Controller Magazin 6/2016 - page 47

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den Zeitpunkt verpassen, um grundlegend
neue Wege zu gehen, ob ihre Führungsstruktu-
ren radikal neue Ideen überhaupt hinreichend
zulassen.
Ich sehe immer mehr Großunter-
nehmen, die eigene Start-up-Bereiche
schaffen oder vorbereiten, um genügend
innovativ sein zu können
– sonst würden –
so die Befürchtung – „break through“-Innova-
tionen keine Chance haben, sich im traditionel-
len Geschäftsumfeld durchzusetzen.
Dies alles sollte für die Controller schon Grund
genug sein, sich mit dem Thema Digitalisierung
intensiv auseinanderzusetzen. Ein weiterer we-
sentlicher Grund kommt aber hinzu:
Auch für
das Controlling selbst wird die Digitalisie-
rung einschneidende Konsequenzen ha-
ben.
Die Digitalisierung verspricht zwei Ent-
wicklungen, die die Aufgaben und Tätigkeiten
der Controller unmittelbar tangieren. Zum einen
ist dies die
Demokratisierung von Daten
. Die
Digitalisierung bietet die technologische Grund-
lage, um in einem bisher kaum vorstellbaren
Maße Datentransparenz zu schaffen. Zum an-
deren verspricht sie eine fast
unbegrenzte
analytische Lösungskompetenz
. Sie ermög-
licht den Einsatz von höchst leistungsfähigen
Algorithmen und öffnet das Tor zu Künstlicher
Intelligenz, über die schon vor dreißig Jahren
intensiv diskutiert wurde (ich war damals selbst
in ein solches Projekt involviert), die aber erst
heute die Chance hat, technologisch verwirk-
licht zu werden.
Verbesserung von Datentransparenz
und analytischer Kompetenz
Beide Entwicklungen können für die Controller
eine mächtige Unterstützung werden, können
ihnen helfen, zwei Grundanliegen besser (im
Sinne von qualitativ hochwertiger und/oder
schneller und/oder umfangreicher) zu bedie-
nen, die Transparenzverantwortung und die
analytische Unterstützung der Manager –
noch ein Grund mehr, sich unverzüglich und
intensiv mit Digitalisierung zu beschäftigen.
Dies wird Controllern auch die Augen für po-
tenzielle Nachteile der Digitalisierung öffnen.
Warum sollten die Manager Controller für de-
ren Analysebedarf noch brauchen, wenn sie
direkt selbst auf komfortable Systeme zurück-
greifen können? Warum sollten die Controller
bessere Analytiker sein als Data Scientists?
Warum braucht man für das Schaffen von Da-
tentransparenz noch Controller, wenn die Da-
ten doch in den Systemen demokratisiert
sind? Man sagt der Digitalisierung nach, dass
sie mit einer massiven Freisetzung von Ar-
beitskräften einhergehen könnte, nicht nur
„on the shop floor“, sondern insbesondere im
gehobenen, durch Akademiker dominierten
Bereich der „Brain Worker“. Zu diesen zählen
auch die Controller...
Was den Analysebereich betrifft, sehe ich so
schwarz nicht. Korrelationen aus einem Wust
von Daten herauszuarbeiten, ist das eine; zu
entscheiden, ob hinter einer Korrelation eine
für das Unternehmen relevante Kausalität
steckt, das andere. Bei letzterem sollten Men-
schen gegenüber Maschinen (noch) einen
deutlichen Vorteil haben. Dies gilt auch für
Controller, insbesondere dann, wenn sie den
Anforderungen eines Business Partners genü-
gen und insofern sehr viel geschäftsrelevantes
Wissen besitzen.
Für das Thema Transparenz ist zu beachten,
dass es keine allgemeine Transparenz gibt,
sondern nur eine solche für eine relevante Ad-
ressatengruppe. Transparenz ist damit ein rela-
tiver Begriff. Adressaten der von Controllern zu
schaffenden Transparenz sind Manager. Mana-
ger sind – wie alle Menschen – grundsätzlich
kognitiv begrenzt, durch große Informations-
mengen schnell überfordert. Zudem ist die Fä-
higkeit, aus einem bestimmten Datum eine In-
formation zu machen, aus den verschiedensten
Gründen innerhalb der Gruppe der Manager
unterschiedlich ausgeprägt.
Genau hier liegt eine wichtige Aufgabe von
Controllern: Sie sollen ein gemeinsames Ver-
ständnis im Management bezüglich wichtiger
Sachverhalte schaffen. Dieses entsteht nicht
von alleine. Unser WHU Controller Panel liefert
hierfür einen wichtigen empirischen Befund:
Nur die Hälfte der Unternehmen, in denen
heute die Manager auf alle Daten selbst zu-
greifen können, wollen dies auch in Zukunft
beibehalten. Nicht selten haben sie die Erfah-
rung gemacht, dass die unbegrenzte Flexibili-
tät sehr unterschiedliche Informationsstände
der Manager zur Folge hatte und zuweilen mit
einer babylonischen Sprachverwirrung ver-
bunden war.
Was an dieser Stelle bleibt ist die Erkenntnis,
dass auch beim Thema Digitalisierung der übli-
che Handlungsreflex bei neuartigen Themen zu
empfehlen ist:
Die intensive Auseinander-
setzung mit Digitalisierung ist weder für
Unternehmen noch für ihre Controller eine
freiwillige Kür, sondern Pflicht.
Damit wird
für Controller zwar die Latte noch einmal ein
Stückchen höher gelegt, aber das Thema ist
viel zu wichtig, um auch nur einen Tag auf die
lange Bank geschoben zu werden. Sonst könn-
te das berühmte, Gorbatschow zugeschriebene
Zitat bittere Realität werden: Wer zu spät
kommt, den bestraft das Leben!
Autor
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus Val-
nationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
CM November / Dezember 2016
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