Controller Magazin 6/2018 - page 60

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der Emissionen über sehr gute Ratings verfüg-
ten und einige dieser Bewertungen in den Fol-
gejahren teilweise sehr stark angepasst werden
mussten, zeigt aus heutiger Sicht, dass die
ursprünglichen Ratings in einigen Fällen nicht
risikoadäquat waren.
Eine wesentliche Ursache der teilweise nicht ri-
sikoadäquaten Ratings ist die Tatsache, dass
das Rating von mittelständischen Unternehmen
sehr komplex ist und hohe Anforderungen an
das Know-how und die Erfahrung der Rating-
agentur stellt. Nach unserer Einschätzung ist
das Rating von kleinen und mittelgroßen Unter-
nehmen somit oftmals anspruchsvoller als das
von großen multinationalen Konzernen. Es zeigt
sich somit, dass eine sachgerechte Ratingme-
thodik für kleine und mittelgroße Unternehmen
auch zwingend die spezifischen Merkmale die-
ser Unternehmen einbeziehen und angemessen
berücksichtigen muss.
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Charakteristika von KMU aus
der Rating-Perspektive
Die Bewertung des Kreditrisikos von kleinen
und mittelgroßen Unternehmen setzt das Ver-
ständnis der Charakteristika dieser Unterneh-
men voraus. Eine Verwendung von auf multina-
tionale Konzerne ausgerichteten Methodiken
der Schaffung spezieller Marktsegmente für
Anleihen von KMU wider. Diese Segmente sind
insbesondere durch geringere Emissionsvolu-
mina gekennzeichnet.
Hemmnisse bei Kapitalmarktfinanzierungen
durch KMU sind die teilweise noch begrenzte
Transparenz der Unternehmen, das einge-
schränkt vorhandene (Credit) Research sowie
eingeschränkte Ressourcen institutioneller In-
vestoren für interne Risikobewertungen. Somit
können potenzielle Investoren das Kreditrisiko
der Unternehmen nicht vollumfänglich ein-
schätzen und eine effektive Kapitalallokation ist
nicht möglich. Von großer Bedeutung bei der
Durchführung von Kapitalmarktfinanzierungen
sind Ratingagenturen, die als Informationsinter-
mediäre fungieren. Wesentlich für die Akzep-
tanz der Ratings durch die Investoren sind hier-
bei risikoadäquate und stabile Ratings.
Ratings der Emittenten waren
nicht risikoadäquat
Nachdem in den vergangenen Jahren die Zahl
der Anleiheemissionen stark angestiegen ist,
waren zahlreiche Ausfälle zu beobachten. Die
Ausfallrate beträgt im Mittelstandssegment in-
zwischen über 30%.
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Die Tatsache, dass viele
dieser ausgefallenen Unternehmen im Vorfeld
nehmensfinanzierung von mittelständischen
Unternehmen zwei wesentliche Veränderungs-
tendenzen ab.
Zum einen nimmt der Stellen-
wert der Innenfinanzierung zu.
Diese Ent-
wicklung spiegelt sich in einem sukzessiven
Anstieg der wirtschaftlichen Eigenkapitalquo-
ten der Unternehmen wider. Parallel zur Aus-
weitung der Eigenkapitalbasis entwickeln sich
die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstitu-
ten rückläufig, sodass sich die Kapitalstruktur
in den vergangenen Jahren sukzessive verbes-
sert hat.
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Zum anderen ist ein
zunehmendes
Interesse kleiner und mittelgroßer Unter-
nehmen an Kapitalmarktfinanzierungen
zu
beobachten. Diese Entwicklung führte zu einer
wachsenden Anzahl von Anleihe-Emissionen
und trug auch zu dem in Abbildung 1 darge-
stellten Anstieg der Corporate Schuldschein-
Transaktionen bei.
Gestützt wird diese Entwicklung von dem
wachsenden Interesse institutioneller Investo-
ren an alternativen Investments. Hintergrund ist
die Tatsache, dass diese Investoren vor der
strukturellen Herausforderung stehen, trotz des
niedrigen Zinsumfeldes und der zunehmenden
Regulierung attraktive Anlageformen zu identi-
fizieren. Hierbei soll insbesondere der Anteil
von Unternehmensanleihen am Portfolio weiter
ausgebaut werden. Der zunehmende Trend zur
Kapitalmarktfinanzierung spiegelt sich auch in
Rating mittelständischer Unternehmen
Abb. 1: Corporate Schuldscheinmarkt (Bruttoneuinvestitionsvolumina in Mrd. EUR)
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