CONTROLLER Magazin 2/2015 - page 75

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Detail am Rande: Der zweite Kunde von Philips
war ausgerechnet Konkurrent Nokia, der sich
nicht lange vertrösten ließ und gemeinsam
nach Lösungen suchte: Sämtliche verbliebenen
Ressourcen und Ausweichmöglichkeiten wur-
den dank intensiver Zusammenarbeit von Nokia
requiriert.
Angespannte Großwetterlage
Kostenoptimierungsprogramme haben Achilles-
fersen geschaffen: Die Abhängigkeit von einem
einzigen Lieferanten, der teils radikale Abbau
von Kapazitätsspeichern und Lagerreserven,
die Eliminierung von Prozesspuffern (z. B. durch
JIT), die Zentralisierung von Funktionen und die
Schließung alternativer Produktionsstandorte
sowie generell ein globalisiertes Outsourcing
sind alle darauf ausgelegt; sie sparen zumindest
kurzfristig (vordergründig) Kosten, sind aber bei
Störungen sofort die neuralgischen Punkte.
1
Kommen plötzliche Umbrüche, politische Turbu-
lenzen, Naturkatastrophen oder dgl. hinzu, so
zeigt sich sofort die Verletzbarkeit betrieblicher
Prozesse; der Fall Fukushima hat das jüngst
schmerzhaft und deutlich vor Augen geführt.
Argumente für BCM
Die britische Wirtschaft verliert durch Großstö-
rungen aufgrund von nicht vorhandenem BCM
pro Jahr 11,1 Mrd. Pfund. Durch bestehende
Notfallpläne können die Kosten der Wiederbe-
schaffung, der Wiederingangsetzung und des
Ersatzes von Anlagevermögen und Vorräten
teilweise um bis zu 90% gesenkt werden. So-
fern Unternehmen ohne effektive BCM-Pläne
von einer Großstörung betroffen werden, so die
Erfahrung, schaffen es rund 50% nicht, sich
innerhalb der nächsten 12 Monate wieder zu
erholen und verschwinden von der unterneh-
merischen Landkarte.
2
Weitere Befunde:
Nach einem Desaster…
·
eröffnen 25% nie wieder,
·
schließen 80% der Unternehmen, die es
nicht schaffen, binnen eines Monats wieder
zu eröffnen, mit großer Wahrscheinlichkeit
endgültig, und
·
75% der Unternehmen ohne BC-Pläne
scheitern binnen 3 Jahren.
3
Umgekehrt bestätigt eine weltweite Befragung
des Business Continuity Institute (BCI) den Nut-
zen von BCM:
·
Bei 82% der Unternehmen wurden
durch BCM die Auswirkungen einer Störung
gemildert und
·
74% waren in der Lage, ihre Schlüsselpro-
dukte und -dienste weiterhin auszuliefern.
BCM-Lücke in Unternehmen
Tatsächlich gibt es mehrere Gründe, warum
BCM trotz offensichtlichem Nutzen in einer
Mehrzahl der Unternehmen nicht implementiert
und ein entsprechendes Bewusstsein noch
Mangelware ist:
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1. Mangelndes Bewusstsein
für krisenartige
Störungen und deren potenzielle destruktive
Gewalt.
2. Skepsis
, im Sinne von „BCM taugt nichts,
schützt uns nicht“. Ein Förderer dieser Hal-
tung sind frühere falsche Prognosen, z. B.
das aufgebauschte Jahr-2000-Problem.
3. Verharmlosen und sich in Sicherheit wie-
gen:
Die Sicht, „uns wird das Ereignis nicht
treffen“ oder dass sich die Störung nicht
derart drastisch auswirken wird. Grund: Be-
stehende Versicherungen und Statistiken
gaukeln Sicherheit vor bzw. der Störung und
ihren Auslösern wird schlichtweg insgesamt
eine zu niedrige Wahrscheinlichkeit beige-
messen. Mit anderen Worten, das Problem
wird idealisiert und verharmlost – ein klassi-
scher Abwehrmechanismus im Sinne der
kognitiven Dissonanz.
4. Erfahrungspragmatismus
, nach dem Mot-
to „es bringt nichts, es kostet zu viel, wir sind
schon mit ganz anderen Sachen fertig ge-
worden, wir schaffen das“.
Zum letztgenannten Aspekt zählt auch, dass
oft kein direkter Benefit gesehen wird – und in
der Tat sind ersparte Kosten viel weniger gut
zu kommunizieren wie erzielte Erlöse, und sei-
en diese Kosten auch noch so exorbitant.
Desinteresse, Unkenntnis, vermeintlich zu
CM März / April 2015
Abb. 1: Wirkung von BCM
mit
ohne
1...,65,66,67,68,69,70,71,72,73,74 76,77,78,79,80,81,82,83,84,85,...116
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