Controller Magazin 1/2018 - page 31

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Biel:
Wir leben in einer Zeit intensiver Verände-
rungen, einer höheren Marktdynamik und
wachsenden Wettbewerbsintensität, vielfältiger
Einflüsse durch Stakeholder usw. Dies führt zu
Anpassungen in den Unternehmen, „agile Un-
ternehmen“ war eines der Schlagworte des
Controller Congresses 2017, veranstaltet vom
Internationalen Controller Verein ICV. Sie haben
das Thema bereits angeschnitten. Dazu ergän-
zend gefragt, was bedeutet dies für die Art der
Entscheidungen?
Dr. Kottbauer:
Das, was die Automatisierung
von Entscheidungen z. T. schon heute ermög-
licht, wird vom Markt her immer mehr gefor-
dert – vor allem Geschwindigkeit und Individu-
alisierung. Ob der Markt die agilen Entschei-
dungen fordert oder die Agilität mancher Un-
ternehmen den Markt dazu bringt, dynamischer
und volatiler zu sein, ist eine nicht zu klärende
Henne-Ei-Diskussion. Auf jeden Fall werden
wir uns
langsame
und wenig zielgerichtete
Entscheidungen immer weniger leisten
dürfen
.
Biel:
Das klingt etwas bedrohlich. Daher die
Bitte, uns diesen Aspekt zu veranschaulichen
und zu verdeutlichen.
Dr. Kottbauer:
Wenn die in Abbildung 3 ge-
zeigten Vorhersagen auch nur für 10% der Un-
ternehmen Gültigkeit haben, dann werden alle
anderen Unternehmen
sehr stark unter Druck
gesetzt
werden, um nicht zu sagen, keine
Chance mehr haben. Schon heute ist es so,
dass die vier großen
„GAFA“
Konzerne (
Google,
Apple, Facebook und Amazon
) wirtschaftlich
und eben auch in der Anwendung von Business
Analytics und Big Data, auch in Bezug auf die
Entscheidungsfindung, dominieren. Wenn wir
nicht Möglichkeiten finden, dass auch der deut-
sche Mittelstand bei dieser Automatisierung
von Entscheidungen mithalten kann, wird der
Wettbewerbsnachteil immer gravierender. Wir
verkommen eventuell zu
Handlangern der
großen Konzerne
.
Biel:
Der ICV verlieh 2015 unter dem Jury-
Vorsitz von Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber,
WHU, der RWE AG für die „Berücksichtigung
von Biases in Entscheidungsprozessen“ den
ControllerPreis. Wieweit können diese Verzer-
rungen zu Entscheidungsfehlern führen?
Bedürfnisse zugeschnitten, genau das
richtige Produkt zum passenden Preis
empfohlen bekommen.
Niemals würde eine
derartige Individualisierung eines Preises, des
Produktes oder einer Dienstleistung manuell
und durch Menschenhand in dieser Geschwin-
digkeit möglich sein.
Biel:
Damit zeichnen sich auch Veränderungen
im Controlling ab?
Dr. Kottbauer:
Für die Umsetzung der Moder-
nisierung von Entscheidungen mit Business-
Analytics-Methoden etablieren sich in den Un-
ternehmen mehr und mehr die in letzter Zeit oft
erwähnten
Data Scientists bzw. Business
Analysten
. In dieser Rolle verkörpern sie die
Verknüpfung von mathematischen bzw. statisti-
schen Kenntnissen mit den Business-Intelli-
gence und Big-Data-Methoden und den not-
wendigen Programmierkenntnissen.
Biel:
Wenn Algorithmen Abläufe und Entschei-
dungen bestimmen, wir auf Computer und Ma-
thematik fokussieren bzw. auch reduzieren,
was bedeutet diese Entwicklung?
