personalmagazin 12/2016 - page 67

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RECHT
_MITBESTIMMUNG
12/16 personalmagazin
D
ie Digitalisierung von Arbeitsprozessen und die
Entstehung digitaler Arbeitsformen haben nicht nur
Folgen für den Einzelnen. Auch die Art, wie kollektiv
gearbeitet wird, verändert sich mit der Digitalisie­
rung. Es entstehen Arbeitsorganisationen, die mit bestehen­
den nicht vergleichbar sind. Mit der Veränderung stellt sich
auch die rechtliche Frage: Sind die Grundlagen des Betriebs­
verfassungsgesetzes (BetrVG) noch zeitgemäß?
Ein wichtiger Begriff im BetrVG befindet
sich bereits inAuflösung: der des Betriebs.
Dieser ist absichtlich nicht gesetzlich
definiert, um den unterschiedlichen,
sich änderndenUmständen betrieb­
licher Zusammenarbeit gerecht zu
werden. Ob er jedoch den neuen
Arbeitsformen Stand hält? Die
Zunahme von „Home Working“,
„Remoteworking“,
„Crowd­
working“ oder des Arbeitens
über staatliche Grenzen hinweg
lassen prägende Elemente des Be­
triebsbegriffs entfallen: räumliche
Einheit oder wenigstens räumliche
Nähe sowie eine einheitliche Betriebs­
gemeinschaft unter einheitlicher Leitung.
Die Befreiung von der Pflicht der örtlichen An­
wesenheit und die Flexibilität bei der Bestimmung
des Arbeitsorts haben destruktive Folgen für den zentralen
Begriff des BetrVG. Welche Arbeitnehmer gemeinsam den Be­
trieb bilden, kann schwer zu bestimmen sein. Die Organisation
in unterschiedlichsten Arbeitsformen kann zu Konflikten zwi­
schen Arbeitgebern und Betriebsräten hinsichtlich der Frage
führen, ob ein Mitarbeiter überhaupt unter die Kompetenz des
Betriebsrats fällt.
Je mehr der klassische Betriebsbegriff in der betrieblichen
Praxis diffundiert, desto geringer ist die Rechtssicherheit bei
der Anwendung des BetrVG. Dies zeigt sich in den wesent­
lichen Regelungsgegenständen des Gesetzes:
Von
Manteo Eisenlohr
Bei sozialen Angelegenheiten beispielsweise führen durch
die Digitalisierung entstehende neue Arbeitsformen zur Ein­
schränkung der Betriebsratskompetenzen. Wenn Arbeitneh­
mer jederzeit und überall ihrer Arbeit nachgehen können,
lassen sich etwa Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
zwar festlegen, jedoch kaum überwachen. Bei der Einführung
und Anwendung von technischen Einrichtungen dürfte die
Mitwirkung des Betriebsrats dagegen eher hinderlich für die
Schaffung alternativer Arbeitsformen sein.
Fraglich ist auch, ob der Betriebsrat bei per­
sonellen Angelegenheiten ohne direkten
betrieblichen Bezug Wirkungsrechte gel­
tend machen kann. Ein Beispiel ist die
Einstellung eines Crowdworkers oder
eines im Homeoffice beschäftigten
Mitarbeiters. Solch einer Einstel-
lung fehlt schließlich der direkte
Bezug zum Betrieb. Gleiches gilt
für andere personelle Maßnah­
men dieser Mitarbeitergruppen
– bis hin zu deren Kündigung.
Die wohl größte Herausforde­
rung zeigt sich bei den wirtschaft­
lichen Angelegenheiten: Hiernach
muss der Arbeitgeber bei der Nut­
zung neuer Arbeitsformen zwingend
auf den Betriebsrat zurückgreifen. Aber:
Worin liegt bei neuen, außerhalb des Betriebs
geleisteten Arbeitsformen der betriebliche Bezug?
Es bleibt das Fazit: Durch einen sich auflösenden Betriebsbe­
griff verschwimmt der Gegenstand der Mitbestimmung zuneh­
mend. Das BetrVG bedarf – im Lichte von Arbeiten 4.0 – dringend
einer Novellierung. Denn Rechtssicherheit ist im Interesse von
Arbeitgebern, Betriebsräten und Arbeitnehmern.
KOLUMNE.
Die Digitalisierung sorgt häufig für neue Arbeitsformen. Jedoch: Können
auch die Mitbestimmungsvorschriften mit den modernen Möglichkeiten mithalten?
Wie digital ist das BetrVG?
DR. MANTEO EISENLOHR,
Rechtsanwalt und
Partner bei K&L Gates LLP, äußert sich regelmäßig an
dieser Stelle zu den aktuellen Entwicklungen in der
digitalen Arbeitswelt.
© VECTOR GODDESS / SHUTTERSTOCK.COM
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