CONTROLLER Magazin 2/2018 - page 53

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·
Mitarbeiter, die es gewohnt sind, alles „vor-
gesagt“ zu bekommen, sollen plötzlich eigen-
verantwortlich und auch unternehmerisch
denken und handeln.
·
Die Führungskräfte haben nicht mehr das
alleinige Sagen und sollen ihre Mitarbeiter
coachend unterstützen.
·
Die gewachsenen Hierarchien mit den damit
verbundenen Privilegien werden aufgebro-
chen und formieren sich abhängig von den
Projekten, Zielen und Ideen stets neu.
·
Der Umgang mit Unsicherheit und Verände-
rung ist plötzlich das tägliche Brot.
Dieser Change lässt sich nur mit agilen Teams
bewältigen, die ausreichend für diese Aufgaben
qualifiziert sind und Support von ganz oben er-
fahren. Dabei gilt:
Eine große Diversität der
Teammitglieder ist zwar förderlich für gute
Ideen, sie birgt jedoch auch das Potenzial
für Konflikte und Grabenbildung.
Diese gilt
es durch eine Teamentwicklung aufzufangen
und in ein produktives, verständnisvolles Mitei-
nander zu überführen. Die „Andersartigkeit“
der anderen muss verstanden werden, damit
sie geschätzt werden kann.
Stolpersteine beim Einführen
von Agilität
Weitere Stolpersteine beim Einführen der Philo-
sophie Agilität sind:
·
Das Scrum-Team ist eingebettet in alte
Strukturen, die an den Schnittstellen ungläu-
big auf die agilen Prinzipien schauen und
sich fragen, was das soll. „So haben wir das
noch nie gemacht.“
·
Das Scrum-Team selbst besteht aus Mit
-
arbeitern, die noch ungeübt in der Selbst-
organisation sind. Es entstehen Konflikte aus
Rollenunklarheiten und die Gefahr lauert,
dass bei Hindernissen alle wieder ins alte
und bekannte Schema zurückfallen.
·
Agile Teams und Strukturen sollen einge-
führt werden ohne Scrum. In diesem Fall
gibt es kein Framework, an das sich alle hal-
ten können; ein Vorgehen mit Prinzipien der
Zusammenarbeit muss erst noch entwickelt
werden.
In der Scrum-Philosophie und -Methodik gilt
der Scrum-Master als derjenige, der die Team-
mitglieder, Product-Owner und oft auch die am
Rande beteiligten Personen bei der Einführung
von Agilität coachen soll. Deshalb ist in der
Szene ein neuer Begriff entstanden: der agile
Coach.
Agile Coaches haben
viele Funktionen
In der Regel ist dieser agile Coach der Scrum-
Master. Dieser wurde in der Praxis, wenn es gut
lief, in einem 2-tägigen Seminar geschult und
auf die
Prüfung zum Scrum-Master
vorberei-
tet, die er online im Multiple-Choice-Verfahren
abschließt. In dieser Prüfung, die gar nicht so
leicht zu bestehen ist, geht es nur um die The-
orie der Prinzipien und der Methodik. Nichts
und niemand bereitet den Scrum-Master je-
doch darauf vor, wie er mit den Herausforde-
rungen, die sich ihm bei der praktischen Arbeit
stellen, umgeht und Teams entwickelt. Es wird
einfach von ihm erwartet, dass er es kann und
ohne Ausbildung wie ein agiler Coach agiert.
Ein agiler Coach hat viele Aufgaben und Funk-
tionen.
·
Er versteht und kennt die agilen Praktiken
und Prinzipien und unterstützt mit Leiden-
schaft Teams, diese zu erlernen und anzu-
wenden.
·
Er erkennt organisationale Blockaden und
Hindernisse und coacht das Management
und andere Betroffene bei der Agilisierung
des Unternehmens.
·
Er ist in der Lage, mediativ, moderativ,
coachend und methodisch Teams bei ihrer
Entwicklung zu leistungsstarken Teams zu
begleiten.
·
Er kann Führungskräfte und Vorstände von
den Vorteilen agiler Methoden und Prozes-
sen überzeugen und dafür begeistern.
„Probleme“ werden schnell
sichtbar ... und lösbar
Konkret bedeutet dies, ein agiler Coach muss
situations- und zielabhängig in folgende Rol-
len schlüpfen und diese professionell wahr-
nehmen: Berater, Trainer, Coach, Changema-
nager ... und oft auch wirksame Führungs-
kraft. Und das in einem Umfeld, in dem viel-
fach angenommen wird, Agilität sei die
Lösung aller Probleme. Da kann der Scrum-
Master oder agile Coach nur scheitern, sofern
es ihm durch viel Aufklärungsarbeit nicht ge-
lingt, das Bewusstsein zu schaffen:
Agile Me-
thoden und Organisationsformen lösen
keine Probleme, sie machen diese ledig-
lich sehr schnell sichtbar.
Das gilt auch für
die agilen Teams selbst. Wer „richtig“ und
„falsch“ im Team ist, zeigt sich bei der Zu-
sammenarbeit aufgrund der Gruppendynamik
und Transparenz sehr schnell.
Die erkannten Probleme müssen in den Unter-
nehmen als Chance, etwas zu verbessern, ge-
sehen werden. Denn nur dann werden sie in der
Regel konsequent gelöst. Diese Einstellung und
Haltung ist auch bei der Einführung von Agilität
wichtig. Besteht sie, erwächst hieraus die
Chance, Probleme aufgrund der hohen Trans-
parenz und regelmäßigen Reflektion schnell
und klar aufzudecken und bei einer entspre-
chenden Entschlossenheit fix zu beseitigen –
und dass das Unternehmen eine High-Perfor-
mance-Organisation wird oder bleibt.
Autor
Katja von Bergen
arbeitet als Unternehmens- und Managementberaterin für
die international agierende Unternehmensberatung Dr. Kraus &
Partner, Bruchsal. Sie ist auf die Themenfelder Change-
management, Projektmanagement und Unternehmensent-
wicklung spezialisiert.
E-Mail:
CM März / April 2018
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