personalmagazin 12/2016 - page 61

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12/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Beschäftigungsverbote aus betrieblichen
Gründen zu vermeiden. Sie sollen nur
noch in Betracht kommen, wenn alle an-
deren Maßnahmen versagen.
Dafür hat der Gesetzgeber die Ver-
meidung „unverantwortbarer Gefähr-
dungen“ als Schlüsselbegriffe des
Arbeitsschutzrechts auch bei Mutter-
schutz und Stillzeit eingeführt. Der Ar-
beitgeber ist zunächst verpflichtet, jeden
konkreten Arbeitsplatz hinsichtlich des
Vorliegens „unverantwortbarer Gefähr-
dungen“ einzuschätzen. Liegen diese vor,
muss der Arbeitgeber im ersten Schritt
die Arbeitsbedingungen durch Schutz-
maßnahmen umgestalten. Ist dies nicht
oder nur unter unverhältnismäßigem
Aufwand möglich, ist die schwangere
Frau an einem anderen geeigneten und
zumutbaren Arbeitsplatz einzusetzen.
Erst nach Verneinung aller zwingend
vorzunehmenden Maßnahmen greift das
betriebliche Beschäftigungsverbot.
Somit wird das neue MuSchG direkte
Handlungsanweisung für die Verant-
wortlichen für Arbeitssicherheit. Diese
sollten daher bei der Umsetzung des
Gesetzes unbedingt beteiligt werden
– gerade mit Blick auf den neuen § 9
MuSchG, wonach in die Pflicht zur Ge-
fährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeits-
schutzgesetz Mutterschutzprüfungen
eingeschlossen sein müssen. Diese
Pflicht besteht losgelöst davon, ob auf
den Arbeitsplätzen Arbeitnehmerinnen
beschäftigt werden oder werden sollen.
Neu: Erweiterte Personengruppen
Das neue MuSchG bringt vor allem eine
Ausweitung des geschützten Personen-
kreises. Gilt das Gesetz bisher nur für
Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis
stehen oder Heimarbeit ausführen, gibt
es künftig eine erhebliche Ausweitung
auf sonstige Personen, die in den unter-
schiedlichen Vertragskonstellationen zu
Arbeitgebern, Auftraggebern, aber auch
zu Institutionen stehen können. Un-
ternehmen müssen künftig also genau
hinschauen, welche Personen zusätzlich
mutterschutzrechtliche Pflichten auslö-
sen. Zudem werden auch Einrichtungen
und Institutionen, die keine Arbeitneh-
mer beschäftigen, aber in Rechtsbezie-
hungen zu „Nichtarbeitnehmerinnen“
stehen – soweit diese im neuen MuSchG
aufgeführt sind (siehe Kasten) – mit den
neuen Vorschriften konfrontiert. Sie müs-
sen sich vor allem mit neuen präventiven
Maßnahmen des mutterschutzrechtli-
chen Arbeitsschutzes auseinandersetzen.
Neu: Anknüpfung an Beschäftigte
Das neue MuSchG gilt – etwas überra-
schend – nach § 1 Abs. 2 Satz 1 „für Frau-
en in einer Beschäftigung im Sinne von §
7 Abs. 1 des vierten Buches Sozialgesetz-
buch“, also auch für Beschäftigte in sozi-
alversicherungsrechtlicher Sicht. Damit
Anwendungsbereich ausgedehnt:
Künftig können sich mehr Frauen auf
das Mutterschutzgesetz berufen.
Aus „Mutter“ wird in der Neufassung des Mutterschutzgesetzes „Frau“. Was hinter
der sprachlichen Änderung steht, zeigt ein Blick in die Gesetzesbegründung.
Streiche „Mutter“ und ersetze dies mit „Frau im Sinne des Mutterschutzgesetzes“. An
diesen Befehl zur automatischen Ersetzung in Textverarbeitungsprogrammen fühlt
man sich erinnert, wenn man die Begriffe des bisherigen Mutterschutzgesetzes mit
der Neufassung vergleicht. Zwar taucht künftig in den Überschriften immer noch
das Wort „Mutter“ auf, im Gesetzestext selbst sucht man jedoch vergeblich danach.
Ersetzt wurde er durch die allgemeine Bezeichnung „Frau“. Diese wiederum wird in
§ 2 des neuen Gesetzes wie folgt definiert: „Eine Frau im Sinne dieses Gesetzes ist
jede Person, die schwanger ist oder ein Kind geboren hat oder stillt“. Also doch nur
eine Beschreibung für die Bezeichnung „Mutter“ oder „werdende Mutter“? Warum
der Gesetzgeber den Mutterbegriff aus dem Sprachgebrauch des Gesetzes verbannt
hat, wird in der Gesetzesbegründung mit der Einbeziehung des Phänomens der
„Intersexualität“ erklärt. Im Personenstandsgesetz wird diesem dadurch Rechnung
getragen, dass ein Geschlechtseintrag im Geburtenregister offengelassen oder später
korrigiert werden könne. „Frau“, so erklärt es das neue Mutterschutzgesetz jetzt amt­
lich, sei eine Person daher „unabhängig von dem im Geburtseintrag angegebenen
Geschlecht“. Warum dann eine spätere Klärung des Geschlechts ein Hinderungsgrund
ist, die schwanger gewordene Frau nicht mehr mit dem Begriff „Mutter“ belegen zu
können, erschließt sich aus der Gesetzesbegründung jedoch nicht.
Mutter? Nur noch in der Überschrift
DEFINITION
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