CONTROLLER Magazin 2/2015 - page 63

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Schlussfolgerung
„Forget the Product Life Cycle Concept.“ Diese
Aussage aus dem Jahre 1976 von Dhalla und
Yuspeh (S. 102 ff.) ist leider nicht umgesetzt
worden. Trotz der offensichtlichen Probleme
und des Scheiterns der Versuche zum empiri-
schen Nachweis des Phasenkonzeptes wird
das Produktlebenszykluskonzept weiter gelehrt
und verbreitet, häufig ohne zu betonen, dass es
jenseits pädagogischer Eignung im seriösen
Management kaum einsetzbar ist. Es enthält
keine/wenige prognostische Relevanz, wenn
man von der Erkenntnis absieht, dass wohl je-
des Produkt irgendwann einmal einen Rück-
gang haben wird.
Zusammenfassend seien die Probleme des
Produktlebenszykluskonzeptes genannt:
a) Definition des Untersuchungsobjektes
(eigenes Produkt vs. Produktkategorie)
b) Vorhersage des Phasenübergangs
c) Vorhersage der Phasenlänge
(so auch Porter, S. 216)
d) Gleiche Phasenlänge: Damit wird die Kalku-
lation schwierig, weil die Phasen praktisch
nie ein Jahr oder ein Quartal dauern und
damit von den Rechnungswesenzyklen
abweichen
e) Prognose, ob überhaupt eine Phase zu
Ende geht (Coca-Cola)
f) Keinerlei Indikation, ob ein Relaunch möglich
ist
g) Definition des Inhalts der Gewinndefinition:
Fixkostenverteilung und die Kapitalkosten
wären z. B. zu definieren, was – wie oben
gezeigt – machbar wäre
h) Aussagen über den Gewinnverlauf: Je nach
Produkt können sie extrem unterschiedlich
sein
i) Erreichen der Break-even-Punkte: Selbst
bei korrigierter Berechnungsweise ist die
Aussagekraft gering
j) Gesamtaussage zur Vorteilhaftigkeit fehlt
k) Einsatz bei bereits gestarteten Produkten
(Sunk Cost Problematik).
Gerade in den letzten Punkten wurden schwere
Fehler in den meisten Darstellungen aufge-
deckt. Somit hat das Konzept eine eher geringe
Bedeutung, auch weil nur wenige Probleme
abgestellt werden können. Im Nachhinein, also
ex post, kann sehr schön eingängig für ein Pro-
Unterschied zwischen Planungs- und Kontroll-
rechnung Wöhe, S. 961). Unterschieden wer-
den kann, ob vor, nach oder während des lau-
fenden Zyklus analysiert wird. Sicher sind die
Aussagen nur nach dem Ende der letzten Pha-
se des Produktlebenszyklus. Dann allerdings
kann sehr schön „aufgemalt“ werden, wie die
Zyklen abgelaufen sind. Für einen Analysezeit-
punkt vor dem Start wurde im vorigen Ab-
schnitt gezeigt, dass das Produktlebenszyklus-
konzept praktisch keine Hilfe geben kann, weil
die tatsächliche Entwicklung von einer Vielzahl
von Faktoren abhängt. Sobald das Projekt da-
gegen gestartet wurde, sind häufig schon die
ersten Entscheidungen gefallen und damit auch
die ersten Festlegungen von Auszahlungen/
Kosten (Sunk Cost).
Die Produktlebenszyklusanalyse kennt diesen
Effekt, indem sie als eine wichtige Erkenntnis
festhält, dass die Kosten späterer Phasen im
hohen Maße von den Entscheidungen der Vor-
perioden abhängen und nur noch wenige Antei-
le beeinflusst werden können. Selbst wenn sich
die Kosten aus den Entscheidungen noch nicht
im Rechnungswesen zeigen, so werden sie
kaum abwendbar kommen. Aber auch Kosten,
die erst in der Zukunft kommen werden, kön-
nen zu den Sunk Cost gehören, wenn sie auf
bereits getroffenen Entscheidungen beruhen
und nicht mehr rückgängig gemacht werden
können (z. B. durch eine Kündigungsklausel).
