CONTROLLER Magazin 2/2018 - page 29

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nen lassen und wie Controller mögliche Ein-
flüsse von Bias identifizieren können. Das bri-
tische Unternehmen UnitedPower, welches im
Energiemarkt seit mehreren Jahren aktiv ist,
wollte ins Gas- und Stromendkundengeschäft
einsteigen. Zuvor hatte UnitedPower haupt-
sächlich an der Börse mit verschieden Ener-
gieträgern gehandelt. Über die Jahre hat Uni-
tedPower komplizierte Commodities Trading,
Risk Managementsysteme und IT-Kompeten-
zen entwickelt. Weil sich das Unternehmen im
Endkundengeschäft nicht gut genug auskann-
te, hat das Management beschlossen, ein Un-
ternehmen mit entsprechenden Kompetenzen
zuzukaufen. Auf diese Weise könnten Wachs-
tumsziele schnell und sprunghaft erreicht,
Skaleneffekte ausgenutzt und neue Kompe-
tenzen aufgebaut werden. Informell war dem
Management bekannt, dass der Aufsichtsrat,
dem die beabsichtigte Transaktion zur Geneh-
migung hätte vorgelegt werden müssen, die
vorgeschlagene Wachstumsstrategie durch
eine Übernahme eher kritisch sehen würde.
Nach einer langen Suche nach geeigneten
Targets hat man die französische Firma iOran-
ge identifiziert, die schon eine Weile auf dem
Markt präsent war und über einen Kunden-
stamm verfügte. Obwohl der Unternehmens-
umsatz den zweistelligen Millionenbereich ge-
knackt hatte, lag der Unternehmenswert nahe
Null. Am Ende der Verhandlungen hat man mit
dem Verkäufer vereinbart, dass ein Anteil des
Kaufpreises zu einem späteren Zeitpunkt er-
folgsabhängig gezahlt würde (Earn-out) und
der Verkäufer für eine bestimmte Zeit im Un-
ternehmen als Geschäftsführer verbleibt. Da
der Kaufpreis sehr niedrig war, konnte das
Management von UnitedPower den Deal durch
den Aufsichtsrat genehmigen lassen. Der Deal
schien dem Management des Käufers folgen-
de Perspektive zu öffnen:
·
Einstieg ins Endkundensegment und rasche
Steigerung der Absätze
·
Erzielen von Kostenersparnissen bei der
übernommen Gesellschaft durch die Bün-
delung zentraler Funktionen (Rechnungs-
wesen, Risikomanagement, IT, Gas- und
Strombeschaffung, Gas- und Stromportfolio-
optimierung)
Die Abbildung 1 illustriert den Vergleich des
tatsächlichen mit dem prognostizierten Ge-
schäftsverlauf.
Nun möchten wir zeigen, welche Bias so große
Abweichungen verursacht haben könnten und
wie diese zu identifizieren sind. Wir werden ins-
besondere auf folgende Bias fokussieren:
·
Als
selbstwertdienliche Verzerrung
be-
zeichnet man die Tendenz, vorteilhafte Soll-
Ist-Abweichungen eher inneren Ursachen
(z. B. eigenen Führungsfähigkeiten, internen
Betriebsprozessen) und unvorteilhafte Soll-
Ist-Abweichungen eher äußeren Ursachen
(z. B. Umwelt, Partner) zuzuschreiben.
·
Planning Fallacy
ist die Tendenz, Dauer,
Kosten oder Arbeitsaufwand eines Projektes
zu unterschätzen. Dies geschieht oft während
der Planung, wenn die Projektdauer kürzer
eingeschätzt wird. Ausgelöst durch den Druck
von Kunden oder Partnern, werden Projekte
meist überoptimistisch geplant. Dazu kom-
men Optimismus und Druck von der Seite des
Managements, was unerreichbare Deadlines
nach sich zieht und schließlich zu Zeitplanver-
zögerungen führt. Es empfiehlt sich zu schau-
en, wie lange ein ähnliches Projekt in der Ver-
gangenheit gedauert hat und welche Proble-
me dabei entstanden sind, um eine plausible
Einschätzung vorzunehmen.
·
Bestätigungsfehler
ist die Tendenz, Infor-
mation selektiv zu wählen, sodass nur DIE
Daten in Betracht gezogen werden, die die
eigene Meinung unterstützen. Dabei werden
alternative Fakten oder Informationen, die
der vorgefassten Ansicht widersprechen,
ausgeblendet. Auf diese Weise besteht die
Gefahr, die präsentierten Analysen einseitig
und tendenziös zu betrachten.
·
Jedes Projekt sollte man optimistisch anfan-
gen. Doch überoptimistisch vorzugehen, ist
riskant, da der
Überoptimismus-Bias
ins
Spiel kommen kann: die Tendenz, die geplan-
ten Ergebnisse überoptimistisch zu sehen.
Dabei werden negative Einflussfaktoren, die
womöglich auftreten können, nicht berück-
sichtigt.
Bei der Bewertung des Zielunternehmens und
der Ausarbeitung der Post-Merger-Integration
ist das Management des Käufers von bestimm-
ten Annahmen, Erwartungen und zukünftigen
Handlungen ausgegangen, die in die Planung
eingeflossen waren. UnitedPower wollte näm-
lich die Strategie der Absorption verfolgen und
die internen Systeme und Prozesse soweit wie
möglich an die eigenen Geschäftsabläufe an-
passen. Daraus erhoffte der Käufer, Synergie-
effekte zu erzielen und das erworbene Unter-
nehmen schnell zu integrieren. Es war geplant,
neue Produkte einzuführen, rasch neue Kunden
zu gewinnen und die Kundenzufriedenheit
durch die Etablierung eines neuen Kundenser-
vice-Centers zu erhöhen. Die Strom- und Gas-
beschaffung sowie Portfoliooptimierung musste
von London aus zentral gesteuert werden. Die
Support-Funktionen wie Rechnungswesen,
Abb.1: Vergleich des tatsächlichen mit dem prognostizierten Geschäftsverlauf
CM März / April 2018
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