Personalmagazin 11/2016 - page 40

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MANAGEMENT
_WISSENSCHAFTSTRANSFER
personalmagazin 11/16
D
ie Studie, die wir diesmal aus-
gewählt haben, untersucht die
Beziehungsqualität zwischen
Führungskräften und Mit-
arbeitern sowie deren Auswirkungen
auf die Arbeitsergebnisse. Ein solcher
Zusammenhang wird aus dem Alltags-
wissen der Praktiker heraus meist sehr
schnell hergestellt: Ist das Verhältnis
zwischen Vorgesetzten und Belegschaft
gut, ist eine entsprechend gute Perfor-
manz zu erwarten. Ist es sehr gut, stei-
gen die Leistungen sogar noch. Natürlich
gilt ebenso die Umkehrung: Schlechte
Beziehung ist gleich schlechte Leistung.
In der empirischen Wissenschaft er-
fährt das Austauschverhältnis zwischen
Führung und Belegschaft große Aufmerk-
samkeit. Entsprechend zahlreich sind
auch die Studien dazu. Diesen Umstand
haben sich fünf britische Wissenschaft-
ler in einer methodisch anspruchsvollen
Fleißarbeit zunutze gemacht. Ihre Meta-
Studie betrachtet über 600 Forschungs-
arbeiten zum Thema, die die Autoren aus
Gründen der Vergleichbarkeit im Unter-
suchungsdesign auf etwa 250 Studien
Von
Martin Claßen
und
Christian Gärtner
Gute Führung zahlt sich aus
SERIE.
Eine von Vertrauen geprägte Beziehung zwischen Führung und Belegschaft
fördert die Arbeitsleistung, belegen britische Forscher. HR kann hierbei vermitteln.
eingegrenzt haben — immer noch eine
beachtliche Literaturgrundlage.
Was man sich merken sollte
Ja, es stimmt! Eine gute Beziehung zwi-
schen Vorgesetzten und Mitarbeitern
verbessert die am Arbeitsplatz erbrach-
ten Leistungen. In unzähligen Einzelstu-
dien und damit auch in der vorliegenden
Meta-Studie wird dieser Zusammen-
hang recht eindeutig bestätigt. Zu den
verbesserten stellenbezogenen Resulta-
ten kommen noch weitere erwünschte
Effekte, da Kollegen vermehrt unter-
stützt, Verbesserungen eingebracht und
Bewerbertipps gegeben werden. Zum
Dritten — fast noch wichtiger — verrin-
gert sich das kontraproduktive Verhal-
ten am Arbeitsplatz, also Störungen,
die sich negativ auf die gesamte Orga-
nisation auswirken können und letztlich
die Gefahr einer „Ansteckung“ bergen.
Die Forscher bezeichnen diesen Aspekt
als „Abwärtsspirale“ schlechter Bezie-
hungsqualität.
Am stärksten wirkt das Vertrauen, das
Mitarbeiter ihrer Führungskraft entge-
genbringen. Weitere leistungssteigernde
Faktoren sind das „Empowerment“ der
Mitarbeiter, also die Übertragung von
Verantwortung durch Vorgesetzte, die
Motivationsqualitäten der Führungskraft
sowie die generelle Arbeitszufriedenheit
der Belegschaft. Eher neutral in ihrer Wir-
kung sind die Rollenklärung, also exakt
definierte Leistungserwartungen, sowie
die generelle Verbundenheit mit der Or-
ganisation (siehe Abbildung).
Eine gegenläufige These nimmt jedoch
an, dass im konkreten Einzelfall nicht
die Beziehungsqualität die Arbeitsergeb-
nisse, sondern die Arbeitsergebnisse die
Beziehungsqualität beeinflussen würden.
Gewissermaßen geht es hierbei also um
den Chef, der mittels „Fleißpunkten“ sei-
ne Gunst verteilt. Eine Stärke der Studie
ist, dass sie diese Vermutung empirisch
ziemlich klar widerlegen kann.
Selbst wenn die Beziehungsqualität
nicht vom Vorgesetzten, sondern von
seinen Mitarbeitern eingeschätzt wird,
also in der Tendenz vermutlich etwas
kritischer ausfällt, zeigen sich leistungs-
steigernde Arbeitsergebnisse. Außerdem
zeigt sich, dass eine subjektive Einschät-
zung der Arbeitsleistung durch den je-
weiligen Chef mit objektiven Faktoren
weitgehend im Einklang steht. Dies stützt
die gängige Praxis, im Performance Ma-
nagement maßgeblich auf die Führungs-
kräfte zu setzen.
Für wen oder was das Ganze gilt
Mit dieser Meta-Studie werden alle Bran-
chen und sehr viele kulturelle Kontexte
abgedeckt. Deshalb ist — soweit man
dies von der empirischen Forschung
überhaupt sagen kann — eine fast schon
allgemeine Gültigkeit der Ergebnisse
Zu oft hakt es noch am Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis. Darum
stellen der Berater Martin Claßen und der Wissenschaftler Christian Gärtner im Personal-
magazin die Kernergebnisse internationaler Studien vor und ziehen Schlussfolgerungen
für das deutsche HR-Management. In diesem Serienteil geht es um den wissenschaft-
lichen Fachartikel „Leader-Member exchange (LMX) and performance: A meta-analytic
review“, der in „Personnel Psychology“ erschienen ist.
(bej)
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