 
          
            70
          
        
        
          stellt dann
        
        
          keinen sinnvollen Zusammen-
        
        
          hang
        
        
          mehr dar. Stattdessen muss nunmehr in
        
        
          der Analyse festgestellt werden,
        
        
          ob die Abwei-
        
        
          chung auf bekannte Risiken zurückzufüh-
        
        
          ren ist.
        
        
          Falls dies nicht der Fall ist, wurde ein
        
        
          neues Risiko erkannt und ist in der zukünftigen
        
        
          Planung zu berücksichtigen. Falls die Abwei-
        
        
          chung auf ein bekanntes Risiko zurückzuführen
        
        
          ist, ist die Planung adäquat. Es sind jedoch
        
        
          die
        
        
          zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeiten
        
        
          zu hinterfragen
        
        
          .
        
        
          Dieser Prozess wird durch die beobachtbaren
        
        
          Trends in Richtung „Industrie 4.0“ noch ver-
        
        
          stärkt. Selbst wenn in den meisten Unterneh-
        
        
          men der Einsatz mit sich selbst kommunizieren-
        
        
          der „cyber-physischer Systeme“ (Internet der
        
        
          Dinge) noch in weiter Ferne scheint, werden die
        
        
          Prozesse im sogenannten Shopfloor (Ferti-
        
        
          gungsbereich; engl. Bezeichnung für „Werk-
        
        
          statt“) bereits heute zunehmend dezentral und
        
        
          eigenständig organisiert. Die gegenseitigen
        
        
          Verflechtungen im Unternehmen erfolgen auf
        
        
          dieser Basis situationsgerecht und folgen kei-
        
        
          nen „linearen Planberechnungen“. Die realen
        
        
          Prozesse verlaufen stochastisch.
        
        
          Wenn Ziel-
        
        
          setzung, Planung und Steuerung dem nicht
        
        
          ausreichend Rechnung tragen, laufen sie
        
        
          zunehmend Gefahr, sich vom Leben in den
        
        
          Unternehmen abzukoppeln.
        
        
          Es ist also an der Zeit, dass Controller sich
        
        
          die modernen Methoden des Risiko-Mana-
        
        
          gements zu Eigen machen.
        
        
          
            Risiko-Management
          
        
        
          
            und Geschäftsmodell
          
        
        
          Um es nochmal deutlich zu machen: beim mo-
        
        
          dernen Risiko-Management geht es weniger
        
        
          um die bisher beschriebenen Erfassungen,
        
        
          Analysen und Berichte. Diese bilden lediglich
        
        
          das notwendige Fundament für die moderne
        
        
          Wertorientierung. Die entscheidende Aufgabe
        
        
          besteht darin zu lernen,
        
        
          die spezifischen Wir-
        
        
          kungen der Risiken und Volatilitäten auf
        
        
          das Geschäftsmodell des Unternehmens zu
        
        
          verstehen und besser damit umzugehen
        
        
          als der Wettbewerb:
        
        
          ·
        
        
          Trainieren der
        
        
          Widerstandfähigkeit
        
        
          des Geschäfts gegen unerwartete Schwan-
        
        
          kungen und Ereignisse (
        
        
          Resilienz
        
        
          ),
        
        
          ·
        
        
          Entwickeln von Fähigkeiten, auf kurzfristige
        
        
          Marktschwankungen in den eigenen Ge-
        
        
          schäftsfeldern rasch zu reagieren (
        
        
          Agility
        
        
          ),
        
        
          ·
        
        
          Ausbau der strategischen Bereitschaft, sich
        
        
          rechtzeitig an strukturelle Marktveränderun-
        
        
          gen anzupassen (
        
        
          Adaptability
        
        
          ),
        
        
          ·
        
        
          Stärkung von Kraft und Mut, dezentrale glo-
        
        
          bale Unternehmensstrukturen – das Geschäft
        
        
          „vor Ort“ – zielgerichtet zu koordinieren und
        
        
          deren Kräfte zu bündeln (
        
        
          Alignment
        
        
          ).
        
        
          Die Lufthansa hat nicht nur eine aussagefähige
        
        
          Breitbandplanung implementiert, sondern in
        
        
          den letzten 10 Jahren systematisch von allen
        
        
          Führungskräften flexible Planvarianten erarbei-
        
        
          ten lassen. Dadurch waren sie vorbereitet,
        
        
          wenn unerwartete Veränderungen im prakti-
        
        
          schen Alltag ihres Geschäftes eingetreten sind.
        
