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Im einführenden Beitrag zu dieser Reihe hatten
wir „Moderne Wertorientierung – vom ‚Wert-
objekt‘ zur ‚Teilhabe an der Wertschöpfung‘“
durch 7 Elemente kurz beschrieben. Wir wollen
uns nun dem fünften Element zuwenden:
Element 5: Management der Risiken
aller Vermögensarten
Kalkuliertes Eingehen von Risiken gehört seit
jeher zum Unternehmertum: ohne Risiko kein
Erfolg. Dabei umfasst der Begriff des Risikos
im weiten Sinne die Schwankungen um einen
Ziel- oder Planwert nach oben oder unten. Er
schließt in diesem Sinne auch die Chancen als
positive Abweichung vom Planwert mit ein. Es
gibt auch das engere Verständnis des Risiko-
Begriffs. Er umfasst ausschließlich die nega-
tiven Auswirkungen, also die Abweichungen
nach unten. Aber auch dann lassen sich
Chancen und Risiken nur als die zwei Seiten
ein und derselben Medaille verstehen. Jede
ausgelassene Chance enthält das Risiko, sei-
ne Wettbewerbs-Position zu verschlechtern.
Umgekehrt gewinnt jener an Chancen, der mit
den Marktrisiken besser umzugehen versteht
als die anderen.
Obwohl der Unternehmens-Alltag mit vielfäl-
tigen Risiken für alle beteiligten und betroffe-
nen Stakeholder verbunden ist, war es über
Jahrzehnte nicht üblich, damit systematisch
umzugehen. Hier hat – mit ausgelöst durch
einige große Skandale und entsprechende
Reaktionen der Gesetzgeber – ein Umdenken
eingesetzt. Bei allen Wirtschaftspartnern
stieg das Bewusstsein für die zunehmenden
Gefährdungen, die durch einseitige wirt-
schaftliche Zielrichtungen und unachtsame
Führung entstehen.
Risiken treten heute
zunehmend vernetzt auf
Gleichzeitig hat sich die Qualität der Risiken
gewandelt: Sie treten in immer stärkerem
Maße nicht vereinzelt, sondern vernetzt auf.
Dies ist z. B. bei Währungsrisiken unmittelbar
einleuchtend: Rohstoffpreise verändern sich
aufgrund von Währungsschwankungen. Aber
auch Risiken zu Kunden und Lieferanten wer-
den von Währungsschwankungen im Hinblick
auf mögliche Insolvenzen beeinflusst. Diese
vernetzten Wechselwirkungen erzeugen Kom-
plexität und Komplexität erzeugt Ungewissheit
und Volatilität – sie werden zur Normalität, der
sich auch das Controlling und eine auf Wertori-
entierung ausgerichtete Unternehmensführung
zu stellen hat.
Der Einbezug der Risiken ist zwar bereits das
grundlegende Fundament der klassischen
Wertorientierung. Nur fließen dort die Risiken
viel zu pauschal und aus der einseitigen Sicht
des Kapitalmarktes in ein Bewertungsmodell
ein. Basierend auf den Überlegungen zum
Ca-
pital Asset Pricing Model
wird in der Regel
das Risiko, welches die Volatilität des gesam-
ten Unternehmens repräsentiert, über den
Zinssatz im Modell berücksichtigt. Mit dem
auf Vergangenheitsdaten basierenden
systematischen Risiko
wird das abweichen-
de Verhalten zum Marktportfolio (in der Regel
über einen Index) einbezogen. „Die relativ (zu)
geringe Bedeutung interner Risikoanalysen
z. B. bei der Bewertung von Strategien oder
Investitionen resultiert daher, dass entgegen
dem empirischen Forschungsstand bei einer
‚wertorientierten‘ Unternehmenssteuerung
noch immer historische Aktienrenditeschwan-
kungen (Beta Faktor) – und nicht aggregierte
Ertragsrisiken – Grundlage für die Berechnung
von Renditeanforderungen (Kapitalkosten)
sind (Verwechslung von kapitalmarkt- und
wertorientierter Unternehmensführung)“
2
.
Eine solche Pauschalisierung ist nicht
tragbar, schließlich liefert ein modernes
Risiko-Management deutlich bessere Ein-
blicke in die Risiko-Situation
von Unterneh-
mensbereichen bis hin zu einzelnen Investitio-
nen oder Maßnahmen.
Eine weitere Problematik bei der üblichen Wert-
ermittlung betrifft die
fehlende Berücksichti-
gung der Insolvenzwahrscheinlichkeit
.
3
Bei
der Berechnung des Geschäftswertes wird die-
se in der Regel nicht einbezogen, da von der
Fortführung des Geschäfts ausgegangen wird.
Dies führt regelmäßig zu einem zu hohen
Kapitalwert
, denn selbst bei einer geringen
jährlichen Insolvenzwahrscheinlichkeit ergibt
sich bei der Bestimmung des Fortführungswer-
tes (Terminal Value) eine erhebliche (positive)
Verzerrung. Auch hier eröffnet ein Planungs-
und Risikomodell auf Bandbreiten Chancen,
aus der Verteilung der zukünftigen Cash Flows
ein mögliches Insolvenzrisiko abzuleiten und
dieses in die Geschäftswertermittlung einflie-
ßen zu lassen.
Aufgrund von unterschiedlichen Anforderun-
gen – Erfassung von bestandsgefährdenden
Risiken einerseits und unternehmerisches
Ausbalancieren von Risiko und Ertrag anderer-
seits – hat sich das gesetzlich geforderte Risi-
komanagement in der Regel getrennt vom
Controlling entwickelt. Diese Trennung gilt es
zu überwinden.
Moderne Wertorientierung – vom „Wertobjekt“
zur „Teilhabe an der Wertschöpfung“
1
von Walter Schmidt, Rainer Kalwait und Karsten Oehler
Teil – 5 –
Moderne Wertorientierung