CONTROLLER Magazin 2/2018 - page 43

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bedienerinduzierte Ausfälle sowie deren mögli-
che Folgeschäden ausgehandelt werden.
Neben diesen Schwierigkeiten stellt die Dimen-
sionierung einer Verfügbarkeitsgarantie auf-
grund der schwankenden Bedarfe ein komple-
xes und mehrdimensionales Entscheidungs-
problem für den Anbieter dar (siehe Abbildung 1).
Falls die vorhandene Kapazität des Anbieters
für die Dienstleistung aufgrund einer zufälligen
Häufung an Ausfällen nicht ausreichend ist, um
das vorgegebene Leistungsversprechen zu er-
füllen, droht ein Vertrauensverlust durch den
Kunden (Opportunitätskosten) und es werden
Strafzahlungen (Pönale) fällig. Aus diesem
Grund verringern sich Opportunitätskosten und
Pönale mit steigendem Leistungsniveau des
Dienstleisters. Im Falle einer hohen Auslegung
der verfügbaren Kapazität (hohes Leistungsni-
veau) können zufällige Anhäufungen abgefan-
gen werden. Jedoch muss der Anbieter in die-
sem Fall eine hohe Unterauslastung und damit
hohe Leerkosten der jeweiligen Ressourcen in
Kauf nehmen. Diese hohen Zusatzkosten stei-
gen ab einem bestimmten Zeitpunkt überpro-
portional an. Dadurch werden die positiven
Effekte von verringerten Opportunitätskosten
und Pönale neutralisiert. Die Gesamtkosten
steigen an.
Den optimalen Betriebspunkt
finden
Bei der Festlegung des Leistungsniveaus und
der daraus resultierenden Kosten ist daher der
optimale Betriebspunkt für das Unternehmen
zu finden. Dieser liegt bei einer Auslastung der
Kapazitäten, die die Erreichung des angebote-
nen Servicelevels ermöglicht, bei gleichzeitig
vertretbaren Pönal- und Opportunitätskosten.
Zusammenfassend muss der Controller die fol-
genden Entscheidungsprobleme berücksichti-
gen, um mögliche Servicelevel (bspw. 95% vs.
97%) sowie deren interne Kosten bewerten zu
können:
·
Dimensionierung der Ressourcenvorhaltung
zur Erbringung der Dienstleistung
(Leerkosten vs. Reaktionsfähigkeit)
·
Abwägung des finanziellen Risikos durch
die Übernahme des Ausfallrisikos
(Pönale und Kundenverlust)
·
Auftragsvergabelogik zur Minimierung
der Ausfallzeiten und Strafzahlungen
(Planung zur Kapazitätsglättung vs.
dynamischer Priorisierung)
·
Umfang und Konsequenz der Qualifikations-
maßnahmen der Servicetechniker
(Qualifikationskosten vs. Flexibilität)
·
Vertragsgestaltung bezüglich der Verfüg-
barkeitsgarantie (Geringere Margen vs.
Pönalzahlung und Flexibilität)
·
Infrastrukturelle Anpassungen (Kurze
Anfahrtszeiten vs. Infrastrukturkosten)
(Wagner, 2016)
Die Herausforderungen bei der Preisermittlung
von Verfügbarkeitsgarantien resultieren in der
betrieblichen Praxis aus den begrenzten Res-
sourcen, um den komplexen Preisfindungspro-
zess bei Verfügbarkeitsgarantien durchzufüh-
ren. Insbesondere die Analyse der Zahlungsbe-
reitschaft von Kunden setzt kostenintensive
Marktanalysen voraus, die der Controller im Ta-
gesgeschäft nicht durchführen kann. Weiterhin
verfügen die Hersteller lediglich über begrenzte
Erfahrungen, um das Ausfallrisiko von Kunden-
maschinen zu bestimmen und damit die poten-
ziellen Kosten einer Verfügbarkeitsgarantie zu
prognostizieren. Nichtsdestotrotz führt die zu-
nehmende Digitalisierung der Produktion, ein-
schließlich neuer Möglichkeiten der Echtzeit-
überwachung sowie innovativer predictive
Maintenance Algorithmen, zu einer
deutlichen
Steigerung der Prognosequalität und einer
Abnahme des Herstellerrisikos
, weshalb
Verfügbarkeitsgarantien zukünftig an Bedeu-
tung gewinnen werden.
Hohes wirtschaftliches Potenzial
Das wirtschaftliche Potenzial von Verfügbar-
keitsgarantien wird sehr hoch eingeschätzt.
So können Anbieter von Verfügbarkeitsgaran-
tien ihre Kunden durch langjährige Verträge
dauerhaft an ihr Dienstleistungsgeschäft bin-
den und stärken dadurch die Kundenbindung.
Zudem kann ein Anbieter aufgrund der lang-
fristigen Bindungswirkung nach dem Abschluss
des Basisgeschäfts mit Folgegeschäften höhere
Deckungsbeiträge generieren. Diese resultieren
aus der preislichen Bündelung industrieller
Dienstleistungen wie Wartungs- und Inspekti-
onsleistungen. Die entstehenden Kosten (Pönale,
Leerkosten, Infrastrukturkosten etc.) und die
Zahlungsbereitschaft der Kunden sind dabei
die elementaren Bestandteile zur Ermittlung
des ergebnisoptimierenden Preises der Verfüg-
barkeitsgarantie. Der Controller des Anbieters
steht dabei vor der komplexen Herausforde-
rung, diese zu ermitteln (Schuh et al., 2008).
Gewinnhebel Preisfindung
Die Preisfindung ist einer der größten Gewinn-
hebel und ein wesentlicher Faktor für den
langfristigen Erfolg eines Unternehmens.
Trotzdem wird diesem bislang in der unterneh-
merischen Praxis zu geringe Beachtung ge-
schenkt. Studienergebnisse belegen, dass nur
55% der industriellen Produzenten die Zah-
lungsbereitschaft ihrer Kunden für Produkte
und Services verstehen (PWC, 2013). Ansätze
zur Preisfindung für allgemeine industrielle
Abb. 1: Qualitative Darstellung des Spannungsfeldes zwischen Leistungsniveau im Sinne von Leistungs-
potenzial und Kosten (Wagner, 2016)
CM März / April 2018
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