Dr. Kottbauer:
Große
Vorteile
der Automati-
sierung von Entscheidungen sind die
Ge-
schwindigkeit, die Individualisierung
, aber
auch die Vorgehensweise nach klaren Ent-
scheidungsregeln und somit das Ausschalten
von vielen Fehlerquellen. Die Güte der Ent-
scheidungsqualität hängt jedoch an der
Güte
des Entscheidungsalgorithmus
.
Biel:
Vielfach wird der Intuition, dem Instinkt
und dem Spürsinn erfahrener Menschen große
Bedeutung beigemessen. Automatisierte Ab-
läufe verzichten auf den „menschlichen Rie-
cher“ und sind dennoch besser?
Dr. Kottbauer:
Die Intuition eines z. B. sehr er-
fahrenen Verkäufers oder Produktionsplaners
kann wohl nicht so leicht durch einen Algorith-
mus erreicht werden. Vermutlich ist dies aber
nur eine Frage der Zeit. Mithilfe
künstlicher
Intelligenz und selbstlernenden Systemen
wird vielleicht
der Algorithmus
irgendwann
sogar
der bessere Mensch
? Solange es in kri-
tischen Fällen nur eine Entscheidungsunter-
stützung bleibt, sehe ich dahingehend noch
keine große Gefahr oder einen Nachteil.
Sie uns kurz und knapp sagen, ob und ggf. wie
MINT Abläufe und Entscheidungen heute und
zukünftig verändern wird? Folgt daraus eine
„Modernisierung der Entscheidungsprozesse“?
Dr. Kottbauer:
Grundlage für automatisierte
Entscheidungen ist, dass man
Treibermodelle
definiert und letztlich auf das Unternehmen zu-
geschnittene
Algorithmen
findet, welche die
Zusammenhänge der Entscheidungsfin-
dung
beschreiben. Dafür sind Kenntnisse aus
der Mathematik bzw. Statistik und den Natur-
wissenschaften hilfreich bzw. z. T. sogar nötig.
IT-technisches Know-how bzw. Programmier-
kenntnisse sind die Voraussetzung für die Im-
plementierung und den Betrieb der automati-
sierten Entscheidungssysteme.
Biel:
Das ist etwas abstrakt. Können Sie uns
diesen Sachverhalt konkretisieren und deutli-
cher machen?
Dr. Kottbauer:
Ich schildere Ihnen am besten
ein konkretes Beispiel zur automatisierten
Preis- und Produktfindung. Loggt sich ein Kun-
de über ein digitales Endgerät (z. B. PC, Smart-
phone) im unternehmenseigenen
Online-Shop
ein, so kann mit heutiger Technologie in
Echt-
zeit der Kunde einer Preisklasse
zugeordnet
werden, vielleicht sogar konkret identifiziert
werden. Aus seinem bekannten, vergangenen
Kaufverhalten kann abgeleitet werden, wel-
chen Preis der Kunde unter gegebenen Rand-
bedingungen (Alter, Geschlecht, Einkommens-
klasse, Tageszeit, Saison, Wetter …) bereit ist
zu bezahlen. Die Technologie dahinter ist, dass
der Kunde aufgrund der IP-Adresse seines
Endgeräts erkannt wird oder der Kunde in der
Vergangenheit mit sogenannten Cookies (Da-
ten über besuchte Webseiten), die auf seinem
Gerät hinterlegt worden sind, Spuren hinterlas-
sen hat, oder vielleicht auch nur aufgrund der
Klassifizierung des Endgerätes (neuestes iPho-
ne vs. altes oder günstiges Smartphone) grob
einer Preisklasse zugeordnet werden kann.
Nun können individualisierte Angebote ge-
macht werden, z. B. kann ein Rabatt gewährt
werden, wenn vielleicht nach 10 Minuten das
Produkt zwar im Warenkorb ist, der Kauf aber
immer noch nicht abgeschlossen ist. Es kön-
nen sofort individualisierte Cross-Selling Ange-
bote unterbreitet werden.
Der Kunde kann
also systematisiert, individuell auf seine
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