        
          Die Breitbandplanung hat „nur“ das Instrumen-
        
        
          tarium für die Einschätzung der Schwankungs-
        
        
          breite und das systematische Beobachten der
        
        
          wesentlichen Einflussfaktoren verbessert. Ein
        
        
          anderes Beispiel: Ein Unternehmen aus dem
        
        
          Automotive-Sektor hat in Auswertung der Tur-
        
        
          bulenzen 2008/2009 sein Schichtsystem flexi-
        
        
          bilisiert und mit dem Betriebsrat gemeinsam 12
        
        
          verschiedene Varianten erarbeitet, die inner-
        
        
          halb weniger Stunden in Kraft gesetzt werden
        
        
          können, um schnell auf Schwankungen reagie-
        
        
          ren zu können. Auch in diesem Fall wurden die
        
        
          wesentlichen Risiko-Faktoren definiert, deren
        
        
          Entwicklung durch geeignete Instrumente sys-
        
        
          tematisch beobachtet wird.
        
        
          „Volatilität, beschleunigter Wandel und Kom-
        
        
          plexität sind zum ‚New-Normal‘ geworden
        
        
          und werden sich aller Voraussicht weiter ver-
        
        
          stärken. Ein derartiges Umfeld wird von allen
        
        
          Beteiligten höhere Flexibilität und Reaktions-
        
        
          fähigkeit, sowie ein ganzheitlicheres Füh-
        
        
          rungsverständnis verlangen. Die Triple A –
        
        
          Agility, Adaptability und Alignment werden
        
        
          dabei drei entscheidende Fähigkeiten sein.
        
        
          Gleichzeitig wird mit der steigenden Dynamik
        
        
          und Unsicherheit (richtiges) Controlling nicht
        
        
          obsolet oder unmöglich, sondern wichtiger
        
        
          denn je. Erfolgreiche Unternehmen überlas-
        
        
          sen die Zukunft auch in einem zunehmend
        
        
          komplexeren Umfeld nicht dem Zufall und
        
        
          schon gar nicht dem Mitbewerb. Dazu ist
        
        
          jedoch ein neues, realistisches Planungs-
        
        
          und Führungsverständnis aller Beteiligten
        
        
          erforderlich. Es gilt, durch eine ganzheitliche
        
        
          Betrachtungsweise und das Gegenüberstel-
        
        
          len möglicher Entwicklungen, Gesamtzu-
        
        
          sammenhänge und Trends zu erkennen und
        
        
          die durch den beschleunigten strukturellen
        
        
          Wandel entstehenden Chancen zu nutzen.
        
        
          5
        
        
          “
        
        
          
            Fazit
          
        
        
          Risiken gehören zu unternehmerischem Wirt-
        
        
          schaften seit es Unternehmen gibt. Ein syste-
        
        
          matisches Risiko-Management hat sich jedoch
        
        
          erst in den letzten 20 Jahren herausgebildet.
        
        
          Das liegt nicht zuletzt daran, dass Komplexität
        
        
          und Volatilität der wirtschaftlichen Prozesse zur
        
        
          Normalität geworden sind. Darauf muss sich
        
        
          das Controlling einstellen. Moderne Wertorien-
        
        
          tierung blickt dabei auf jene „Handvoll“ Risiken,
        
        
          die für das Geschäftsmodell des Unternehmens
        
        
          maßgeblich sind. Diese sind in eine systemati-
        
        
          sche Beobachtung und statistische Auswertung
        
        
          unter Nutzung aller relevanten Daten einzubin-
        
        
          den. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen
        
        
          und eingeleiteten Maßnahmen und die Verände-
        
        
          rungen in der Zielsetzung, Planung und Steue-
        
        
          rung werden das Risiko-Management enger mit
        
        
          dem Controlling verzahnen und die Unterneh-
        
        
          men widerstandfähiger gegen unerwartete Ver-
        
        
          änderungen aufstellen. Risiken und Chancen
        
        
          liegen dabei wie für das Unternehmen auch für
        
        
          den Controller-Service dicht beieinander. Cont-
        
        
          roller sollten sich der engeren Verzahnung mit
        
        
          dem Risiko-Management und seinen stochasti-
        
        
          schen Methoden stellen und sich das nötige
        
        
          Rüstzeug aneignen. Sonst laufen sie Gefahr,
        
        
          ihre Kompetenz abgeben zu müssen. Metho-
        
        
          disch gut ausgebildete Data Scientists stehen in
        
        
          den Startlöchern, die Aufgaben zu übernehmen.
        
        
          
            Fußnoten
          
        
        
          1
        
        
          Der Beitrag ist teilweise dem im Rahmen der
        
        
          ICV-Publikationsreihe erschienenen Leitfaden
        
        
          „Moderne Wertorientierung“ entnommen.
        
        
          2
        
        
          Gleißner, W. (2015), S. 100.
        
        
          3
        
        
          Vgl. im Detail Gleißner, W. (2010): Der Einfluss
        
        
          der Insolvenzwahrscheinlichkeit (Rating) auf den
        
        
          Unternehmenswert und die Eigenkapitalkosten.
        
        
          In: Corporate Finance 3 / 2010, S. 243-251.
        
        
        
        
        
          5
        
        
          Losbichler, H. (2012): Triple A Controlling –
        
        
          Die Unternehmenssteuerung; in: Controller Ma-
        
        
          gazin, 05/2012, VCW, S. 9.
        
        
          
            Moderne Wertorientierung