Personalmagazin 7/2017 - page 53

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07/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Katharina Schmitt.
RALF HENDRIK KLEB
ist Managing Partner
bei Baumgartner und Partner.
schiedlichen
Markt-Vergütungsdaten
angeboten. Dabei handelt es sich jedoch
um reine Administrationssysteme, die
den organisatorischen Diskussions- und
Beratungsprozess naturgemäß nicht ab-
bilden können. Angesichts der allerorts
anstehenden organisatorischen Verän-
derungen wäre aber ja gerade der Dis-
kurs über künftig sinnvolle Organisati-
onsformen und Rollenprofile wichtig.
personalmagazin:
Wie verändert die
Digitalisierung die Prozesse der Stellen-
bewertung?
Kleb:
Zunächst ist das Objekt der Bewer-
tung selbst – also die Organisation – am
stärksten betroffen: Geschäftsmodelle
und -prozesse, Organisationsstruktu-
ren und schließlich die Rollen und An-
forderungsprofile verändern sich. Viele
Unternehmen experimentieren derzeit
mit neuen Führungs- und Organisati-
onsstrukturen. Wenn Dieter Zetsche,
CEO Daimler, ankündigt, rund 20 Pro-
zent der Mitarbeiter auf eine Schwarm­
organisation umzustellen, dann lässt
sich erahnen, was hier auf die Organi-
satoren und Personaler zukommt. Der
Konzern plant, für bestimmte Themen
Mitarbeiter zu verknüpfen. Ohne Ein-
bindung in strikte Hierarchien sollen sie
dauerhaft unabhängig von Abteilungs-
grenzen autonom vernetzt agieren.
personalmagazin:
Und wie definiert sich bei
solchen Entwicklungen die Rolle der Ver-
antwortlichen für die Stellenbewertungen?
Kleb:
Sie sollten Treiber der Verände-
rungen sein, statt Bedenkenträger und
Bewahrer, die die Veränderungen in
Stellenbeschreibungen und -bewertun-
gen mühsam nachvollziehen müssen
und dabei vergeblich nach geeigneten
Benchmarks suchen. Hier wird sich
die Spreu vom Weizen trennen. Wer
sich bisher mit der Administration der
Stellenbewertungen begnügte, wird das
Nachsehen haben.
personalmagazin:
Wird die Stellenbewer-
tung 4.0 dennoch kommen?
Kleb:
Ja, ich halte es für extrem unwahr-
scheinlich, dass die Digitalisierung
ausgerechnet an der Stellenbewertung
spurlos vorbeizieht. Wichtig ist, dass
sich alle Beteiligten – Anwender und
Systemanbieter – zeitnah und offen mit
dem Thema auseinandersetzen und ihre
Rollen, Prozesse und Methoden selbst-
kritisch hinterfragen.
personalmagazin:
Werden dann auch die
Karten für die Anbieter neu gemischt?
Kleb:
Wenn sich weder die Anwender
noch die Systemanbieter bewegen, ist
das gut möglich. Keiner der heutigen
Anwender und Anbieter hat den Erfolg
gepachtet. Vielleicht treten auch völ-
lig neue Player aus dem Bereich Data
Science und Workforce Analytics mit
Lösungen auf, die mit den heutigen Pro-
zessen und Methoden kaum noch etwas
gemein haben.
personalmagazin:
Bedeutet dies das „Aus“
für die klassischen Methoden der Stellen-
bewertung?
Kleb:
Heute noch an einem Stellenbe-
wertungssystem festzuhalten, das sich
nahezu unverändert seit über 70 Jahren
erfolgreich im Markt etabliert hat, und
es mit dem Etikett 4.0 zu versehen, hilft
hier wenig. Und das Erfolgsgeheimnis
darauf zurückzuführen, dass das Sys-
tem von Grund auf so gestaltet sei, dass
es sich an Veränderungen in der Un-
ternehmenswirklichkeit selbst anpasst,
dürfte auch die bisherigen Anhänger
des Systems nicht überzeugen. Stellen-
bewertung mit dem „Klassiker“ wird es
in der digitalisierten Welt sicher nicht
geben. Aber auch die Derivate und neue-
ren, moderneren Stellenbewertungssys-
teme gehören auf den Prüfstand.
personalmagazin:
Was raten Sie Unterneh-
men, die bereits ein Stellenbewertungs-
system etabliert haben?
Kleb:
Die Organisatoren und Stellenbe-
werter auf der Kundenseite sind froh,
wenn an der Bewertungsfront Ruhe
herrscht. Doch dabei handelt es sich ent-
weder um die Ruhe vor dem Sturm oder
gleich um das Aus der Stellenbewer-
tung. Unternehmen müssen sich selbst-
kritisch mit der aktuellen Situation und
den offenen Fragen auseinandersetzen.
Allen, die bereits eine professionelle
Strukturorganisation und Stellenbewer-
tung haben, empfehle ich, eine neue
Vision der Organisationsentwicklung
und Stellenbewertung zu entwerfen,
neue Lösungen im Rahmen eines agilen
Projekts schrittweise zu entwickeln und
damit zu experimentieren.
personalmagazin:
Und was raten Sie Unter-
nehmen, die die erstmalige Einführung
eines Stellenbewertungssystems planen?
Kleb:
Unternehmen, die noch am Anfang
stehen und eine kurzfristige Grading­
lösung benötigen, sollten zunächst ein
schlankes, pragmatisches Vorgehen
zur Einführung der Stellenbewertung
wählen. Gleichzeitig sollten sie dieses
Projekt zum Anlass nehmen, den Bedarf
einer zentralen Funktion zur Koordina-
tion und Begleitung der anstehenden
organisatorischen Veränderungen aus-
zuloten.
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