CONTROLLER Magazin 2/2018 - page 27

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Das Schlagwort Digitalisierung beherrscht seit
einiger Zeit die betriebswirtschaftliche Diskus-
sion. Wie so häufig, wird die Debatte stark auf
die Belange von Großunternehmen konzen-
triert. Das gilt selbst für Start-ups mit ihrer ge-
ringen Größe: Natürlich gibt es Literatur, die
sich mit der Steuerung solcher Unternehmen
befasst, die für die zukünftige Wettbewerbs-
fähigkeit unserer Volkswirtschaft so wichtig
sind. Ausführlicher wird aber derzeit darüber
nachgedacht, wie man Start-ups in Großunter-
nehmen integrieren, wie man ihnen ein ent-
sprechendes Biotop schaffen kann, damit sie
nicht gleich in der Planungsbürokratie des Re-
gelgeschäfts zerrieben werden.
Auch das, was auf Controller im Prozess der
Digitalisierung zukommt, wird zumeist vor dem
Hintergrund der Situation in Großunternehmen
mit ihrer drei-, manchmal vierstelligen Zahl von
Controllern reflektiert. Auch wir an der WHU
haben uns aktiv an einem entsprechenden
Blick in die Zukunft beteiligt. Wir sehen drei
Entwicklungen: (1) Transaktionale Aufgaben
(wie z. B. reines Reporting) werden standardi-
siert und automatisiert. Sie fallen damit für
Controller weg. (2) Die Business Partner-Funk-
tion wird für Controller immer anspruchsvoller,
weil die Anforderungen der Manager steigen.
Es wird zunehmend schwieriger, das dafür er-
forderliche Know-how aus dem Controllerbe-
reich heraus aufzubauen. Die Funktion wird
mehr und mehr aus dem Management heraus
abgedeckt. (3) Dabei greifen die Manager ver-
stärkt auf Methodenspezialisten zurück („data
scientists“), die nicht mehr im Controlling sitzen,
sondern aus Spezialisierungsgründen in einem
eigenen Bereich zusammengefasst sind.
Ein weiterer für Großunternehmen relevanter
Einflussfaktor kommt hinzu, der in dieselbe
Richtung wirkt: Wir stehen im internationalen
Vergleich, was die Zahl der Controller betrifft,
ziemlich einzigartig dar. Der anglo-amerikani-
sche Standard sieht deutlich weniger Controller
vor, die noch dazu andere Funktionsbezeich-
nungen tragen. In einem bekannten deutschen
DAX 30-Unternehmen wird die Controlling-
Funktion gerade reorganisiert. Dieses Mal
bleibt die Stellenbezeichnung noch erhalten; in
der nächsten Runde wird dies nicht mehr der
Fall sein. Mit anderen Worten: Die Luft für die
Profession Controlling in Großunternehmen
wird dünn, wenn auch diese Veränderungen
nicht von jetzt auf gleich stattfinden werden.
Schauen wir in die kleineren, mittelständisch
geprägten Unternehmen. Gilt für ihre Controller
dasselbe? Ich meine nein. Wir reden im Mittel-
stand häufig über zwei, drei oder vier Controller.
Eine Standardisierung und Automatisierung der
Prozesse rechnet sich hier wegen geringerer
Skaleneffekte weniger. Die Unternehmen haben
nicht die finanziellen Möglichkeiten, einen Data
Scientist einzustellen (wenn dieser überhaupt in
einen mittelständischen Kontext arbeiten woll-
te), weil sie ihn gar nicht auslasten können. Mit-
telständische Controller müssen wegen der gro-
ßen Nähe zum Management schon seit jeher
eng am Geschäft sein, das auch nicht so kom-
plex und weit entfernt ist, als dass man es sich
als Controller nicht im Tagesgeschäft erarbeiten
könnte. Gefordert ist eher der Allrounder, weni-
ger der Spezialist. Die Führung erfolgt häufig
durch direkte Ansprache, weniger indirekt durch
finanzielle Zielgrößen. Controller stiften deshalb
auch mit ihren bisherigen Qualifikationen genü-
gend Nutzen. Ihnen fehlt schließlich die interne
Konkurrenz; sie müssen z. B. nicht fürchten,
dass die IT-Abteilung sie übernimmt.
Ehrlich gesagt kann ich mir auf absehbare Zeit
kein Szenario vorstellen, das die Controller aus
ihrer in den letzten Jahren aufgebauten Positi-
on in den mittelständischen Unternehmen ver-
treibt. Ganz im Gegenteil: Controller haben in
einem solchen Umfeld sehr gute Chancen, sich
für das Management noch wertvoller zu ma-
chen, indem sie sich etwas in die (schwierige)
Materie von Big Data und Business Analytics
einarbeiten, indem sie helfen, die Chancen der
Digitalisierung für das Unternehmen zu erken-
nen und auszuschöpfen. Wird es weniger Con-
troller im Mittelstand in den nächsten Jahren
geben? Eher nicht. Wird der Anteil der Control-
ler, die im Mittelstand arbeiten, zunehmen?
Meiner Einschätzung nach ja.
Digitalisierung – sind Controller
kleinerer Unternehmen dieses
Mal im Vorteil?
von Jürgen Weber
Autor
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling
(IMC) der WHU – Otto Beisheim School of Management Cam-
pus Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar;
edu/controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums
des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
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