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Denn jedes zusätzliche Produkt verändert das
Angebotsvolumen und kann wie jener „Flügel-
schlag des Schmetterlings
2
“ wirken, der die bis
dahin scheinbar stabilen Marktkonditionen ins
Wanken bringt.
Was haben Geld- und Wert-Illusion gemein-
sam? Solange das Controlling Geld und Preis
nur als „Recheneinheiten“ betrachtet, wird das
reale Geschäft ausgeblendet. Das scheint in
vielen Unternehmen den Alltag der Controller zu
bestimmen.
Das Geschäft verstehen
Vielleicht hat das auch mit unserer Historie zu
tun. Viele Controller kommen aus der Kosten-
rechnung und Budgetierung. Das bleibt unsere
Basis. Aber die Rolle der Controller verändert
sich. Jahrelang galten wir als die „Erbsenzäh-
ler“ oder „Verwalter der Kennzahlen-Friedhöfe“.
Das wollen wir nicht mehr sein. Es genügt auch
nicht mehr. Am 18. Dezember 2007 titelte das
Handelsblatt: „Die heimlichen Co-Piloten, neue
Anforderungen für Controller“. Wie ein Co-Pilot
steuert der moderne Controller den „operativen
Flug“. Als Partner des Kapitäns – auf Augenhö-
he (siehe Abbildung 1).
Dafür benötigen wir eine veränderte Denk-Kul-
tur. Nicht die Zahlen stehen im Fokus, sondern
das Geschäft.
Controller müssen lernen, das
Geschäft zu verstehen, um es in Teamarbeit
mit den Managern mit messbaren Zielen
steuern zu können.
Steuern gelingt nicht allein durch das Berech-
nen von Zahlen. Geschäfte werden von Men-
schen getragen. Ob in einer traditionellen In-
dustrie oder einem Start Up –
jedes Geschäft
benötigt mindestens einen Käufer und ei-
nen Verkäufer. Beide müssen zu einer Ver-
Prozess konnte ich zum Teil abenteuerliche Vor-
stellungen über den Wert der Unternehmen er-
leben. Dazu gab es durchaus sorgfältige Gut-
achten renommierter Spezialisten. Und dennoch
erwiesen sie sich oft als Wunschträume. Als
begründete und dennoch illusionäre Ansprüche
in
der Form eines nicht gegenüber den Kauf-
interessenten durchsetzbaren Preises.
Dass Preis und Wert zwei verschiedene Dinge
sind, ist wohl ebenso eine Binsenweisheit wie
die Verschiedenheit von Geld und Kaufkraft.
Dennoch verdrängen wir auch diese Erkenntnis
im controllerischen Alltag, indem wir alles
Mögliche „bewerten“.
Aber das bewertende
Rechnen ergibt einen Preis
– keinen Wert.
Denn
mit dem Preis definieren wir zunächst
nur
Ansprüche.
Solange dieser Anspruch
nicht in einem realen Geschäftsvorgang bezahlt
wird, bleibt er ein wertloser Anspruch an einen
imaginären Käufer.
Selbst wenn wir die Preise aus einem Marktver-
gleich ableiten, bedeutet das nicht automa-
tisch, dass wir unsere Produkte und Leistungen
tatsächlich zu diesen Preisen absetzen können.
bereit, dafür einen mehrfach höheren Preis zu
zahlen als beim Discounter im Tal.
Der Unterschied besteht nicht im Produkt.
Wasser stillt unseren Durst ebenso wie ein
Radler. Und ein Radler im Discounter mag so-
gar dasselbe sein wie jenes auf der Berghütte.
Aber in der Berghütte fließt kein Bach, aus dem
wir uns bedienen können. Und das Radler ist
nur für diesen „überhöhten“ Preis zu haben.
Die spezifische Situation auf der Berghütte ver-
ändert offenbar die für uns relevante Qualität
des Radlers und damit unsere Bereitschaft, da-
für so viel zu zahlen.
Meist liegen die Verhältnisse nicht so klar auf
der Hand wie in der Hüttengeschichte. Ob ein
Produkt oder eine Leistung gut ist für unser Ge-
schäft, hängt von der Spezifik unseres Ge-
schäfts ab, von den konkreten Einsatzbedin-
gungen und von der Kombination mit anderen
Produkten und Leistungen.
Erst im Verhältnis
zwischen der Passfähigkeit erworbener
Güter für unsere Geschäftsprozesse und
der dafür bezahlten Summe erweist sich
die tatsächliche Kaufkraft.
Die Wert-Illusion
Analog zur oben beschriebenen „Geld-Illusion“
pflegen wir im Alltag auch eine „Wert-Illusion“.
Beispiel:
Ich habe vor nunmehr 25 Jahren eini-
ge Verkäufe von Unternehmen durch die Berli-
ner Treuhand-Gesellschaft begleitet. In diesem
Autor
Dr. Walter Schmidt
Executive Advisor des Vorstands und Fachdeligierter im Inter-
nationalen Controller Verein (ICV) e. V.
E-Mail:
Abb. 1: Controller als Co-Piloten
PreisGeld – mehr als eine Recheneinheit