Wenn ein Vertragsausstieg noch möglich ist, so
sind die dabei zu zahlenden Vertragsstrafen
(Penalties) die nicht mehr vermeidbaren Kos-
ten, also die Sunk Cost.
Die finanziellen Größen in der reportingorien-
tierten Kostenrechnung einerseits bzw. in der
entscheidungsorientierten Kostenrechnung an-
dererseits laufen somit auseinander. Während
für Zwecke der Kostenrechnung (z. B. richtiger
Periodenausweis und Nachkalkulation) die
kompletten dynamischen Stückkosten ausge-
wiesen werden, kommen entscheidungstech-
nisch gesehen meist geringere Werte zur An-
wendung. Die Verringerung erfolgt in dem
Maße, in dem Auszahlungen unumkehrbar
festgelegt worden sind. Insofern kann es sein,
dass es vernünftig ist, in einer bestimmten Pe-
riode weiterzumachen, auch wenn die repor-
tingorientierte Kostenrechnung negative Ge-
winne ausweist.
Es kann somit
kein sicherer zeitlicher Pfad
für die Gewinnentwicklung
angegeben wer-
den. In der Abbildung 5 werden 2 mögliche
Entwicklungen aufgezeigt, ohne dass diese
auch nur annähernd vollständig wären. Auf der
Zeitachse sind für die 5 Phasen jeweils 2 Punkte
eingezeichnet: E1 für Einführungsphase Teil 1,
E2 für Teil 2 usw.:
Die kumulierten Gewinne sollen auch die antei-
ligen Kapitalkosten enthalten. Die obere Linie
(mit blauen Rhomben) der kumulierten Net-
toumsätze der Entwicklung 1 zeigt die Ausnah-
me eines erfolgreichen Produktes. Die kumu-
lierten Nettoumsätze steigen bis zu 100 am
Ende der Degenerationsphase. Die kumulierten
Gewinne der Entwicklung 1 (blaue Quadrate-
Linie) schaffen den Gesamt-Break-even und
bleiben bis zum Ende positiv. Durch die Nach-
laufkosten können die Gewinne am Ende nicht
ganz gehalten werden.
Die kumulierten Nettoumsatzkurven beider Ent-
wicklungen können bis zum Ende nur steigen.
Die mit Dreiecken gekennzeichnete lila Linie der
kumulierten Nettoumsätze bei Entwicklung 2
zeigt einen typischen Verlauf vieler Neueinfüh-
rungen. Bereits in der Wachstumsphase zeigt
sich, dass sich das Produkt nicht durchsetzen
wird. Die Reife- und Sättigungsphasen werden
übersprungen und es kommt gleich zur Dege-
neration – ein Flop. Denn nach hohen Verlusten
(lila Linie mit Kreuzen zeigt die kumulierten
„Gewinne“ der Entwicklungsvariante 2) wird die
Vermarktung eingestellt. Zusätzlich zu diesen
Varianten sind beliebig viele weitere denkbar.
Sie haben alle gemein, dass man sie kaum
voraussehen kann und man insofern bis zur
letzten Phase warten muss, um sie zutreffend
einzeichnen zu können. Es bleibt festzuhalten,
dass schon der Verlauf der Umsatzkurve kaum
aus dem Produktlebenszykluskonzept abgelei-
tet werden kann. Noch weniger ist dies für die
Gewinnverläufe möglich, weil zusätzlich zu
Marktüberraschungen auch noch Überraschun-
gen in der Produktion, der Beschaffung, usw.
auftauchen können.
Relevanz des Analysezeitpunktes
Eine weitere wichtige Frage besteht darin,
wann die Analyse durchgeführt wird (vgl. zum
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