Personalmagazin 11/2016 - page 41

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
wird für Sie, liebe Leserinnen und Leser,
wohl eine Binsenwahrheit sein. Wenn
diese Einsicht noch durch Belege aus der
Wissenschaft untermauert wird, muss
man allerdings fragen: Warum scheitert
es in der Praxis noch so oft? Unsere Ver-
mutung: weil die Leitungsspannen zu
groß und die Führungszeiten zu knapp
bemessen sind. Und weil kaum eine Füh-
rungskraft mit allen ihren Mitarbeitern
eine so gute Beziehung pflegt, dass das
Gefühl individueller Benachteiligung gar
nicht erst aufkommen würde. Zudem gibt
es nicht wenige, aber durchaus erfolg-
reiche Vorgesetzte mit einem Menschen-
bild, in dem das Konzept Vertrauen nicht
vorzukommen scheint. Solche Führungs-
kräfte werden zum einen kein Vertrauen
in die vorliegenden Forschungsergeb-
nisse haben und zum anderen von Perso-
nalern nicht bekehrt werden wollen — zu-
mal sie wohl der Ansicht sind, mit ihrer
wenig beziehungsorientierten Führung
die maximale Leistungsfähigkeit aus ih-
rer Belegschaft herausholen zu können.
EinAspektwird indenmeistenStudien
übersehen: Sie setzen stillschweigend
Face-to-Face-Kontakte voraus. Aber kann
man die gleiche Beziehungsqualität —
und vor allem Vertrauen — mit virtueller
Führung erzeugen? Selbst wenn digitale
Interaktion in ähnlicher Frequenz statt-
findet wie persönlicher Austausch, Ver-
trauen bildet sich eher im Miteinander,
bei Meetings und persönlichen Begeg-
nungen. Beziehung und Vertrauen ent-
stehen auch im virtuellen Raum. Aber es
dauert länger. Und das Verhältnis bleibt
oft brüchiger.
MARTIN CLASSEN
führt seit
2010 sein Beratungsunter-
nehmen People Consulting.
PROF. DR. CHRISTIAN
GÄRTNER
ist Inhaber der
Professur für BWL an der
Quadriga Hochschule Berlin.
Die Fähigkeit zum Aufbau einer
positiven Austauschbeziehung
verlangt Führungskräften hohe
soziale Kompetenz ab.
Vertrauen (++)
Empowerment (+)
Arbeitsmotivation (+)
Arbeitszufriedenheit (+)
Rollenklärung (o)
Organisationsbindung (o)
Die Abbildung zeigt die Einflussfaktoren sowie deren Stärke im Wirkzusammenhang
zwischen positiver Beziehungsqualität und Arbeitsleistung der Mitarbeiter.
FAKTOREN IM AUSTAUSCHVERHÄLTNIS
verbessert
gute Beziehungs-
qualität Vorge-
setzter/Mitarbeiter
Arbeitsergebnisse
der Mitarbeiter
kräfteentwicklung ist dabei zentral. Zu-
dem gilt es, die Leitungsspannen nicht
zu überdehnen (zu viele Mitarbeiter)
und die Termindichte gering zu halten
(zu wenig Führungszeit).
Die Autoren haben zwei weitere An-
regungen: Innovativ wäre etwa ein
Kompensationsmodell, in dem von Füh-
rungskräften schlecht betreute Mit-
arbeiter als „Ausgleich“ zusätzliche
Entwicklungsmaßnahmen erhalten, etwa
Mentoring, Trainings oder individuelle
Karriereberatungen. Zweitens plädieren
sie im Performance Management für den
Abschied von einer reinen Top-Down-Be-
wertung durch den direkten Vorgesetzten
zugunsten der Beurteilung durch ein Pa-
nel aus mehreren Führungskräften.
Die Studie aus Praxissicht
weitergedacht
Dass ein gutes, von Vertrauen geprägtes
Verhältnis im Arbeitsleben ebenso wie
im privaten Kontext erstrebenswert ist,
anzunehmen. Der konkrete Einzelfall
kann aber dennoch stets abweichen.
Der wichtigste und der
nachdenklichste Satz
Wichtigster Satz: „Vertrauen zwischen
Vorgesetzten und Mitarbeitern hat die
größte leistungssteigernde Wirkung.“
Nachdenklichster Satz: „Die Fähigkeit ei-
ner Führungskraft zur Gestaltung guter
Austauschbeziehungen mit ihren Mitar-
beitern erfordert nicht nur hohe soziale
Kompetenz, sondern auch die Fähigkeit,
mit jedem Mitarbeiter eine gute Bezie-
hung aufzubauen und dabei sämtliche
Teammitglieder ausgewogen und unbe-
fangen zu behandeln.“
Konsequenzen fürs HR Management
Der Personalbereich muss seine HR-
Konzepte und -Maßnahmen darauf aus-
richten, eine vertrauensvolle Beziehung
zwischen Führung und Mitarbeitern zu
ermöglichen — gerade die Führungs-
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