48
        
        
          
            ORGANISATION
          
        
        
          _INTERNATIONALE PERSONALARBEIT
        
        
          personalmagazin  11/16
        
        
          N
        
        
          achdem er mitten in der
        
        
          Nacht von der Abwerbung
        
        
          des deutschen Werkleiters
        
        
          erfährt, nimmt Siegfried Bau-
        
        
          meister die nächste Maschine Richtung
        
        
          Fernost. Kaum im chinesischen Werk
        
        
          angekommen, ruft er die Belegschaft zu-
        
        
          sammen. „Unsere Kultur und unser Zu-
        
        
          sammenhalt stehen nicht auf dem Spiel,
        
        
          wenn Führungskräfte kündigen“, beru-
        
        
          higt er die aufgewühlten Chinesen. Das
        
        
          zu erfahren, erinnert sich der einstige
        
        
          Personalchef von Voss Automotive, lag
        
        
          den Beschäftigten besonders amHerzen.
        
        
          Inzwischen sind knapp 2.500 deut-
        
        
          sche Firmen in China vertreten. Abge-
        
        
          sehen von etwa einhundert Konzernen,
        
        
          so eine neue Statistik der Deutschen Au-
        
        
          ßenhandelskammer in Peking, entfällt
        
        
          der Löwenanteil auf mittelständische
        
        
          Betriebe, die einen riesigen Absatzmarkt
        
        
          erschließen wollen. Mit demAuftrag, das
        
        
          Geschäft in Gang zu setzen und mög-
        
        
          lichst schnell auszubauen, werden Fach-
        
        
          und Führungskräfte entsandt, die nach
        
        
          getaner Arbeit eigentlich wieder nach
        
        
          Deutschland zurückkehren sollen.
        
        
          Um sie ist im chinesischen Arbeits-
        
        
          markt ein erbitterter Wettstreit ent-
        
        
          flammt. „Erfolgreiche deutsche Expats
        
        
          bleiben oft nicht lange für ein Unterneh-
        
        
          men tätig“, sagt Isabel Wiedenroth, CEO
        
        
          von SinoGermanTrade.com. „Sie werden
        
        
          mit besseren Positionen und attraktiver
        
        
          Entlohnung abgeworben.“ Zwingende
        
        
          Voraussetzung: Anders als früher, muss
        
        
          man neben dem Fachwissen auch inter-
        
        
          kulturell sattelfest sein und Chinesisch
        
        
          Von
        
        
          
            Winfried Gertz
          
        
        
          Abgeworben im Reich der Mitte
        
        
          
            AUSBLICK.
          
        
        
          Deutsche Fach- und Führungskräfte mit guten Sprachkenntnissen sind in
        
        
          China gefragt. Viele Expats bleiben dort, denn die Übernahmeangebote sind attraktiv.
        
        
          sprechen. Schließlich scharren auch
        
        
          chinesische Mitbewerber, die exzellente
        
        
          Abschlüsse von deutschen Universitäten
        
        
          vorweisen können, bereits mit den Hu-
        
        
          fen, so Wiedenroth.
        
        
          Ingenieure sind besonders begehrt
        
        
          Wer in China als Fach- und Führungs-
        
        
          kraft die Marke „Made in Germany“
        
        
          repräsentiert, ist seit jeher angesehen.
        
        
          Dieser Nimbus wird durch den aktuel-
        
        
          len „Transformationsprozess“ zusätzlich
        
        
          verstärkt. Der Staat will seine Industrie-
        
        
          produktion nachhaltiger gestalten und
        
        
          setzt vermehrt auf automatisierte Ferti-
        
        
          gung. Deshalb kaufen chinesische Unter-
        
        
          nehmen zunehmend Hightech-Produkte
        
        
          aus Deutschland ein, beobachtet Oliver
        
        
          Prüfer, Leiter der HR-Abteilung in der
        
        
          Deutschen
        
        
          Auslandshandelskammer.
        
        
          „Begehrt sind Fach- und Führungskräfte
        
        
          aus Ingenieurwesen, Maschinen- und An-
        
        
          lagenbau, Informations- und Kommuni-
        
        
          kationstechnik sowie IT-Sicherheit, nicht
        
        
          zuletzt wegen einer zunehmenden Digita-
        
        
          lisierung der Produktion (Industrie 4.0).“
        
        
          Dass der Trend, deutsche Experts ab-
        
        
          zuwerben, sich in China und seinen An-
        
        
          rainern künftig weiter ausprägen wird,
        
        
          davon ist Christian Sommer, Geschäfts-
        
        
          führer des German Centre Shanghai, fel-
        
        
          senfest überzeugt. Als Beispiel verweist
        
        
          er auf einen zuvor für einen deutschen
        
        
          Chemiekonzern tätigen Experten, der
        
        
          inzwischen in einer chinesischen IT-Fir-
        
        
          ma für die Beziehungen zum deutschen
        
        
          Markt verantwortlich sei.
        
        
          Die Abwanderungswünsche ihrer
        
        
          Expats trifft die meisten deutschen Be-
        
        
          triebe tief ins Mark. Zwar sind noch die
        
        
          wechselwilligen Fach- und Führungs-
        
        
          kräfte gegenüber den wie geplant zu-
        
        
          rückkehrenden weit in der Minderzahl,
        
        
          wie auch Stefan Geiger, Geschäftsführer
        
        
          vom Chinaforum Bayern, betont. Vor
        
        
          allem bei namhaften Konzernen seien
        
        
          ihnen so gute Konditionen sicher, dass
        
        
          sie nur selten ihren Arbeitgeber verlas-
        
        
          sen. „Wer würde so eine komfortable Po-
        
        
          sition freiwillig räumen?“
        
        
          Doch imMittelstand sieht das ganz an-
        
        
          ders aus. „Können chinesische Konzerne
        
        
          dank ihrer Größe unzufriedenen Füh-
        
        
          rungskräften berufliche Alternativen
        
        
          in der Region anbieten“, sagt Oliver Lie-
        
        
          gel, Personalberater bei Ginkgo Search
        
        
          Partners in Peking, „sind Mittelständler
        
        
          deutlich stärker vom Verlust ihrer Ex-
        
        
          pats bedroht.“ Wie Liegel beobachtet,
        
        
          liebäugeln zwei Gruppen mit beruf-
        
        
          lichen Kurswechseln. Während Expats
        
        
          in den Dreißigern vor allem Aufgaben
        
        
          mit Entwicklungs- und Gestaltungs-
        
        
          potenzial reizen, übernehmen erfahrene
        
        
          Führungskräfte in den Fünfzigern bei
        
        
          organisatorischen Veränderungen, Ko-
        
        
          stensenkung und Personalabbau das
        
        
          Kommando. Die in wirtschaftlichen
        
        
          Krisen typischen Aufgaben seien für
        
        
          „erfolgsverwöhnte chinesische Füh-
        
        
          rungskräfte neu“, so Liegel.
        
        
          Unternehmenskultur als Bindeglied
        
        
          Warum auch immer Expats mit dem Ge-
        
        
          danken spielen, sich von ihrem Arbeit-
        
        
          geber zu verabschieden: Unternehmen
        
        
          sollten alles daran setzen, dass es erst
        
        
          gar nicht dazu kommt. „Man kann kaum
        
        
          verhindern, dass gute Leute abgewor-
        
        
          ben werden“, sagt Baumeister. „Es sei