Controller Magazin 6/2016 - page 56

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Bewusstseinsänderung als umgekehrt. Die
Rahmenbedingungen sind so zu gestalten,
dass die Mitarbeitenden die richtigen Erfahrun-
gen machen können. Sie sollen Herausforde-
rungen erleben, die sie bewältigen können, und
Anerkennung für die Bereitschaft zu experi-
mentieren erhalten. Veränderungsprozesse lau-
fen zu Unrecht häufig unreflektiert ab. Sie be-
dürfen der ständigen Beobachtung und institu-
tionalisierter Standortbestimmungen, wie z. B.
Erfolgsmessung an jedem Meilenstein. Ent-
scheidend ist, die Muster des Wandels zu er-
kennen und daraus zu lernen. Das Lernen
selbst muss beobachtet werden. Schnelle klei-
ne Erfolge (Quick Wins) und erfolgreiche Bei-
spiele sind die besten Motivatoren. Im Prozess
der Veränderung spielen Erfolgserlebnisse und
das Feiern von Erfolgen eine wichtige Rolle.
Nichts wirkt so stimulierend wie unmittel-
bare Erfolge und Fortschritte.
Gemeinsames
Erleben erfolgreichen Wandels ermutigt, in den
Bemühungen fortzufahren. Erfolg beschleunigt
die Lernspirale, gibt Selbstvertrauen und Kraft.
Experimente und Reflexion in
der Personalentwicklung
Die wirksamsten Personalentwicklungsmaß-
nahmen sind Herausforderungen, die Erfahrun-
gen vermitteln und reflektiert werden. Zielfüh-
render als Seminarbesuche sind im nichtfachli-
chen Bereich neue Erfahrungen durch heraus-
fordernde Aufgaben. Die Frage ist nicht, welche
Trainings ein Mitarbeitender noch besuchen
sollte, sondern welche Erfahrungen er noch
machen muss. Transferprobleme lassen sich
durch die Bearbeitung realer Probleme in Pro-
jekten vermeiden. Projektarbeit verbindet die
konkrete Problemlösung mit Weiterbildung.
Wenn die Projektarbeit reflektiert wird, profitie-
ren sowohl die Mitarbeitenden als auch das Un-
ternehmen. Die Mitarbeit in erfolgreichen Pro-
jektteams führt oft zu intensiven Lernerlebnis-
sen. Controller können in besonderem Maße
zur Reflexion beitragen.
Literatur
Kobi, Jean-Marcel: Neue Prämissen in Füh-
rung und HR-Management, Springer Gabler
2016
·
Wie haben wir das Klima in der Projekt-
gruppe empfunden? Wie haben wir uns
gegenseitig erlebt? Wie sind wir miteinander
umgegangen?
·
Was haben wir gelernt? Was wollen wir das
nächste Mal anders machen?
Unternehmen werden
durch eine Reflex-
ionskultur zu lernenden Unternehmen
. Eine
Reflexionskultur ist weit mächtiger als traditio-
nelles Wissensmanagement, das oft techni-
klastig ist und versandet.
Gelernt wird von den eigenen
Erfolgen und den Fehlern
der anderen
Wir lernen vor allem von den eigenen Erfolgen
und den Fehlern der anderen, weil wir uns an
unsere eigenen Erfolge erinnern, aber unsere
Misserfolge verdrängen. Menschen versuchen,
sich ihre Welt so zurechtzulegen, dass sie ein
möglichst positives Selbstbild von sich auf-
rechterhalten können. Studien zum Operations-
verhalten von Chirurgen zeigen, dass sie mehr
aus ihren Erfolgen als aus den begangenen
Fehlern lernen. Erfolg und Misserfolg werden
dem eigenen Handeln zugeschrieben, Fehler
hingegen nicht bei sich selbst gesucht, sondern
bei externen Einflussfaktoren, ungünstigen
Umständen, oder einfach nur bei einer Pech-
strähne. Gegenüber den eigenen Fehlern ist
man blind oder man will sie nicht so genau ken-
nen. So kann man sich beispielsweise fragen,
was Banker aus der Finanzkrise gelernt haben.
Experimente und Reflexion
im Wandel
In turbulenten Zeiten ist es oft wirksamer, aus
der Box der Gewohnheiten herauszuspringen,
loszufahren, sich Neuem auszusetzen, rasch
aus Fehlern zu lernen und das, was sich be-
währt, zu multiplizieren. Analog zum Radfahren
gilt: Im Stand kann man schlecht lenken. Wenn
man losfährt, wird das Lenken einfacher. Expe-
rimente bringen in Situationen des Wandels
meist mehr als durchgeplante Projekte. Ent-
wicklung geschieht in der direkten Auseinan-
dersetzung mit konkreten Problemen. „Don’t
plan it, do it.“ Handeln führt häufiger zu einer
Durch Reflexion erkennt man verborgene Mus-
ter und wird sich der eigenen Motive und An-
triebe bewusst. Das Wahrnehmen und kritische
Hinterfragen der Denkmodelle und impliziten
Regeln ist eine wesentliche Voraussetzung für
Veränderungen.
Wer die eigenen Handlun-
gen und Projekte auswertet, kommt sich
selbst auf die Schliche.
Wie einzelne Indivi-
duen müssen auch Unternehmen lernen, die ei-
genen Werte und Lernmuster zu hinterfragen,
wie das in bestimmten fehleranfälligen Berei-
chen bereits Routine ist. Keine Flugzeugcrew
verlässt den Flieger ohne Debriefing und in Spi-
tälern sind Fallkonferenzen fest eingeplant.
Die Möglichkeiten zu Feedback und Reflexion
sind vielfältig. Schon Sokrates empfahl das of-
fene Gespräch. Standortbestimmungen nach
jedem Projekt oder jeder Sitzung sind gute Re-
flexionsmöglichkeiten. Reflexion braucht Ehr-
lichkeit gegen sich selbst, Zeit, Vermeiden von
Schuldzuweisungen und eine Gesprächs- und
Feedbackkultur. Es braucht auch das Vorbild im
Sinne eines selbstreflektierenden Manage-
ments. Das heißt, dass Erfolge und Misserfolge
offen ausgetauscht werden und Reflexion insti-
tutionalisiert gelebt wird.
Möglichkeiten zur Reflexion sind:
·
Reviews an strategischen Meilensteinen
·
aus Projekterfahrungen lernen (Debriefing);
„Post mortem“ nach Abschluss von
Projekten, indem im Hinblick auf zukünftige
Vorhaben alle positiven und negativen
Erfahrungen zusammengefasst werden
·
Gefäße für den Austausch von Erfahrungen
·
Reflektionsteams
·
Klausurtagungen, die dem gegenseitigen
Feedback dienen
·
Hofnarr, Advocatus Diaboli mit dem Auftrag,
den Spiegel vorzuhalten
·
internes Benchmarking; Ergebnisse von
Befragungen
·
Modelllernen; gute Beispiele erkennen
und multiplizieren.
Bei einer Reflexion nach Abschluss von Pro-
jekten können z. B. folgende Fragen gestellt
werden:
·
Wie zufrieden sind wir mit dem sachlichen
Ergebnis? Aus welchen Gründen hatten wir
in diesem Projekt Erfolg? Was waren die
fördernden und hemmenden Faktoren?
Personalcontrolling als Reflexion
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