicht das einzige Qualitätskriterium.
        
        
          Mor-
        
        
          lidge und Player unterscheiden in ihrem
        
        
          häufig zitierten Buch vielmehr fünf Quali-
        
        
          tätskriterien
        
        
          (Morlidge/Player (2009): „Future
        
        
          Ready: How to Master Business Forecasting“).
        
        
          Maßnahmenorientiert
        
        
          („actionable“): Der
        
        
          Forecast liefert alle entscheidungsrelevanten
        
        
          Informationen für die Festlegung und Beglei-
        
        
          tung von Maßnahmen. Rein zu prognostizieren
        
        
          macht nur begrenzt Sinn. Das damit gewonne-
        
        
          ne Wissen muss auch in Maßnahmen umge-
        
        
          setzt werden.
        
        
          Zeitlich passend
        
        
          („timely“): Der
        
        
          Forecast soll verfügbar sein, wenn er gebraucht
        
        
          wird. Mit anderen Worten: Zeitpunkt, Häufigkeit
        
        
          und Erstellungsdauer des Forecasts sind der
        
        
          Zyklizität des Geschäftsmodells/-umfelds an-
        
        
          gemessen.
        
        
          Hinreichend genau
        
        
          („accurate
        
        
          enough“): Die Genauigkeit des Forecasts reicht
        
        
          aus, um darauf basierend wichtige Entschei-
        
        
          dungen zu treffen.
        
        
          Aufeinander abgestimmt
        
        
          („aligned“): Unterschiedliche Forecasts (z. B.
        
        
          Finanz, Supply-Chain, Marketing) sind aufein-
        
        
          ander abgestimmt.
        
        
          Effizient
        
        
          („cost effective“):
        
        
          Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Trend, den
        
        
          Forecastingprozess mehr und mehr zu automa-
        
        
          tisieren, um Controllerkapazität freizusetzen.
        
        
          Meiner Erfahrung nach finden Controller grund-
        
        
          sätzlich alle Kriterien relevant, allerdings mit
        
        
          sehr unterschiedlichen Schwerpunkten. Die,
        
        
          die sich intensiv mit einer weitgehenden Automa-
        
        
          tisierung des Forecastings beschäftigen, sehen
        
        
          häufig die große Zahl von Controllern im Vor-
        
        
          dergrund, die sich durch die Automatisierung
        
        
          einsparen lässt. Allerdings gibt es noch keine
        
        
          hinreichende empirische Erfahrung darüber, ob
        
        
          dies am Ende auch wirklich gelingt.
        
        
          Eine laufende Prognoserechnung zu gestalten,
        
        
          ist also alles andere als trivial. Eine solche Rech-
        
        
          nung erhöht auch die Komplexität des Steue-
        
        
          rungsinstrumentariums. Manche Unternehmen
        
        
          fragen sich deshalb aktuell, ob sie die übliche
        
        
          Planung neben dem Forecasting überhaupt
        
        
          noch brauchen. Kann man über die ständige
        
        
          Auseinandersetzung mit dem Forecast nicht
        
        
          auch so viel über das Geschäft lernen, dass eine
        
        
          gesonderte Planung obsolet wird? Weitere
        
        
          spannende Fragen stellen sich: Wer prognosti-
        
        
          ziert besser, der Mensch oder die Maschine?
        
        
          Warum erfolgt der Forecast noch in den übli-
        
        
          chen Zeitscheiben, wenn HANA oder ähnliche
        
        
          Technologien versprechen, ein Forcasting „auf
        
        
          Knopfdruck“ möglich zu machen? Erfolgt das
        
        
          Forecasting in Zukunft anlass- statt perioden-
        
        
          gesteuert? Sie sehen: Es bleibt spannend!
        
        
          
            Was ist eigentlich ein
          
        
        
          
            guter Forecast?
          
        
        
          von Jürgen Weber
        
        
          
            Autor
          
        
        
          Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
        
        
          ist Direktor des Instituts für Management und Controlling
        
        
          (IMC) der WHU – Otto Beisheim School of Management Cam-
        
        
          pus Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar; 
        
        
        
          edu/controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums
        
        
          des Internationalen Controller Vereins (ICV).
        
        
          E-Mail:
        
        
        
          
            CM Januar / Februar 2018