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RECHT
_MITARBEITERBINDUNG
personalmagazin 07/17
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
dort in der Startphase oft nur geringe
Gehälter gezahlt werden können. Mit-
arbeiterbeteiligungsprogramme sollen
in diesem Umfeld Anreize schaffen, die
Arbeitskraft auch künftig bestmöglich
bei dem bestehenden Arbeitgeber einzu-
setzen und so zum unternehmerischen
Erfolg beizutragen.
Attraktiv sind Mitarbeiterbeteili-
gungsprogramme mit Blick auf die Ar-
beitswelt 4.0 zudem, weil sie inhaltlich
unternehmensspezifisch und bedürfnis-
gerecht gestaltet werden können. Denk-
bare Mitarbeiterbeteiligungsmodelle
reichen von der unentgeltlichen oder
verbilligten Gewährung von Aktien oder
Geschäftsanteilen über die Begebung
von Aktienoptionen („Stock Options“) bis
hin zu schuldrechtlichen Gestaltungen,
in denen ein Aktien- oder Geschäftsan-
teilserwerb von vornherein gar nicht
angestrebt ist, sondern nur finanziell
nachgebildet wird („Stock Appreciation
Rights“ oder „Phantom Stocks“).
Die Bleibe- oder Treueprämie:
Auf den Zweck des Bonusses achten
Typische arbeitsrechtliche Instrumente
zur Mitarbeiterbindung und -motivation
in Form sogenannter Bleibe- oder Treue-
prämien („Retention-Boni“) werden in
der Arbeitswelt 4.0 ebenfalls zuneh-
men. Ohne (zusätzliche) wirtschaftliche
Anreize ist eine Mitarbeiterbindung
– abhängig vom (lokalen) Wettbewerb
und den entsprechenden alternativen
Arbeitsmöglichkeiten – bereits heutzu-
tage selten und künftig wohl noch selte-
ner möglich.
„Retention-Boni“ sehen, vereinfacht
ausgedrückt, die Zahlung einer Prämie
vor, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem
bestimmten Stichtag noch besteht. Ziel
ist es, den Mitarbeiter durch die Prämie
von einer Eigenkündigung abzuhalten.
Damit dies erreicht wird, muss der Bin-
dungszweck in der rechtlichen Zusage
klar herausgearbeitet werden. Zweck
einer Sonderleistung ist daher entweder
•
die zusätzliche Vergütung erbrachter
Arbeitsleistung (Fallgruppe eins) oder
•
„sonstige“ Zwecke, das heißt, die Zah-
lung hängt nicht von einer bestimmten
Arbeitsleistung, sondern regelmäßig
nur vom Bestand des Arbeitsverhältnis-
ses ab (Fallgruppe zwei).
Wichtig ist es, den Bindungszweck
nicht innerhalb derselben Zusage und in
Bezug auf dieselbe Prämie durch ande-
re zu ergänzen, zum Beispiel durch das
Erreichen bestimmter Leistungsziele.
Derartige Kombinationen torpedieren
den Bindungszweck. Denn bei arbeits-
leistungsbezogenen Prämien entsteht
der Anspruch ratierlich während des
Bezugszeitraums und wird nur zu einem
anderen Zeitpunkt insgesamt fällig (BAG
vom 12.9.2013, Az. 6 AZR 953/11). Der
Mitarbeiter bekommt bei derartigen
Klauseln mit Zweckkombination also
einen Teil der Prämie, auch wenn er das
Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet.
Soll das vermieden werden, muss die
Prämie alleine vom Bestand des Arbeits-
verhältnisses bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt abhängen. Dann entsteht der
Anspruch nur, wenn das Arbeitsverhält-
nis zum Stichtag noch besteht.
Die Ergänzung: Zielorientierte
Vergütung und Anwesenheitsboni
Da Unternehmen vom bloßen Bestand
des Arbeitsverhältnisses nichts haben,
wenn tatsächlich nicht oder nur mit ge-
ringer Motivation gearbeitet wird, ist ne-
ben „Retention-Boni“ häufig auch ein In-
centive für den aktiven Einsatz sinnvoll.
Klassischerweise sind das zum Beispiel
Anwesenheitsprämien oder zielorien-
tierte Vergütungen.
Um eine abgeschwächte Bindungs-
wirkung zu vermeiden, sollten für den
jeweils verfolgten Zweck gesonderte Bo-
nusvereinbarungen getroffen werden.
Das kann unproblematisch im selben Do-
kument geschehen. Eine separate Rege-
lung verhindert nicht nur die aufgezeigte
Bindungsabschwächung, sondern auch
gestalterische Stolperfallen. Für Sonder-
leistungen mit Entgelt- beziehungsweise
Mischcharakter gelten nämlich strenge-
re Vorgaben als für bloße „Retention-Bo-
ni“: Es ist weder möglich, einen Stichtag
außerhalb (BAG vom 18.1.2012, Az. 10
AZR 667/10) noch innerhalb des Bemes-
sungszeitraums (BAG vom 13.11.2013,
Az. 10 AZR 848/12) zu wählen.
Mitarbeiterbindung: Was rechtliche
Instrumente beitragen können
Mitarbeiterbindung wird in der Arbeits-
welt 4.0 zunehmend zur Herausforde-
rung – für die eine Branche früher, für
die andere später. In jedem Fall muss
HR jedoch vorausschauend passende
Maßnahmenbündel entwickeln, die
auch rechtliche Instrumente einschlie-
ßen. Hierbei dürften „Retention-Boni“
und
Mitarbeiterbeteiligungsmodelle
zunehmend wichtigere Bausteine inner-
halb des Maßnahmenpakets darstellen
und die Vereinbarung von (nachvertrag-
lichen) Wettbewerbsverboten oder Rück-
zahlungsklauseln gezielt ergänzen.
Daneben bleiben positive (finanzielle)
Anreize wie attraktive Fort- und Weiter-
bildungsangebote, flexible Arbeitszeit-
modelle, agile Arbeitsplätze und ein die
Unternehmensidentifikation stärkendes
Employer Branding natürlich wichtig.
DR. PATRICK MÜCKL
ist
Fachanwalt für Arbeitsrecht
und Partner der Kanzlei Noerr
LLP in Düsseldorf.
MAREIKE GÖTTE
ist Rechts-
anwältin in der Kanzlei Noerr
LLP in Düsseldorf.
Arbeitsrechtliche Ins
trumente zur Mitar-
beiterbindung und
-motivation in Form von
Bleibe- oder Treueprä-
mien werden in der Ar-
beitswelt 4.0 zunehmen.