CONTROLLER Magazin 2/2018 - page 32

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Das Controlling ist in der Pflicht
Die Analyse, die wir hier kurz dargestellt haben,
wird nicht immer durchgeführt. Dafür gibt es
zahlreiche Gründe, angefangen bei Zeitnot bis
zum Widerstand der Führungsetage.
Aus unse-
rer Sicht kann und muss das Controlling in
seiner Rolle als Business-Partner solch tie-
fere analytische Arbeit leisten, die weit
über die Interpretation von Zahlen hinaus-
geht
und sich auch auf die kognitiven Prozesse
konzentriert, die die Entscheidungen und Hand-
lungen des Managements bestimmen.
Das vorgeschlagene Instrumentarium kann
nicht nur in Hinblick auf das Monitoring des
Fortschritts eines Investitionsvorhabens, son-
dern auch bei den monatlichen Berichterstat-
tungen über Budgeterfüllung eingesetzt wer-
den. Die dadurch gesammelten Informationen
über die Ursachen von tatsächlichen Soll-Ist-
Abweichungen können die Identifizierung von
systematischen Bias wesentlich erleichtern
und sogar erlauben, Bias-Profile für einzelne
Mitarbeiter zu bilden. Mithilfe eines Profils
werden Sie schon im Vorab wissen, dass bei-
spielweise einige Verantwortliche zu Selbst-
überschätzung neigen. Somit können Sie
rechtzeitig reagieren und sie auffordern, ihre
Handlungen und Vorschläge kritischer zu be-
werten und ggf. der Analyse möglicher Risi-
ken, Bedrohungen und Schwachstellen mehr
Zeit zu widmen.
tung hat man die geplante Wechselquote aus
den öffentlich zugänglichen Daten herausge-
nommen. Weil das Zielunternehmen im Ver-
gleich zum Durchschnitt besser abgeschnitten
hat, war man der Meinung, dass die getroffene
Annahme konservativ genug ist. Im Modell
wurde die Wechselquote in gleicher Höhe über
alle Perioden verwendet. Die angenommene
durchschnittliche Wechselquote gilt daher als
ein Anker. In der Tat hat sich die ursprünglich
über dem Durchschnitt liegende Wechselquo-
te schnell verschlechtert, weil – erstens – die
Kundenbindungsprogramme den erwarteten
Effekt nicht lieferten und – zweitens – die Zahl
der wechselnden Kunden wegen der anhalten-
den Markliberalisierung stark zunahm.
Verfügbarkeitsheuristik:
Bei der Vorbereitung
und Implementierung des Deals hat das Ma-
nagement von UnitedPower auf der Grundlage
festgefahrener und erfahrungsabhängig gebil-
deter mentaler Modelle agiert. Es bevorzugte
die standardisierten Prozesse und Lösungen,
die sich früher als robust erwiesen haben und in
diesem Sinne „verfügbar“ waren. Dabei wurden
die neuen Umstände nicht ausreichend berück-
sichtigt. Es hat sich herausgestellt, dass die
Mitarbeiter von iOrange mentale Vorbehalte ge-
genüber der britischen Führung hatten. Wegen
des ungesunden Geschäftsklimas und fehlen-
der Fortschritte haben viele Schlüsselpersonen
gekündigt, was die Umsetzung der vorgegebe-
nen Strategie noch einmal erschwerte.
Selbstüberschätzung:
Je erfolgreicher ein Un-
ternehmen ist, desto deutlicher kann dieser Ef-
fekt ausgeprägt sein. Dieser führt dazu, dass
eine geplante Übernahme oft nicht ausreichend
hinterfragt wird. Vieles deutete darauf hin, dass
das Management von UnitedPower von seiner
Integrations-Strategie überzeugt und nicht bereit
war, Gegenargumente anzuhören. Wie man der
Soll-Ist-Analyse entnehmen kann, sind viele ge-
plante Maßnahmen (Einführung von neuen Pro-
dukten, Etablierung eines neuen Kunden-Cen-
ters) gescheitert. Dabei glaubte das Manage-
ment, dass es diese Prozesse unter Kontrolle hat.
Kontrollillusion
ist oft eng mit Selbstüber-
schätzung verbunden und entsteht dann, wenn
man glaubt, Ereignisse kontrollieren zu können,
die man in der Tat nicht oder nur wenig beein-
flussen kann. Wie wir schon erwähnt haben,
war das Management von UnitedPower über
das Verhalten des verbleibenden Geschäftsfüh-
rers sehr überrascht. Von der später einge-
reichten Klage war UnitedPower total überrum-
pelt. Die Kontrolle des verbleibenden Ge-
schäftsführers blieb am Ende eine Illusion.
Ankereffekt:
Bei der Modellierung des Unter-
nehmenswertes wurde festgestellt, dass der
Wert von iOrange stark von der vermuteten
Wechselquote abhängt. Das Management
glaubte, dass sich die geplanten Maßnahmen
zur Kundenbindung auf diese entscheidende
Größe positiv auswirken würden. Zur Bewer-
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