CONTROLLER Magazin 5/2015 - page 70

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stimmtes Risiko (z. B. das Gewährleistungsrisi-
ko) erfasst werden soll. Daraus ergeben sich
schwierige Zuordnungsprobleme. Da die Risi-
koarten grundsätzlich anders gegliedert sein
müssen als Planungspositionen in Form von
Kosten-, Erlös- oder finanzbuchhalterischen
Kontenarten, und bestimmte Risikoarten einem
oder auch mehreren Planungspositionen zuge-
ordnet werden können, ergibt sich bereits hier-
aus ein wesentlicher Grund dafür, dass Risiken
nicht schlechthin in den gewohnten Planungs-
strukturen vernünftig erfasst werden können.
Außerdem ist die Identifikation und davon aus-
gehend das Erfassen der Risiken kein buchhal-
terischer Prozess, sondern eine zeit- und kos-
tenaufwendige Analyse des Unternehmens in
seiner vollständigen Breite und Tiefe. Ausge-
hend von einem Basisrahmen kann der Risiko-
katalog an das jeweilige Geschäftsmodell und
die Unternehmensziele angepasst und erwei-
tert werden. So können für eine Hafengesell-
schaft andere Risiken relevant sein als z. B. für
ein Bergbau-Unternehmen, eine Supermarkt-
kette oder eine Bank.
Jeder unternehmens-
eigene Risiko-Katalog
wird daher die spezifi-
sche Situationen des betreffenden Unterneh-
mens widerspiegeln und mit den Prozessen der
Zielsetzung, Zielplanung und Zielsteuerung eng
verzahnt sein. Daher haben Risiko-Kataloge
für jedes Unternehmen i. d. R. andere Schwer-
punkte und andere Inhalte und sind damit
regelmäßig – wie unternehmensspezifische
Kontenrahmen – Unikate (s. Abbildung 1).
2. Bewertung des Gesamt-Risikos
Mit einer
Addition von Einzelrisiken kann man
leider nicht das „Gesamtrisiko“
eines Unter-
nehmens
ermitteln
. Das hat vor allem
zwei
Gründe
. Zum einen treten die im Risikokatalog
ermittelten Risiken unternehmensweit
nicht
gleichzeitig
ein. Daher wird bei einem reinen
„Zusammenzählen“ der Risiken eines Unterneh-
mens das Gesamtrisiko maßlos überschätzt. In
Klein- und mittelständischen Unternehmen wer-
den zwar sehr häufig aus Vereinfachungsgrün-
den Einzelrisiken zu einer Gesamtrisikoposition
addiert. Aus o. g. Gründen führt dieses Verfahren
leider zu unbrauchbaren Ergebnissen. Trotzdem
wird es häufig angewendet und dient oft genug
als Beweis für die Daseinsberechtigung der –
damit eigentlich bereits im Voraus sich selbst
disqualifizierenden – Risikomanager oder als –
offensichtlich falsches – Argument zur Anschaf-
fung von Risiko-Management-Software.
Zum anderen treten die meisten Risiken
nicht
unabhängig voneinander
auf. Sie beeinflus-
sen sich gegenseitig, d. h. sie können sich bei
Gleichläufigkeit verstärken und bei Gegenläu-
figkeit vermindern. Das ist sowohl Technikern
als auch Betriebswirten aus ihrer Ausbildung in
induktiver Statistik durchaus bekannt. Leider
werden diese Kenntnisse in der Praxis zu oft
ignoriert. Das mag bei kleinen Unternehmen
mit überschaubaren Risiken noch angehen. Ab
einer bestimmten Größenordnung und Komple-
xität der Geschäftsprozesse ist ein solches
Verhalten gefährlich.
Unternehmen mit
zeitgemäßem Risikoma-
nagement
nutzen bewährte
Simulationsme-
thoden
, um mögliche Verteilungen von Ziel-
größen zu erzeugen. Solche Modelle werden
durch Angabe von Schwankungsbereichen für
relevante Einflussfaktoren sowie die Nutzung
spezifischer Wahrscheinlichkeitsverteilungen
für jeden Unbestimmtheitsfaktor errechnet. Die
Berechnungen werden so viele Male wieder-
holt – und zwar jedes Mal unter Verwendung
eines anderen Satzes von Zufallswerten aus
den Wahrscheinlichkeitsfunktionen – bis sich
aufgrund des Gesetzes der Großen Zahl ein
entsprechendes Verteilungsbild „stabilisiert“.
Je nach Anzahl der Einzelrisiken und der dafür
angegebenen Bereiche können auf diese
Weise u. U. Tausende oder Zehntausende von
Neuberechnungen während einer solchen Si-
mulation vorgenommen werden. Diese als
„Monte Carlo-Simulation“
bekannte Metho-
de generiert realistische Verteilungen von
Abb. 2: Management der vernetzten Risiken eines Unternehmens
Moderne Wertorientierung
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