CONTROLLER Magazin 2/2015 - page 76

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hohe Kosten für BCM oder zu geringer Vorteil
sowie zu wenig Erfahrung im Umgang mit Stö-
rungen bzw. der Implementierung von BCM
sind wesentliche Verhinderungsgründe.
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Glei-
ches gilt für die Annahme, dass es reiche, sich
Großstörungen erst dann zu widmen, wenn
sie bereits aktiv entstanden sind. Genau das
kann aber fatal sein. Jedenfalls ist wertvolle
Zeit verschenkt. Getreu dem Motto „Zeitab-
lauf vernichtet Handlungsmöglichkeiten“, fehlt
zum einen wertvolle Zeit, die benötigt wird,
um Maßnahmen zu entwickeln; zum anderen
ist die Auswirkung bis dato stärker angewach-
sen.
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(vgl. Abbildung 1)
Hintergrund
Die Idee hinter BCM ist uralt: Je komplexer
und größer die Vorhaben, desto dramatischer
sind die Folgen von Unterbrechungen. Ob
beim Pyramidenbau oder einem Feldzug in
der Antike oder einem global agierenden
Unternehmen heute: Nachschublücken, politi-
sche Aufstände oder Seuchen waren und sind
Störungen, die das ganze Unternehmen schei-
tern lassen können. Nach Ansätzen beim Mili-
tär, bei Großprojekten und im Katastrophen-
schutz war es in jüngerer Zeit zunächst die IT,
die per BCM abgesichert werden sollte. Der
Ansatz wurde auf Unternehmen insgesamt
und all ihre Funktionen ausgeweitet, schließ-
lich auch auf Kommunen und andere Gebiets-
körperschaften. Die BWL steuerte Kontin-
genz- bzw. Alternativplanung,
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zahlreiche
Analyseinstrumente und Erkenntnisse aus
dem Risikomanagement bei.
Wer braucht BCM?
Grundsätzliche jede Institution, die sich Störun-
gen mit gewaltigem Schadenspotenzial ausge-
setzt sieht, also nicht nur große Konzerne, son-
dern gerade auch der Mittelstand. Wenn nach-
folgend auch vor allem Unternehmen fokussiert
werden, so sollten auch Städte (Dresden bei El-
behochwasser; Duisburg bei der Love-Parade),
touristische Destinationen (Galtür beim Lawi-
nenunglück) oder ganze Regionen und Staaten
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(bei Unruhen oder Pandemien) vorausschauend
BCM betreiben und Maßnahmen zur Immuni-
sierung betreiben.
Definition BCM
Die Kernaufgabe von BCM ist, die Fortführung
der Geschäftstätigkeit sicherzustellen und den
wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen auf-
recht zu erhalten trotz angespannter Situation.
Damit soll BCM die Wertschöpfung stabilisieren
und damit die Unternehmensinteressen schüt-
zen, wie z. B. Prozesse, Marke und Reputation.
Zu diesem Zweck identifiziert und analysiert
BCM existenzbedrohende Störungen und ent-
wickelt grundsätzliche Abwehr- und Bewälti-
gungsstrategien sowie konkrete Maßnahmen.
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Ziel von BCM
Gegenstand von BCM sind Störungen (vgl. Ab-
bildung 2), und zwar jene Beeinträchtigungen
oder Unterbrechungen, die nicht mit den gege-
benen Mitteln im Rahmen der operativen Routi-
ne bewältigt werden können. Solche Großstö-
rungen haben dazu eine immense destruktive
Kraft, die sich bis zur Vernichtung einer Unter-
nehmung auswachsen kann. Es ist zu beach-
ten, dass nicht die Störung als solche (oder ihre
Ursache) groß sein muss:
Im Fokus von BCM
sind vielmehr all jene Störungen, deren
Auswirkungen fatal für das Unternehmen
bzw. die betrachtete Organisation sein
können – und zwar unabhängig von Wahr-
scheinlichkeiten!
Auch betrachtet BCM zu-
nächst nicht die Ursachen von Störungen: Es ist
vorerst unerheblich, ob ein Brand, ein Erdbeben
oder ein Streik beim Lieferer einen Ausfall her-
vorruft – Fakt ist, dass das Unternehmen keine
Rohstoffe erhält und damit teilweise oder ganz
seine Funktionsfähigkeit verliert.
Typische Störungen
·
Produkterpressung
·
Lieferantenausfall
·
veraltete Produkte
·
Ausfall von Schlüsselpersonen
·
schwelende interne Konflikte
Abb. 2: Arten von Störungen
Autor
Prof. Dr. Germann Jossé
lehrt Strategisches Controlling am Fachbereich Wirtschafts-
wissenschaften der Hochschule Worms (Studiengänge Han-
delsmanagement und International Management). Seit Jahren
befasst er sich mit Krisenmanagement und mit Business Con-
tinuity Management (Kontinuitätsmanagement).
E-Mail:
Business Continuity Management
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