CONTROLLER Magazin 5/2015 - page 73

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Kann strategisches Controlling kreativ sein und
zu einem ganzheitlichen Erlebnis für alle Betei-
ligten werden? Gamification eröffnet der Sozi-
al- und Kulturtechnologie des Spiels (Huizinga,
1956; Caillois, 1967) neue Aufmerksamkeit
und erweitert interdisziplinäre Perspektiven.
Die Integration von Spielen und Spielelementen
in die Welt der Arbeit wurde schon von Clark
Abt 1970 unter dem Label „Serious Games“
geprägt (Abt, 1970).
Gamification
als jüngerer
Begriff setzt auf den Erfolgen der Computer-
spiele auf und
wird hier als die zielorientier-
te Anwendung von Spielen und Spielele-
menten auf unternehmerische Wirklichkei-
ten
verstanden. Aus betriebswirtschaftlicher
Sicht geht es bei der Gamification im Unter-
nehmenskontext um das Erschließen von
Leis-
tungssteigerungspotentialen in Bezug auf
Motivation und Innovationskraft
durch ein
spielerisches Re-Design von Arbeitsabläufen
und Prozessen. Eine Vielzahl von Rezeptbü-
chern ist in den letzten Jahren erschienen,
um durch Gamification Mitarbeitermotivation,
Kundenloyalität oder Innovationsfähigkeit zu
steigern (Zichermann/Lindner, 2013; Burke,
2014). Ebenso sind erste Unternehmensbe-
ratungen wie „Badgeville“, „Bunchball“ oder
„Enterprise Gamification“ entstanden. Agile
Controllingmethoden wie Scrum oder Kanban,
die bewusst spielerische Elemente in Planung
und Leistungsmessung integrieren, gehören
bereits zum Methodenbaukasten vieler erfolg-
reicher Unternehmen.
Auch wenn Controlling als der „inkorporierte
Ernst“, die „Rationalitätssicherung“ im Unter-
nehmen, als Kontroll- und Evaluierungsinstanz,
als Garant für Unternehmenserfolg gilt (Schön-
bohm, 2005), können Controller vom Gamifica-
tion-Trend lernen, um die Rolle des Controllings
und damit die Unternehmenskultur spielerisch
zu revitalisieren und so Mehrwerte für das Un-
ternehmen generieren. Der Mehrwert von Ga-
mification im strategischen Controlling, insbe-
sondere in der strategischen Planung, der Ge-
schäftsentwicklung, Investitionsplanung und
Risikomanagement ist mindestens dreifaltig.
Erstens schafft die
Teilhabe am Prozess
nicht
nur Motivation, sondern auch
Legitimation für
langfristige Entscheidungen.
Zweitens kann
das
implizite Wissen
und die Kreativität der
Mitarbeiter
explizit und anwendbar gemacht
werden. Drittens können
systematische kog-
nitive und gruppendynamische Entschei-
dungsfilter
korrigiert werden.
Das Ziel dieses Artikels ist es, Unternehmens-
praktikern im Controlling und der Geschäfts-
führung das Potential der Gamification anhand
des bereits erprobten gamifizierten Interak-
tionskonzeptes zur Geschäftsentwicklung auf-
zuzeigen und auch die Grenzen zu diskutieren.
Der Gamification-Diamant
Die Lehre vom Design von positiven („Flow“-)
Erlebnissen (Csikszentmihalyi, 1990) und
Spielen ist jeweils eine Wissenschaft oder
besser Kunst für sich (Schell, 2008), die im
Gamification-Diamanten verkürzt und ver-
dichtet auf
vier abstrakte
Spielelemente
(Schell, 2008: 38 ff.) bzw.
Erlebnisperspek-
tiven
visualisiert wird: Sinnerlebnis, Gemein-
schaftserlebnis, Wirkungserlebnis und Ästhe-
tikerlebnis.
Sinn
Menschen suchen einen Sinn in der Arbeit
(Sinek, 2009). Computerspieldesigner ver-
suchen dieses wahrgenommene Sinnvakuum
durch „epische Bedeutung“ auszufüllen. Die
Frage des „Warums“ fordert einen bewussten
Gestaltungsakt in Form von „Sinn-Narrati-
ven“. Unternehmen entwickeln Aussagen zu
ihrer
Vision und Mission
1
und nutzen Nach-
haltigkeitsberichte, um ihr Geschäftsmodell
in größeren gesellschaftlichen Zusammen-
hängen darzustellen. Die Erschaffung von
Sinn oder Sinnsurrogaten erfolgt durch narra-
tive Sinnelemente mit Ideologiecharakter: Die
Ideologieforschung (Jost et al., 2008) sieht
dabei insbesondere zwei Wesensmerkmale:
Abb. 1: Ziel der Gamification im strategischen Controlling
Gamification im strategischen
Controlling
von Avo Schönbohm
CM September / Oktober 2015
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