Personalmagazin 11/2016 - page 54

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personalmagazin 11/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
ORGANISATION
_ENTSENDUNG
über das Exportgeschäft. Insofern spie-
len exportnahe Dienstleistungen natur-
gemäß eine große Rolle. Den Schwer-
punkt bilden hier der Maschinen- und
Anlagenbau und das produzierende Ge-
werbe, zudem die Informationstechnolo-
gie. Aber auch alle Beratungsdienstleis-
ter zählen zu den großen Entsendern.
Sie müssen ihre Leistungen dem Kun-
den gegenüber vor Ort erbringen, dafür
ist spezialisiertes Personal erforderlich.
Über alle Branchen hinweg bildet die
Vertriebsfunktion einen Treiber für
Auslandsentsendungen. Dazu kommen
Entsendungen zur Besetzung von Ma-
nagementfunktionen in internationalen
Konzernen und solche zur Personalent-
wicklung. Diese machen übrigens nur
einen kleinen Teil der Entsendungen
insgesamt aus.
personalmagazin:
Wie entwickelt sich das
Entsendeverhalten? Geht der Trend Ihrer
Erfahrung nach weg von der traditionel-
len langfristigen Entsendung?
Boysen:
Bei den Entsendungen auf Ma-
nagementpositionen beobachte ich, dass
Unternehmen genauer als früher prüfen,
ob eine Position in einer ausländischen
Konzerngesellschaft mit einem Expatri-
ate oder mit einem Kandidaten vom lo-
kalen Arbeitsmarkt besetzt werden soll.
Derartige langfristige Mitarbeiterentsen-
dungen sind teuer, vor allem wegen der
zusätzlichen Aufwandsersatzleistungen
während des Aufenthalts im Gastland.
Hier ist ein stärkeres Kostenbewusstsein
der Unternehmen spürbar.
„Der komplexeste Prozess in HR“
INTERVIEW.
Die richtige Entsendungsstrategie ist eine Mischung aus Standards und
individuellem Vorgehen. Was es dabei zu beachten gilt und wo Fehlerquellen liegen.
personalmagazin:
Brauchen Unternehmen
eine „Entsendungsstrategie“?
Axel Boysen:
Meiner Meinung nach ist die
Mitarbeiterentsendung der einzige ech-
te internationale Personalprozess, von
einem Ende zum anderen Ende betrach-
tet. Planung und Durchführung gehö-
ren zu den komplexesten Prozessen im
Personalwesen überhaupt; das betrifft
sowohl die Berücksichtigung rechtlicher
Themen, als auch die Organisation der
praktischen Abwicklung. Die Fehleran-
fälligkeit ist extrem hoch und deren Aus-
wirkungen gefährden den geschäftlichen
Erfolg. Versäumnisse lassen sich häufig
nur zu einem hohen Preis korrigieren.
personalmagazin:
Wie sind die deutschen
Unternehmen hier aufgestellt?
Boysen:
Zwar ist das Problembewusst-
sein in der deutschen Wirtschaft für
die geschäftlichen und rechtlichen Ri-
siken von Arbeitnehmerentsendungen
in den vergangenen Jahren spürbar
gestiegen. Aber diese spezielle Materie
erfordert nicht nur rechtliches Know-
how, sondern auch Kenntnisse über die
tatsächliche behördliche Praxis, insbe-
sondere im Immigrationsrecht. Hinzu
treten Aspekte des Risiko- und Compli-
ancemanagements und ein Verständnis
von Prozessorganisation, um praktisch
handhabbare Lösungen zu erzielen.
personalmagazin:
Welches sind die häufigs-
ten Fehler im Entsendemanagement?
Boysen:
Nach meiner Erfahrung wird
das Erfordernis einer Arbeitserlaubnis
im Rahmen von Dienstreisen stark un-
terschätzt. In der Praxis wird leider zu
oft darauf vertraut, dass kurzfristige
Arbeitseinsätze im Ausland als „Dienst-
reisen“ handhabbar sind. Vielfach ist
hierfür aber eine Arbeitserlaubnis im
Zielland erforderlich. In vielen Ländern
hat zudem die behördliche Kontrolldich-
te enorm zugenommen. Heute interes-
sieren sich nicht mehr nur westliche
Industriestaaten sehr genau dafür, wer
sich zu Arbeitszwecken im Staatsgebiet
aufhält, ob der Aufenthalt an sich er-
laubt ist und ob gegebenenfalls Sozial-
versicherungsbeiträge, Personen- oder
Unternehmenssteuern vor Ort anfallen.
personalmagazin:
Welche Sektoren sind be-
sonders aktiv bei Auslandsentsendungen?
Boysen:
Deutschland erwirtschaftet fast
die Hälfte seines Bruttoinlandsprodukts
Das Interview führte
Katharina Schmitt.
DR. AXEL BOYSEN
ist Partner bei Frago-
men Global LLP.
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