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          Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
        
        
        
          
            RECHT
          
        
        
          _MITBESTIMMUNG
        
        
          12/16  personalmagazin
        
        
          D
        
        
          ie Digitalisierung von Arbeitsprozessen und die
        
        
          Entstehung digitaler Arbeitsformen haben nicht nur
        
        
          Folgen für den Einzelnen. Auch die Art, wie kollektiv
        
        
          gearbeitet wird, verändert sich mit der Digitalisie
        
        
          rung. Es entstehen Arbeitsorganisationen, die mit bestehen
        
        
          den nicht vergleichbar sind. Mit der Veränderung stellt sich
        
        
          auch die rechtliche Frage: Sind die Grundlagen des Betriebs
        
        
          verfassungsgesetzes (BetrVG) noch zeitgemäß?
        
        
          Ein wichtiger Begriff im BetrVG befindet
        
        
          sich bereits inAuflösung: der des Betriebs.
        
        
          Dieser ist absichtlich nicht gesetzlich
        
        
          definiert, um den unterschiedlichen,
        
        
          sich änderndenUmständen betrieb
        
        
          licher Zusammenarbeit gerecht zu
        
        
          werden. Ob er jedoch den neuen
        
        
          Arbeitsformen Stand hält? Die
        
        
          Zunahme von „Home Working“,
        
        
          „Remoteworking“,
        
        
          „Crowd
        
        
          working“ oder des Arbeitens
        
        
          über staatliche Grenzen hinweg
        
        
          lassen prägende Elemente des Be
        
        
          triebsbegriffs entfallen: räumliche
        
        
          Einheit oder wenigstens räumliche
        
        
          Nähe sowie eine einheitliche Betriebs
        
        
          gemeinschaft unter einheitlicher Leitung.
        
        
          Die Befreiung von der Pflicht der örtlichen An
        
        
          wesenheit und die Flexibilität bei der Bestimmung
        
        
          des Arbeitsorts haben destruktive Folgen für den zentralen
        
        
          Begriff des BetrVG. Welche Arbeitnehmer gemeinsam den Be
        
        
          trieb bilden, kann schwer zu bestimmen sein. Die Organisation
        
        
          in unterschiedlichsten Arbeitsformen kann zu Konflikten zwi
        
        
          schen Arbeitgebern und Betriebsräten hinsichtlich der Frage
        
        
          führen, ob ein Mitarbeiter überhaupt unter die Kompetenz des
        
        
          Betriebsrats fällt.
        
        
          Je mehr der klassische Betriebsbegriff in der betrieblichen
        
        
          Praxis diffundiert, desto geringer ist die Rechtssicherheit bei
        
        
          der Anwendung des BetrVG. Dies zeigt sich in den wesent
        
        
          lichen Regelungsgegenständen des Gesetzes:
        
        
          Von
        
        
          
            Manteo Eisenlohr
          
        
        
          Bei sozialen Angelegenheiten beispielsweise führen durch
        
        
          die Digitalisierung entstehende neue Arbeitsformen zur Ein
        
        
          schränkung der Betriebsratskompetenzen. Wenn Arbeitneh
        
        
          mer jederzeit und überall ihrer Arbeit nachgehen können,
        
        
          lassen sich etwa Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
        
        
          zwar festlegen, jedoch kaum überwachen. Bei der Einführung
        
        
          und Anwendung von technischen Einrichtungen dürfte die
        
        
          Mitwirkung des Betriebsrats dagegen eher hinderlich für die
        
        
          Schaffung alternativer Arbeitsformen sein.
        
        
          Fraglich ist auch, ob der Betriebsrat bei per
        
        
          sonellen Angelegenheiten ohne direkten
        
        
          betrieblichen Bezug Wirkungsrechte gel
        
        
          tend machen kann. Ein Beispiel ist die
        
        
          Einstellung eines Crowdworkers oder
        
        
          eines im Homeoffice beschäftigten
        
        
          Mitarbeiters. Solch einer Einstel-
        
        
          lung fehlt schließlich der direkte
        
        
          Bezug zum Betrieb. Gleiches gilt
        
        
          für andere personelle Maßnah
        
        
          men dieser Mitarbeitergruppen
        
        
          – bis hin zu deren Kündigung.
        
        
          Die wohl größte Herausforde
        
        
          rung zeigt sich bei den wirtschaft
        
        
          lichen Angelegenheiten: Hiernach
        
        
          muss der Arbeitgeber bei der Nut
        
        
          zung neuer Arbeitsformen zwingend
        
        
          auf den Betriebsrat zurückgreifen. Aber:
        
        
          Worin liegt bei neuen, außerhalb des Betriebs
        
        
          geleisteten Arbeitsformen der betriebliche Bezug?
        
        
          Es bleibt das Fazit: Durch einen sich auflösenden Betriebsbe
        
        
          griff verschwimmt der Gegenstand der Mitbestimmung zuneh
        
        
          mend. Das BetrVG bedarf – im Lichte von Arbeiten 4.0 – dringend
        
        
          einer Novellierung. Denn Rechtssicherheit ist im Interesse von
        
        
          Arbeitgebern, Betriebsräten und Arbeitnehmern.
        
        
          
            KOLUMNE.
          
        
        
          Die Digitalisierung sorgt häufig für neue Arbeitsformen. Jedoch: Können
        
        
          auch die Mitbestimmungsvorschriften mit den modernen Möglichkeiten mithalten?
        
        
          Wie digital ist das BetrVG?
        
        
          
            DR. MANTEO EISENLOHR,
          
        
        
          Rechtsanwalt und
        
        
          Partner bei K&L Gates LLP, äußert sich regelmäßig an
        
        
          dieser Stelle zu den aktuellen Entwicklungen in der
        
        
          digitalen Arbeitswelt.
        
        
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