Personalmagazin 7/2017 - page 59

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07/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
Arbeits- und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
Aber: Wie weit geht die Pflicht des Ar-
beitgebers, die „Schattenkarriere“ eines
Betriebsrats stets im Auge zu behalten?
Und vor allem: Wie weit geht die Arbeit-
geberpflicht, auch außergewöhnliche
Karrieresprünge – vielleicht sogar wohl-
wollend – anzunehmen?
Für eine großzügige Auslegung der
„betriebsüblichen Entwicklung“ spricht
auf den ersten Blick, dass damit die
Gefahr gebannt ist, gegen das Benach-
teiligungsverbot zu verstoßen. Das
wäre allerdings zu kurz gedacht, denn
das Benachteiligungsverbot steht im
Spannungsfeld zu einer gleichrangigen
Norm – dem Verbot, einen Mitarbeiter
wegen seiner Tätigkeit als Betriebsrat
zu begünstigen. Beide Verbotsnormen
sind mit Bußgeld und sogar mit straf-
rechtlichen Konsequenzen verbunden.
Die richtige „Schattenbeurteilung“ wird
damit nicht nur zur arbeitsrechtlichen,
sondern auch zur öffentlich-rechtlichen
Pflichtaufgabe.
Beförderung des Betriebsrats:
Von benachteiligt bis begünstigt
Für den Arbeitgeber stellt sich regelmä-
ßig die Frage: Bewegt er sich mit einer
„Schattenbeförderung“ noch risikolos
innerhalb der Schranken von Benach-
teiligung und Begünstigung? Hat er die
Schwelle zu einer Reaktion der Bußgeld-
oder Strafverfolgungsbehörde bereits
überschritten oder inwieweit besteht
noch Spielraum? Eine rechtssichere
Antwort wird der Arbeitgeber wohl nur
dann bekommen, wenn er einen Streitfall
provoziert und das Arbeitsgericht über
eine Entgelterhöhung des Betriebsrats
entscheiden lässt. Diese Vorgehenswei-
se kann selbst dann zu empfehlen sein,
wenn sich der Arbeitgeber und der Be-
triebsrat einig darüber sind, dass letzte-
rer die fiktive Beförderung „verdient“ hat.
Denn durch die neutrale Instanz eines Ar-
beitsgerichts wird man nicht nur einem
Bußgeld- oder gar einem strafrechtlichen
Verfahren vorbeugen können. Vielmehr
sind Arbeitgeber wie Betriebsrat dadurch
gewappnet, sollten interne oder externe
Kritiker den Vorwurf des „Klüngelns”
anbringen wollen. Nicht zuletzt werden
auch diejenigen entwaffnet, die ihre Kri-
tik nicht offen äußern, sondern lediglich
gedanklich (falsche) Parallelen zum eige-
nen Unternehmen ziehen, wenn sie etwa
die Schattenbeurteilung innerhalb eines
deutschen Automobilkonzerns (siehe
Kommentar) zur Kenntnis nehmen.
Es dürfte unbestritten sein, dass das Amt
eines Betriebsratsvorsitzenden in einem
weltweit agierenden Konzern von großer
Verantwortung geprägt ist. Diese Tätigkeit
kann quantitativ und qualitativ durchaus
mit dem verglichen werden, was von
einem Konzernmanager erwartet und mit
astronomischen Jahresgehältern und Bonus-
zahlungen honoriert wird. Daher muss die
Frage durchaus erlaubt sein, ob das Ehren-
amtsprinzip des Betriebsverfassungsgeset-
zes hinsichtlich der Faktoren Verantwortung
und Belastung mit den Gegebenheiten
in einem Großkonzern überhaupt noch in
Einklang zu bringen ist. Daran schließt sich
direkt die Frage an, ob das Prinzip nicht
geändert werden muss – schließlich gilt
es durchgängig und unterschiedslos vom
Kleinbetrieb mit fünf Mitarbeitern bis hin
zum Großkonzern mit 600.000 Mitarbeitern.
Gerade in großen Unternehmungen kann
das Verhältnis zwischen der Aufgabe und
deren Ausgestaltung als Ehrenamt schnell
aus der Balance geraten.
Was aber schlicht nicht geht: die Korrektur
dieser Schieflage durch einen großzügigen
Blick auf die Schattenkarriere des Betriebs-
rats selbst in die Hand zu nehmen, das
Facharbeitergehalt bis hin zum Salär eines
Spitzenmanagers – das einschließlich fikti-
ver Bonuszahlungen deutlich oberhalb von
500.000 Euro liegt – zu steigern und dies
ohne jedes erkennbare Schamgefühl als
betriebsüblich zu bezeichnen. So geschehen
beim VW-Konzern und seinem Betriebs-
ratsvorsitzenden Bernd Osterloh, was unter
Unzulässige Gesetzeskorrektur
Es lasse sich darüber streiten, ob das Ehrenamtprinzip zeitgemäß sei, meint unser
Autor. Einen eigenmächtigen Nachteilsausgleich rechtfertige der Diskurs aber nicht.
anderem auf dem Online-Portal der Wo-
chenzeitung „Die Zeit“ nachzulesen ist.
Und auch wenn dieses Vorgehen im Ein-
vernehmen mit allen Beteiligten geschah:
Selbstverständlich macht dies die Angele-
genheit selbst nicht besser, sondern erst
recht anrüchig. Dass ein derartiger fiktiver
Beförderungsablauf bei einer streitigen
Auseinandersetzung vor einem Arbeits-
gericht Bestand hätte, wird wohl außer
den Hausjuristen des VW-Konzerns – wenn
überhaupt – niemand ernsthaft behaupten.
Man stelle sich nur die beweisrechtliche
Hürde vor, die einem Betriebsrat von den
Arbeitsrichtern auferlegt würde, um den
Vortrag zu akzeptieren, dass eine Karri-
ere vom Facharbeiter zum Top-Manager
betriebsüblich sei.
THOMAS MUSCHIOL
ist Rechtsanwalt mit
Schwerpunkt Arbeits-
und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
KOMMENTAR
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