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          ten und Erträge sowie die geplanten Maßnah-
        
        
          men im Risikofall galten. Zusätzliches Material
        
        
          kann durch ein strukturiertes Interview erho-
        
        
          ben werden. Besonders nützlich ist es, wenn
        
        
          man Interviews kurz vor dem Entscheidungs-
        
        
          zeitpunkt durchführt und Entscheidungsträger
        
        
          zu ihrer Wahrnehmung von Risiken und kriti-
        
        
          schen Erfolgsfaktoren befragt. Der systemati-
        
        
          sche Vergleich der Ex-ante- und Ex-post-Be-
        
        
          wertungen von Risiken und Erfolgsfaktoren
        
        
          kann dem bewussten Lernprozess dienen und
        
        
          der Gewichtung w
        
        
          2
        
        
          die erforderliche Aufmerk-
        
        
          samkeit schenken.
        
        
          In unserem Fallbeispiel kann die hier aufge-
        
        
          führte Formel nicht nur auf die Ermittlung von
        
        
          Planwerten, sondern auch auf die Formulie-
        
        
          rung von Erwartungen hinsichtlich der Leistung
        
        
          des verbleibenden Geschäftsführers und des
        
        
          Erfolges der geplanten Post-Merger-Integrati-
        
        
          on angewendet werden. Das Management von
        
        
          UnitedPower ist davon ausgegangen, dass
        
        
          nach dem Closing der verbleibende Geschäfts-
        
        
          führer zügig mit der Umsetzung der von ihm
        
        
          vorgesehenen Integrationsmaßnahmen an-
        
        
          fängt. In der Tat sah der verbleibende Ge-
        
        
          schäftsführer die vorgeschlagenen Maßnah-
        
        
          men sehr kritisch und weigerte sich, diese um-
        
        
          zusetzen. Im Ergebnis verzögerte sich die Ein-
        
        
          führung von neuen Produkten, was zu
        
        
          wesentlichen Abweichungen im ersten und den
        
        
          darauffolgenden Jahren geführt hat. Diese un-
        
        
          erfüllte Erwartung könnte ein Zeichen dafür
        
        
          sein, dass das Management einer Illusion der
        
        
          Kontrolle unterlag. Der Käufer hat übersehen,
        
        
          dass er in seiner Bewegungsfreiheit hinsicht-
        
        
          lich des übernommenen Unternehmens wäh-
        
        
          rend der Earn-out-Periode unter bestimmen
        
        
          Einschränkungen stehen wird. Dies hat die or-
        
        
          ganisatorische und wirtschaftliche Eingliede-
        
        
          rung des Unternehmens und ihre Anpassung
        
        
          an die standardisierten Prozesse erschwert.
        
        
          Bestimmte Vorteile aus der Übernahme konn-
        
        
          ten vorerst gar nicht realisiert werden. Unter-
        
        
          schiedliche Vorstellungen darüber, wie sich das
        
        
          übernommene Unternehmen weiterentwickeln
        
        
          soll, gingen sogar so weit, dass der verbleiben-
        
        
          de Geschäftsführer das Management von Uni-
        
        
          tedPower verklagt hat. Dieses Szenario war
        
        
          gänzlich unvorhersehbar. Das Management hat
        
        
          sich gründlich verkalkuliert und lange ge-
        
        
          braucht, das einzusehen. Der vorgeschlagene
        
        
          gerichtliche Vergleich wurde vom Management
        
        
          ·
        
        
          Hohe w
        
        
          1
        
        
          :
        
        
          Einschätzungen von Variablen, die
        
        
          sich sehr volatil verhalten können, basieren
        
        
          auf historischen Werten oder willkürlich ge-
        
        
          setzten Annahmen => ein Zeichen für An-
        
        
          kereffekt
        
        
          ·
        
        
          Niedrige w
        
        
          2
        
        
          :
        
