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ORGANISATION
_STELLENBEWERTUNG
personalmagazin 07/17
Know-how und die internen Benchmarks
sind nur einem engen Kreis von geschul-
ten Organisatoren und Stellenbewertern
zugänglich, die tendenziell eher als „Be-
wahrer“ auftreten. Doch tatsächlich geht
es darum, die Entwicklung organisatori-
scher Strukturen und Stellenprofile welt-
weit miteinander zu vergleichen, kritisch
zu hinterfragen und globale Standards
zu entwickeln und einzuhalten.
personalmagazin:
Gibt es positive Beispiele?
Kleb:
Dem monopolistischen Know-how
einiger weniger Gralshüter stehen die
Ansätze des Involvements und Empow-
erments der Key Stakeholder entgegen.
Daher beziehen inzwischen immer mehr
Unternehmen die oberen Führungs-
kräfte, je nach Komplexität und Größe
der Organisation auch die mittleren
Führungskräfte sowie die HR Business
Partner der einzelnen Bereiche stärker
in den Prozess ein. So können aktuelle
organisatorische Themen im größeren
Kreis direkt diskutiert, geklärt und be-
wertet werden.
personalmagazin:
Inwiefern werden die Pro-
zesse der Stellenbewertung heute durch
IT-Systeme unterstützt?
Kleb:
Es gibt verschiedene IT-Lösungen
auf dem Markt, die den Prozess der
Stellenbewertung in unterschiedlichem
Umfang unterstützen. Je nach Soft-
warelösung wird heute die Erfassung
und Administration von Stellenbeschrei-
bungen, die auf Basis vereinfachter,
kriteriengestützter Stellenprofile auto-
matisierte „Stellenbewertung light“ und
die Verknüpfung mit qualitativ unter-
„Treiber statt Bedenkenträger“
INTERVIEW.
Ständige Veränderungen der Organisationen bringt die klassische Stellen-
bewertung an ihre Grenzen. Ralf Hendrik Kleb erklärt, was zukünftig gefordert ist.
personalmagazin:
Die Geschwindigkeit und
Intensität, mit der sich Organisationen
verändern, erhöht sich zusehends. Was
bedeutet das für die Stellenbewertung?
Ralf Hendrik Kleb:
Die Strukturverände-
rungen, die neue Geschäftsmodelle,
vermehrte Kooperationen und Joint Ven-
tures, aber auch flachere Hierarchien,
neue Führungs- und Entscheidungsfin-
dungsmodelle und vieles mehr mit sich
bringen, müssen beantragt, geprüft und
genehmigt werden. Organisationseinhei-
ten und Stellen müssen imHR-Organisati-
onsmanagement neu angelegt, verändert
oder abgegrenzt werden. Stellenprofile
müssen erstmalig erstellt oder überarbei-
tet werden. Und in der Folge müssen die
Stellen bewertet und in die Gradingstruk-
tur der Gesamtorganisation eingruppiert
werden. In vielen Fällen wird die beste-
hende Gradingstruktur hinsichtlich ihrer
internen Benchmarkfähigkeit zu hinter-
fragen und neu auszurichten sein.
personalmagazin:
Das klingt nach einer
administrativen Herkulesaufgabe. Kann
HR das?
Kleb:
Die heute vorhandenen Ressourcen
und Prozesse sind tatsächlich nicht auf
dieses Ausmaß und diese Intensität von
Veränderungen ausgelegt. Andererseits
darf das Organisationsmanagement die
Entwicklungen in den Geschäftsberei-
chen nicht aufgrund unzureichender
interner Ressourcen und ineffizienter
Prozesse behindern. Aus Sicht der Ge-
schäftsbereiche wäre es völlig inakzep-
tabel, wenn Umstrukturierungen nicht
umgesetzt und Stellenbesetzungen mit
internen oder externen Kandidaten
nicht vorgenommen werden könnten,
weil die Strukturveränderungen von
den Organisatoren nicht zeitnah geprüft
und die Stellen noch nicht bewertet wer-
den konnten. Ebenso inakzeptabel wäre
es, wenn neue oder neu ausgerichtete
Geschäftseinheiten, Organisations- und
Entscheidungsstrukturen anhand der
noch vorherrschenden Standards und
Benchmarks aus der „alten Unterneh-
menswelt“ bewertet würden.
personalmagazin:
Gehört demzufolge nicht
der gesamte Geschäftsprozess der Stellen-
bewertung auf den Prüfstand?
Kleb:
Unbedingt. Statt sich auf ihre Au-
ditorenrolle, geheim gehaltene Bewer-
tungsmethoden und Routineprozesse
zu berufen und im eingeschwungenen
Zustand zu verharren, sollten Organi-
satoren und Personaler die künftigen
Herausforderungen annehmen und ihre
Prozesse, Standards, Methoden und
Ressourcen zügig darauf ausrichten.
personalmagazin:
Warum klappt das in der
Praxis noch nicht?
Kleb:
Häufig arbeiten Organisatoren und
Stellenbewerter in einer Art Kompetenz-
silo. Die Stellenbewertung erfolgt hier
zentral auf Basis einer aktuell gültigen
Stellenbeschreibung. Das Bewertungs-
ADD-ON
In unserer App finden Sie ein Schaubild
zu den vier wesentlichen Zukunftssze-
narien für Stellenbewertungsprojekte.