Controller Magazin 6/2016 - page 69

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se) und Nachfrage (Geldkurse) regieren und
es nur
auf den Preis ankommt – spielt das
Vertrauen in die Qualität der gehandelten
Wertpapiere die entscheidende Rolle. Doku-
mente z. B. über Weizen oder Gold oder an-
dere Rohstoffe können erst dadurch „frei“ ge-
handelt werden, weil ihre Qualität von unab-
hängigen Institutionen zertifiziert wird
5
. Da-
durch werden sie vergleichbar und der Preis
kann zum wichtigsten Geschäftskriterium
werden. Das gilt ebenso für Aktien oder
Schuldscheine aller Art, die ihr Zertifikat z. B.
von Ratingagenturen erhalten. Verlieren diese
„Gütesiegel“ ihre Glaubwürdigkeit, bricht der
Handel zusammen – wie die Krise 2008 wie-
der einmal eindrucksvoll demonstrierte. Jede
Krise dieser Art zeigt dadurch schlaglichtar-
tig, welch grundlegende Rolle die Qualität
selbst auf scheinbar ausschließlich von Prei-
sen bestimmten Märkten spielt.
d) Wenn ein Kunde die angebotenen Produkte
und Leistungen eines Unternehmens
be-
gehrt, werden sie für ihn ein erstrebens-
wertes Gut
, für das er bereit ist, einen Preis
zu zahlen.
Erst dann erhält die Qualität
des Angebots wirtschaftliche Relevanz.
Allerdings verfügt jeder Geldbesitzer über
„unendlich“ viele Möglichkeiten, sein Geld
einzusetzen. Wofür er es ausgibt, hängt von
seiner Lebenssituation und der Reihenfolge
jener Dinge ab, die
ihm wertvoll
sind. Er-
folgreiche Unternehmen versuchen daher,
auf die Rangfolge der Begehrlichkeiten Ein-
fluss zu nehmen.
Apple z. B. schafft es, dass
tausende Kunden vor den Läden übernach-
ten, um ein neue iPhone-Modell am Ver-
kaufsstart zu ergattern. Die reinen Leistungs-
daten seiner Produkte erklären dieses Phä-
nomen nicht. Vielmehr ist es Apple über Jah-
re hinweg gelungen, einen regelrechten
Markenmythos zu designen und damit diese
Begehrlichkeit hervorzurufen.
Die Abbildungskomponenten a) bis g)
a) Die
Erfüllung der erwarteten bzw. verein-
barten Spezifikation
an Eigenschaften ist
die
elementare Basis
für jedes Geschäft.
Doch dieser „Kern der Qualität“ ist nicht ob-
jektiv gegeben, auch wenn sich die Parame-
ter messen lassen. Der Käufer hat zumeist
die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Al-
ternativen zu vergleichen. Das muss nicht
immer relevant sein – wie das Hüttenbeispiel
zeigt. Es verdeutlicht aber die Relativität von
Parametern.
b) Im Geschäftsleben spielt es eine große Rolle,
wem der Käufer das von ihm begehrte
Gut zuordnet:
dem Verkäufer oder dem
Hersteller oder anderen Akteuren in der Ket-
te dazwischen. Dabei geht es vor allem um
die
Glaubwürdigkeit bezüglich der Er-
wartungen an das Geschäft
. Viele Unter-
nehmen achten darauf, dass ihre Leistung
auch im Endprodukt erkennbar bleibt (
z. B.
„Intel inside“
). Wenn die Sichtbarkeit des
Zulieferers die Verkaufschancen verbessert,
erhöht das die Werthaltigkeit seines Ange-
bots. Umgekehrt führt das Heraustreten aus
der Anonymität zu einem höheren Beobach-
tungsdruck. Beide Aspekte sind gegeneinan-
der abzuwägen.
c) Jeder Verkäufer wird qualitativ daran gemes-
sen,
in welchem Maße er seine Verspre-
chungen gegenüber dem Käufer einhält.
Das bezieht sich neben der Spezifikation
auch auf Termin und Kosten und schließt alle
vor- und nachgelagerten Prozesse ein, die
mit der Nutzung verbunden sind. Verlässlich-
keit führt zu Vertrauen. Aber auch Verläss-
lichkeit ist relativ, sobald mögliche Vergleiche
zu Alternativen zur Verfügung stehen.
Selbst an den Börsen – an denen auf den
ersten Blick ausschließlich Angebot (Briefkur-
einbarung
kommen.
Und die Vereinbarung
umfasst zunächst zweierlei:
1)
Die Relevanz der angebotenen Qualität;
wie das Hüttenbeispiel zeigt, umfasst der
Qualitätsbegriff in diesem Kontext mehr als
die Eigenschaften der Produkte und Leistun-
gen. Das Wasser aus dem Bach und das
Radler auf der Hütte liegen nicht so weit aus-
einander. Und das Radler auf der Hütte mag
sogar identisch sein mit jenem im Tal. Für das
reale Geschäft ist das alles nicht relevant. Es
zählt die konkrete Situation, in der Käufer und
Verkäufer sich einigen. Im ICV-Leitfaden
„Controlling und Qualität
3
“ wurde dafür der
Begriff der „wirtschaftlich relevanten Quali-
tät“ geprägt. Um es noch zu präzisieren: Es
geht um die
wirtschaftlich relevante Qua-
lität der Geschäftsbeziehungen.
2)
Die Angemessenheit des Preises;
auf
analoge Weise zeigt das Treuhand-Beispiel,
dass der wirtschaftlich relevante Preis eben-
so wie die wirtschaftlich relevante Qualität
von der konkreten Situation bestimmt wird,
in der Käufer und Verkäufer sich einigen.
Erst in der Vereinbarung auf
ein Geschäft werden aus Geld
Kaufkraft und aus Preisen Wert
Solange wir das Geld als bloße Recheneinheit
behandeln, blenden wir im Controlling diesen
Transformationsprozess aus. Und die wirt-
schaftlich relevante Qualität der Geschäftsbe-
ziehungen als maßgeblichen Treiber dieser
Transformation erhält unsere Aufmerksamkeit
bestenfalls am Rande.
Stattdessen nutzen wir hochgerechnete Kos-
ten, um die Angemessenheit des Preises zu be-
stimmen. Die Kosten der angebotenen Produk-
te und Leistungen mögen eine wichtige Orien-
tierungsgröße für den Verkäufer sein. Der Käu-
fer interessiert sich für das Gut und dessen
für
ihn wirksame Qualität
. Da spielen die Kosten
des Verkäufers keine Rolle.
Im Controlling müssen wir beide Seiten
zusammenbringen.
Um diese Aufgabe zu
umreißen, habe ich gemeinsam mit verschie-
denen Fachkreisen des ICV dazu eine Über-
sicht erarbeitet
4
(siehe Abbildung 2).
Abb. 2: Wirtschaftlich relevante Qualität von Geschäftsbeziehungen
CM November / Dezember 2016
1...,59,60,61,62,63,64,65,66,67,68 70,71,72,73,74,75,76,77,78,79,...106
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