Controller Magazin 6/2018 - page 53

51
IFRS. Nach dem vorherrschenden Konzept der
partiellen Konvergenz werden spezifische in-
terne entscheidungsorientierte Rechnungen
auf der Grundlage von Deckungsbeiträgen für
Produkte und Geschäftsbereiche auch weiter-
hin erstellt. Die Unterschiede hinsichtlich der
Konvergenz des internen und externen Rech-
nungswesens zwischen dem deutschsprachi-
gen und dem angelsächsischen Raum sind da-
her heute eher graduell.
Zu 2.:
Ein wesentlicher Unterschied zwischen
deutschen und angelsächsischen Kostenrech-
nungssystemen beruht auf der in Deutschland
ungleich größeren Bedeutung der Kostenstel-
lenrechnung. So werden in angelsächsischen
Unternehmen erheblich weniger Kostenstellen
genutzt, während im deutschsprachigen Raum
eine tiefe Kostenstellengliederung üblich ist, die
eine möglichst verursachungsgerechte Ver-
rechnung von Gemeinkosten auf der Basis ei-
ner Bezugsgröße gewährleisten soll. Dem ent-
spricht, dass in angelsächsischen Lehrbüchern
der Kostenstellenrechnung im Rahmen der Ge-
meinkostenallokation eine untergeordnete Be-
deutung beigemessen wird.
Zu 3.:
In den USA wurde Ende der 1980er
Jahre Activity Based Costing (ABC) entwi-
ckelt, um die bis dahin im angelsächsischen
Raum unbefriedigende Verteilung von Ge-
meinkosten mit Hilfe der Lohnzuschlagskalku-
lation zu verbessern. Horváth und Mayer ha-
ben nur ein Jahr später unter Bezugnahme auf
das Konzept von Cooper/Kaplan Überlegun-
gen zur Prozesskostenrechnung (PKR) publi-
ziert (vgl. Horváth/Mayer 1989). Während
ABC auf den gesamten Unternehmensprozess
abzielt, setzt die PKR insbesondere bei den in-
direkten Leistungsbereichen an. Die Zwecke
von ABC und PKR sind weitgehend identisch:
Verbesserung der Transparenz der Kostenent-
stehung, verbesserte Kalkulationsgrundlage
bei Preisfindungen und Produktmix-Entschei-
dungen sowie Prozessoptimierung. Der Unter-
schied zwischen PKR und ABC liegt in erster
Linie in der kostenstellenbezogenen Vorge-
hensweise bei der PKR.
Zu 4.:
Die deutsche Grenzplankostenrech-
nung (GPK) und das angelsächsische Direct
Costing (oder Variable Costing) sind Kosten-
rechnungssysteme auf Basis der Trennung
von variablen und fixen Kosten ohne Zurech-
nung fixer Produktionsgemeinkosten auf Pro-
dukte. Auch hier unterscheidet sich die prak-
tische Ausgestaltung der Systeme vor allem
hinsichtlich der Basis in der Kostenstellen-
rechnung. Während bei der GPK die Trennung
von fixen und variablen Kosten auf der Grund-
lage kostenstellenbezogener Bezugsgrößen
vorgenommen wird, erfolgt die Unterschei-
dung zwischen fixen und variablen Kosten
beim Direct Costing zumeist auf der Grundla-
ge unternehmensbezogener Outputgrößen.
Insgesamt sind bei den Kostenrechnungssys-
temen Annäherungen zwischen den deut-
schen und den angelsächsischen Konzepten
festzustellen. Ein wesentlicher verbleibender
Unterschied ist die detaillierte Kostenstellen-
rechnung im deutschsprachigen Raum. Sie
wirkt sich auf die Plankostenrechnung und
die Prozesskostenrechnung aus und bedingt
dadurch die höhere Komplexität, aber auch
die höhere Detailgenauigkeit der deutschen
Kostenrechnung.
Handlungsempfehlung
Soweit es in der Praxis auf die Detailgenauig-
keit der Kostenrechnung ankommt, sollte an
der Kostenstellenrechnung deutscher Prä-
gung festgehalten werden. Vor allem dadurch
wird die diagnostizierte bessere Kostenkont-
rolle und Entscheidungsunterstützung mit der
GPK möglich.
Ausblick
Während sich im externen Rechnungswesen
länderspezifische Unterschiede durch die zu-
nehmende Verbreitung der IFRS reduzieren,
ist aufgrund der zunehmenden internationa-
len Verflechtung von Praxis und Wissenschaft
auch in der Kostenrechnung mit einer weite-
ren Angleichung der eingesetzten Systeme zu
rechnen.
Literatur
Bhimani, A./Horngren, C.T./Datar, S.M./Ra-
jan, M. (2015): Management and Cost Accoun-
ting, 6th ed., Harlow 2015.
Horváth, P./Mayer, R. (1989): Prozesskosten-
rechnung. Der neue Weg zu mehr Kostentrans-
parenz und wirkungsvolleren Unternehmens-
strategien, Controlling 1989, S. 214-219.
Ikäheimo, S./Taipaleenmäki, J. (2010): The
divergence and convergence of financial ac-
counting and management accounting. Institu-
tional analysis of the U.S., Germany and Fin-
land, DBW 2010, S. 349-368.
Kajüter, P./Schröder, M. (2017): Cross-Natio-
nal Differences in Cost Accounting of MNEs:
Empirical Evidence from Anglophone Subsidia-
ries in Germany, Journal of international Ac-
counting Research 2017, S. 71-100.
Krumwiede, K./Suessmair, A. (2007): Com-
paring U.S. and German Cost Accounting Me-
thods, Management Accounting Quarterly
2007, S. 1-9.
Autor
Prof. Dr. Thomas Gruber
ist seit 2007 Professor für Rechnungswesen/Controlling an der
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Er ist Mitglied des
Arbeitskreises der Controlling-Professoren an Hochschulen.
E-Mail:
Sprecher dieser Artikelreihe:
Prof. Dr. Andreas Wiesehahn,
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg,
E-Mail:
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. Hanno Drews (Verhaltensorientiertes Con-
trolling), Prof. Dr. Nicole Jekel (Marketingcontrolling),
Prof. Dr. Britta Rathje (Operatives Controlling, insb.
Kosten- und Erfolgsmanagement), Prof. Dr. Solveig
Reißig-Thust (Controlling und Compliance, Value
Based Management, Unternehmensbewertung,
Controlling in Gründungsunternehmen),
Prof. Dr. Andreas Taschner (Management Reporting,
Investitionscontrolling, Supply Chain Controlling),
Prof. Dr. Andreas Wiesehahn (Einkaufscontrolling,
Nachfolgecontrolling, Nachhaltigkeitscontrolling)
CM November / Dezember 2018
1...,43,44,45,46,47,48,49,50,51,52 54,55,56,57,58,59,60,61,62,63,...116
Powered by FlippingBook