12/16 personalmagazin
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RECHT
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URTEILSDIENST
Wer krank ist, muss nicht zum Personalgespräch
Erkrankte Beschäftigte können in aller
Regel nicht zu Personalgesprächen ins
Unternehmen zitiert werden. Das hat
das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar-
gestellt. Krankgeschriebene Arbeitneh-
fang des Direktionsrechts des Arbeitge-
bers zurück, das grundsätzlich auch die
Teilnahme an einem vom Arbeitgeber
während der Arbeitszeit angewiesenen
Gespräch im Betrieb umfasst.
mer seien im Grundsatz nicht dazu ver-
pflichtet, im Betrieb zu erscheinen, um
dort an einem Personalgespräch teilzu-
nehmen, urteilte der zehnte Senat. Die
Entscheidung geht letztlich auf den Um-
URTEIL DES MONATS
Im konkreten Fall wollte der Arbeitgeber die weitere Beschäfti-
gungsmöglichkeit mit dem Arbeitnehmer klären und lud ihn dafür
zu einem Personalgespräch ein. Der Mitarbeiter, ein Krankenpfleger,
der zuletzt als medizinischer Dokumentationsassistent eingesetzt
war, sagte das Gespräch ab. Er sei von November 2013 bis Februar
2014 arbeitsunfähig krank gewesen. In diesem Zeitraum lag
der Gesprächstermin. Nachdem der Mitarbeiter auch die zweite
Einladung mit Hinweis auf seine Krankheit ausschlug, mahnte ihn
der Arbeitgeber ab. Dagegen richtete sich die Klage des Kranken-
pflegers — das BAG gab ihm im Grundsatz Recht: Die Abmahnung
muss aus der Personalakte entfernt werden. Das BAG erklärte, dass
krankgeschriebene Arbeitnehmer in der Regel nicht zum Erscheinen
im Betrieb verpflichtet seien, um dort an einem Gespräch mit dem
Arbeitgeber teilzunehmen. Damit schränkt das BAG den Umfang des
Direktionsrechts des Arbeitgebers ein: Weil ein erkrankter Arbeit-
nehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht
nachkommen muss, sei er grundsätzlich auch nicht dazu verpflich-
tet, im Betrieb zu erscheinen. Die obersten Arbeitsrichter stellten
aber auch klar, dass es Arbeitgebern nicht von vornherein untersagt
sei, mit kranken Mitarbeiter in einem angemessenen Rahmen
schriftlich oder telefonisch Kontakt aufzunehmen. Es könne sogar
BEFRISTUNG PER TARIFVERTRAG
ZUSAMMENFASSUNG
Eine tarifliche Regelung, die die sachgrundlo-
se Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Gesamtdauer von
fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässt, ist
wirksam.
RELEVANZ
Nach § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz ist die
kalendermäßige sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags
bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. In diesem Zeitraum darf der
Vertrag höchstens dreimal verlängert werden. Diese Voraussetzun-
gen können durch einen Tarifvertrag abgelöst werden. Im konkreten
Fall klagte ein Arbeitnehmer gegen eine tarifliche Vereinbarung, die
bei maximal fünfmaliger Verlängerung eine kalendermäßige Befris-
tung von bis zu fünf Jahren vorsah. Die Klage hatte keinen Erfolg.
ALLGEMEINVERBINDLICHKEIT GEKIPPT
ZUSAMMENFASSUNG
Die Allgemeinverbindlicherklärungen der
Sozialkassentarifverträge im Baugewerbe (AVE VTV 2008, 2010 und
2014) sind unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht stellte in zwei
Beschlüssen fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5
Tarifvertraggesetz (TVG) fehlen.
RELEVANZ
Für nicht tarifgebundene Arbeitgeber der Baugewerbs-
branche und aller baunahen Handwerke könnten die Beschlüsse
weitreichende Folgen haben. Durch die Allgemeinverbindlichkeits-
erklärung waren auch sie bisher zur Beitragszahlung an die Sozial-
kassen des Baugewerbes (Soka-Bau) verpflichtet. Die Feststellung
der Unwirksamkeit hat zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum
nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht bestand.
Fälle geben, in denen ausnahmsweise eine Pflicht bestehe, wäh-
rend der Arbeitsunfähigkeit zum Gespräch in der Firma zu erschei-
nen. Dies müsse allerdings aus betrieblichen Gründen unverzichtbar
und der Arbeitnehmer gesundheitlich dazu in der Lage sein. In
diesem Fall sei das Unternehmen darlegungs- und beweispflichtig.
Ist der Arbeitnehmer krank, darf er getrost im Bett bleiben.
Quelle
BAG, Urteil vom 02.11.2016, Az. 10 AZR 596/15
Quelle
BAG, Beschluss vom 21.09.2016, Az.10 ABR 48/15 und 33/15
Quelle
BAG, Urteil vom 26.10.2016, Az. 7 AZR 140/15
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