        
          Lernprozesse aus den vergan-
        
        
          genen Soll-Ist-Abweichungen werden als
        
        
          weniger relevant betrachtet, was damit be-
        
        
          gründet wird, dass für die früheren Abwei-
        
        
          chungen externe Faktoren verantwortlich
        
        
          waren => ein Zeichen für selbstwertdien-
        
        
          liche Verzerrung
        
        
          ·
        
        
          Niedrige w
        
        
          3
        
        
          :
        
        
          Die neuen Informationen wer-
        
        
          den aus dem Grund ignoriert, dass sie nicht
        
        
          dem gängigen Bild entsprechen => ein Zei-
        
        
          chen für Repräsentativitätsheuristik
        
        
          ·
        
        
          Niedrige w
        
        
          3
        
        
          :
        
        
          Den neuen Informationen, die
        
        
          insbesondere auf die mit einem neuen Vor-
        
        
          haben verbundenen Risiken verweisen, wird
        
        
          nicht genügend Bedeutung beigemessen,
        
        
          weil diese Risiken vom Entscheidungsträger
        
        
          als weniger bedeutsam erachtet werden
        
        
          => ein Zeichen für Selbstüberschätzung.
        
        
          
            Strukturierte Interviews
          
        
        
          
            zur Bias-Identifizierung
          
        
        
          Exakte Gewichtungen sind in der Praxis nicht
        
        
          errechenbar. Oft reicht es aus, wenn man die-
        
        
          se qualitativ bewertet. Möglich ist das bei-
        
        
          spielweise durch die Einsicht in die internen,
        
        
          entscheidungsunterstützenden Unterlagen
        
        
          (z. B. Business Case, Investment Application),
        
        
          die zum damaligen Entscheidungszeitpunkt als
        
        
          Grundlage für die Bewertung der Risiken, Kos-
        
        
          Kundenabrechnung, IT-Applikationen wollte die
        
        
          Zentrale von UnitedPower auch übernehmen.
        
        
          Erwartungen des Managements hinsichtlich
        
        
          zukünftiger Entwicklungen der übernommenen
        
        
          Gesellschaft können anhand folgender Formel
        
        
          dargestellt werden:
        
        
          E (KPI) = w
        
        
          1
        
        
          · V + w
        
        
          2
        
        
          · L + w
        
        
          3
        
        
          · W
        
        
          Bedeutung:
        
        
          E (KPI) = Erwartungen hinsichtlich der
        
        
          Entwicklung der KPIs (Umsatz, Überschuss)
        
        
          V = vergangene Erfahrungen
        
        
          L = Lernprozesse aus den vergangenen
        
        
          Soll-Ist-Abweichungen
        
        
          W = Einbeziehung neuer Informationen /
        
        
          Sachverhalte
        
        
          w
        
        
          1, 2, 3
        
        
          = Gewichte von 0 bis 1
        
        
          (die Summe der Gewichte = 1).
        
        
          In einem stabilen Umfeld können Erwartungen
        
        
          anhand der Trendfortschreibung oder der Ex-
        
        
          trapolation ähnlicher Ereignisse gebildet wer-
        
        
          den. Dabei wirken sich Bias auf bereits geform-
        
        
          te Erwartungen kaum aus. In unsicheren Situa-
        
        
          tionen wie in unserem Fall kann die Rolle ein-
        
        
          zelner Bias wesentlich an Bedeutung gewinnen.
        
        
          Aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen
        
        
          Gewichtungen können mögliche Einflüsse von
        
        
          Bias beleuchtet werden:
        
        
          ·
        
        
          Hohe w
        
        
          1
        
        
          :
        
        
          Bei der Einschätzung zukünftiger
        
        
          Entwicklungen stützt man sich zu sehr auf
        
        
          vergangene Erfahrungen => ein Zeichen für
        
        
          Verfügbarkeitsheuristik
        
        
          
            Wie können Controller das Management unterstützen?
          
        
        
          
            Autoren
          
        
        
          Dr. Elena Aminova
        
        
          ist Geschäftsführerin von Orange 'n' square UG, Berlin.
        
        
          E-Mail:
        
        
        
          Dr. Denis Kotov
        
        
          ist Leiter Beteiligungscontrolling bei GAZPROMGermania
        
        
          GmbH, Berlin.
        
        
          E-Mail: