Personalmagazin 11/2016 - page 49

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
chinesischen Kunden sprechen, während
die deutsche Zentrale bis zum Feierabend
um17 Uhr mit Feedback rechnet. In China
ist es dann bald Mitternacht“, so Polfuß.
Man sollte diese anspruchsvollen Aufga-
ben nicht verschweigen, sondern Expats
am besten gründlich darauf vorbereiten.
Hier Frust, dort materielle Verlockung
Galten Expats vor Jahren noch als Stars,
sei von dieser Aura nicht mehr viel üb-
rig geblieben, beobachtet Brigitte Hild
von der Unternehmensberatung Going
Global in München. Viele fühlen sich im
Heimatunternehmen unprofessionell be-
handelt. „Fällt der Arbeitgeber in seiner
Wertschätzung gegenüber dem eigenen
Mitarbeiter deutlich zurück, wird ein
Absprung attraktiver“, warnt Hild.
Wie man seine Expats möglichst lange
bei der Stange hält, ist alles andere als
Hexerei. Wer bereits eine erfolgreiche
Entsendung verbuchen kann, tut sich
laut Polfuß als Arbeitgeber leichter, in-
dividuell auf seine Expats einzugehen.
So ließen sich Projekte in Etappen glie-
dern mit mehr oder weniger problembe-
hafteten Marksteinen. Zur Zufriedenheit
trägt ebenfalls bei, dem Expat rechtzeitig
einen Karriereplan zu präsentieren. „So
weiß er genau, was auf dem Spiel steht,
würde er sich für einen beruflichen
Wechsel in China entscheiden“, erklärt
der China-Experte. Doch solche Tipps
bleiben in vielen mittelständischen Un-
ternehmen ungehört. Teilweise lassen sie
Expats und ihre mitreisenden Familien
jahrelang warten, bis das Projekt endlich
starten kann. Doch belässt man die Be-
teiligten zu lange im Unklaren, wird man
kaum eine tragfähige Verbindung zum
Mutterhaus aufbauen, die in schwierigen
Projektphasen unabdingbar ist.
Umgekehrt entwickelt sich mancher
Berufsweg von Expats anders als erhofft.
Einige wollen als Berater reüssieren,
überschätzen jedoch die eigene Kompe-
tenz. „Wer stets in Konzernen gearbeitet
hat, wird tendenziell beratungsresistente
Mittelständler beim Eintritt in den chi-
nesischen Markt nicht beraten können“,
betont Sommer vom German Centre in
Shanghai. Das Schicksal, nach bitteren
Erfahrungen die Rückreise anzutreten,
wartet auf manchen Glücksritter. Kaum
hatte Voss Automotive den Verlust des
Werkleiters verdaut, scheiterte dieser
in seiner neuen Position. Frustriert und
ohne Job kehrte er nach Deutschland zu-
rück, erinnert sich Baumeister. „Ich kann
Expats nur davor warnen, alleine den ma-
teriellen Verlockungen zu erliegen.“
denn, man investiert in eine Unterneh-
menskultur, die Bindung schafft.“ Für
Voss Automotive heißt das etwa, dass
alle internationalen Mitarbeiter genauso
behandelt werden wie ihre deutschen
Kollegen. Wer sich je in China einen Ein-
druck verschafft hat, wird bestätigen,
wie weit viele Unternehmen von solchen
Zielen entfernt sind.
Ebenso schwer fällt vielen auch die
Auswahl und Vorbereitung ihrer Expats.
Mangels personellen Alternativen kommt
es bei der Auswahl zu teils bizarren Ver-
fahren, beobachtet die in Deutschland
und China tätige interkulturelle Traine-
rin Nan Li. Oft werde für die Entsendung
jemand von außen rekrutiert oder ein
Mitarbeiter vorgeschlagen, über dessen
Qualifikation man im Zweifel sei. „Es
wird sogar gelost.“
Doch für Expats, die nicht hinreichend
auf die in China gänzlich anderen Bedin-
gungen vorbereitet worden sind, betont
Jonas Polfuß, wissenschaftlicher Mitar-
beiter am Institut für Ostasienkunde der
Universität Münster und interkulturel-
ler Trainer, sind Probleme vorprogram-
miert. Chinesische Mitarbeiter erwarten
zum Beispiel eine völlig andere Füh-
rungs- und Kommunikationskultur. „Das
ist Anlass für Reibereien.“ Ebenfalls pro-
blematisch ist aus Sicht der Expats der
Zeitunterschied. „Morgens muss man mit
Ein herzlicher Empfang ist
deutschen Expats in China
sicher. Oft folgen verlockende
Übernahmeangebote.
© KOJI_ISHII / THINKSTOCKPHOTOS.DE
WINFRIED GERTZ
ist freier Journalist in
München
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