51
Aus heutiger Sicht (Januar 2015) ist sogar ein
Backtesting möglich, und das zeigt: Der äußerst
extreme, seit September 2014 tatsächlich zu
verzeichnende Preissturz bei den Mineralölen
ist in den Szenarien enthalten, und zwar mit ei-
ner angemessenen Wahrscheinlichkeit von 2%.
… und eine Biofuelpreisumwelt
des Unternehmens bereitstellen
Was bedeutet diese unsichere Agrar-und Mine-
ralölumwelt nun für die relevanten Biofuelpreise
des Unternehmens? Die einfache Korrelations-
analyse in Abbildung 1 weist auf einige intuitive
Grundzusammenhänge hin:
1. Die Biodieselpreise sind hoch korreliert mit
den Rapspreisen (>90%), was v.a. die hohe
Relevanz der Rapssaat als bedeutender Bio-
massenlieferant des Biodiesels widerspiegelt;
auch der Zusammenhang zu den Mineralölprei-
sen ist hoch (83-86%), da sich der Biodiesel-
preis auch am Mineralöldieselpreis orientiert.
2. Der Ethanolpreis weist historisch geringere
Korrelationen auf. Selbst der Weizenpreis ist
nicht besonders eng verbunden (rd. 65%),
offenbar spielen hier andere energetischer
Inputs, wie z. B. Zuckerrüben oder ggf. sogar
Zuckerrohr eine Rolle.
Die genaueren langfristigen Zusammenhänge
zwischen den Biofuelpreisen Y
t
= [y
1t
y
2t
]', mit
y
1t
: Biodieselpreis und y
2t
: Ethanolpreis, und
den Agrar- und Mineralölpreisen können über
Kointegrationsbeziehungen (siehe Methoden-
box 2) herausgearbeitet werden.
Eine Schätzung der langfristigen Beziehungen
ergibt:
6
(V)
Biodiesel: y
1t
= 0,784
p1t
+ 0,842
p3t
+ 420,5
Ethanol: y
2t
= 0,515
p2t
+ 0,303
p4t
+ 382,7,
d. h.
·
ein um 10 EUR höherer Raps- bzw. fossiler
Dieselpreis lässt den Biodieselpreis um 7,84
EUR bzw. 8,42 EUR ansteigen
·
ein um 10 EUR gestiegener Weizen- bzw.
Benzinpreis erhöht den Ethanolpreis um
5,15 EUR bzw. 3,03 EUR.
Diese langfristigen Zusammenhänge beschrei-
ben die Biodiesel- bzw. Ethanolpreisschwan-
kungen zu 93% bzw. 62% aus den Agrar- und
Mineralölpreisen. Hiermit lassen sich die Bio-
fuelpreise beschreiben und in die Zukunft simu-
lieren. Das Simulationsergebnis für die Biofuel-
preise ist in Abbildung 6 aufbereitet.
Zusammenfassend sind damit konsistente Er-
wartungen und Szenarien für die Agrar-, Mine-
ralöl- und Biofuelpreise bereitgestellt worden.
Anstatt eine Vielzahl von einzelnen Marktprei-
sen für die Planung zu prognostizieren, werden
hier im Ergebnis nur die beiden Kernrisikotreiber
fortgeschrieben – alle sechs Marktpreise erge-
ben sich dann über die Systematiken der Me-
thodenboxen 1+2. Die resultierenden Preissze-
narien berücksichtigen die Preisbeziehungen
untereinander in angemessener Weise, und las-
sen dabei zu, dass sich einzelne Preise durch
Markt- und Produktschocks zwischenzeitlich
aus ihrem üblichen Verbund lösen können.
Nutzen für die
Unternehmenssteuerung
Die konsistenten Marktpreiserwartungen und
-szenarien sind vielfältig für die Unternehmens-
steuerung nutzbar. Drei überlebenswichtige
Beispielfragen, die sich in der herkömmlichen
„Drei-Welten-Planung“ nicht in dieser Klarheit
beantworten lassen, zeigen dies:
A.
„Wie wahrscheinlich ist es, dass der
Mindestertrag nicht erreicht wird?“
B.
„Reichen die kurzfristigen Kreditlinien für
den laufenden Geschäftsbetrieb bei unsicherer
Preisentwicklung aus?“
C.
„Wie und in welchem Maße kann der Ertrag
stabilisiert werden?“
Zur Beantwortung werden nur wenige Eck-
punkte der Budgetplanung benötigt, wie sie in
Abbildung 3 dargestellt sind. Die Planpreise
entstammen dabei den Erwartungswerten der
eben vorgestellten Preissimulationen. Ersetzt
man die Preiserwartungen durch die Preissze-
narien in dem einfachen GuV-, Cash Flow- und
Liquiditätsschema, offenbaren sich die Preisri-
siken im Geschäftsmodells (siehe Abbildung 7):
Neben den Planerwartungen wird dort als Risi-
ko angegeben, wie hoch die Abweichung von
der Erwartung zur 10% ungünstigsten Kenn-
zahlenausprägung ist (= 10%-Quantil abzüglich
Erwartung). Zudem wird das shortfall risk an-
gegeben: Wieviel % der Kennzahlenszenarien
·
verfehlen einen EBITDA-Mindestziel von
mindestens 500 TEUR?
·
unterschreiten einen Mindest-Cashflow von
0 TEUR?
·
erfordern eine Ausweitung der verfügbaren,
kurzfristigen Kreditlinien (1.800 TEUR)?
A. „Wie hoch ist das shortfall risk der
Mindestertragsziele?“
Demnach beträgt mit 10%-Restwahrschein-
lichkeit die negative Abweichung vom EBIT-
Abb. 5: Preisszenarien für Agrar- und Ölprodukte in Eur/t (10: 2013-12:2015, von o.l. nach u.r.: Weizen,
Rapssaat, Diesel, Benzin)
CM März / April 2015