Personalmagazin 7/2017 - page 58

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personalmagazin 07/17
SPEZIAL
_ENTGELT
schicht auftaucht, um der Beschwerde
eines Kollegen nachzugehen? Auch hier
führt das Grundprinzip der Ehrenamt-
lichkeit zunächst dazu, dass für diese
Zeiten kein Lohnanspruch besteht. Eine
Entgeltfortzahlung über die Grundlage
der bezahlten Freistellung ist mangels
Arbeitspflicht ebenfalls nicht gegeben.
Möglich wird ein Ausgleich hier nur
durch die Spezialvorschrift des § 37 Abs.
3 BetrVG. Die Norm begründet aber vor-
rangig keinen Geldanspruch, sondern
nur einen Ausgleich in Freizeit. Dies
aber auch nur dann, wenn die Durchfüh-
rung aus betriebsbedingten Gründen
außerhalb der Arbeitszeit notwendig
war. Überstunden für Betriebsratstätig-
keit sind daher schon begrifflich auszu-
schließen, sodass auch Gutschriften von
Betriebsratstätigkeiten auf Arbeitszeit-
konten nicht gefordert werden können.
Auch die Teilnahme an notwendigen
Schulungen ist zunächst vom Grundsatz
in die Kategorie der unbezahlten eh-
renamtlichen Tätigkeiten einzustufen.
Das dies im Ergebnis dennoch zu einer
„Entgeltfortzahlung“ führt, ist wiederum
einer speziellen Regelung (§ 37 Abs. 2
BetrVG) zu entnehmen. Die Vorschrift ist
nicht ganz unkompliziert, da sie den Fall
der Schulungszeiten, die außerhalb der
persönlichen Arbeitszeit liegen, geson-
dert regelt.
Benachteiligungsverbot:
Auch der Normalfall hat Tücken
Aber auch in den scheinbar klaren Fäl-
len, in denen Betriebsratsmitglieder
ausschließlich innerhalb ihrer verein-
barten Arbeitszeit tätig werden, ist die
Bemerkung des Praktikers, man müsse
ja jetzt „nur den Lohn durchbezahlen“
mit Vorsicht zu genießen. Der Grund
liegt im strikt zu beachtenden Benach-
teiligungsverbot des § 78 BetrVG, der
zu einer konsequenten Anwendung des
Lohnausfallprinzips zwingt. Es ist also
der Lohn zu ermitteln, der gezahlt wor-
den wäre, wenn keine Unterbrechung
wegen der Tätigkeit als Betriebsrat an-
gefallen wäre. An dieser Stelle kann es
insbesondere zu Streitigkeiten über die
Höhe der Lohnzahlung kommen, wenn
es um Mitarbeiter mit schwankenden
Einkünften geht.
Auch bei Überstunden, die an einem
konkreten Freistellungstag ohne die
Freistellung angefallen wären oder bei
„entgangenen“ Zulagen ist stets der
Grundsatz zu beachten: Im Freistel-
lungslohn ist exakt das zu gewähren,
was entstanden wäre, wenn die Tätig-
keit nicht betriebsratsbedingt unterbro-
chen worden wäre. Bildlich gesprochen
muss der Arbeitgeber beim Lohn eines
Betriebsrats stets als fiktive Berech-
nungsgrundlage den Mitarbeiter als
„Schattenabrechnung“ führen.
Der Schatten des Betriebsrats als
Maßstab für die Karriere
So richtig kompliziert kann die rechts-
sichere Berechnung des Freistellungs-
lohns nun dadurch werden, dass sich
das Entgelt an einer weiteren Fiktion
ausrichten muss. Es ist nämlich zu über-
legen, ob der zu Beginn bestehende Ver-
dienst im Verlauf der der Betriebsrats­
tätigkeit zu erhöhen ist.
Dieser Gedanke ist wiederum auf das
Benachteiligungsverbot zurückzufüh-
ren. Nach diesem Prinzip ist die oben
erwähnte „Schattenabrechnung“ immer
dann mit einer Entgelterhöhung zu ver-
sehen, wenn die (fiktive) Beobachtung
des „Schattens“ zu einem Aufstieg füh-
ren würde. Diese Aufgabe ist für den
Entgeltabrechner dann noch einiger-
maßen problemlos zu bewältigen, wenn
es lediglich um die Veränderungen der
Beschäftigungsgruppe geht, der das
Betriebsratsmitglied angehört. Finden
hier Anpassungen in der tariflichen
Entlohnung oder sonstige kollektive
Umgestaltungen statt, so können diese
routinemäßig an die Entgeltentwicklung
des Betriebsratsmitglieds angepasst
werden.
Ein Ausflug in die Welt der
Hypothesen und Behauptungen
Allerdings geht das Prinzip des Benach-
teiligungsverbots noch ein ordentliches
Stück weiter. Es sieht nämlich vor: Auch
„Beförderungen“ im Sinne von Karrie-
ren, die weit über die Zugehörigkeit der
Vergleichsgruppe hinausgehen können,
sind einzubeziehen – wenn sie als be-
triebsüblich bezeichnet werden kön-
nen. Betriebsüblich ist die Entwicklung,
die Arbeitnehmer mit vergleichbarer
fachlicher und persönlicher Qualifika-
tion bei einer objektiv vergleichbaren
Tätigkeit und unter Berücksichtigung
der normalen betrieblichen und perso-
nellen Entwicklung in beruflicher Hin-
sicht genommen haben. Das entschied
das Bundesarbeitsgericht (BAG-Urteil
vom 17.8.2005, Az. 7 AZR 528/04). Spä-
testens an dieser Stelle wird der Ent-
geltabrechner also endgültig aus den
noch einigermaßen greifbaren Vorga-
ben eines Freistellungsentgelts in die
Welt der Behauptungen und Hypothe-
sen entlassen.
Liste
Die vom Arbeitgeber zu tragenden
Kosten der Betriebsratstätigkeit (HI569557)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE
Bildlich gesprochen
muss der Arbeitgeber
beim Lohn eines Be-
triebsrats stets als fiktive
Berechnungsgrund­
lage den Mitarbeiter als
„Schattenabrechnung“
führen.
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