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TITEL
_NEW WORK
personalmagazin 07/15
A
uf CIOs kommt viel Arbeit zu.
Das zentrale C-Level-Schlag-
wort im Jahr 2015 heißt „Di-
gitalisierung“: Zunehmend
mehr Geschäftsprozesse werden in IT-
Systemen abgebildet und über Prozess-
schritte miteinander gekoppelt. Bis zum
Jahr 2025 wird sich die Arbeitswelt 4.0
in vielen Branchen etabliert haben. Doch
der Weg dahin ist steinig. Insbesondere
in der Branche, die den digitalen Wan-
del begründet: Während der Fachkräf-
temangel in den meisten Branchen nur
langsam ankommt, ist er im IT-Sektor
bereits Realität. Sieben von zehn IT-Fir-
men wollen bis Ende 2015 mehr Mitar-
beiter beschäftigen als zu Jahresbeginn,
so die Studie „Recruiting Trends“ der
Universitäten Frankfurt und Bamberg.
Daher muss die Branche alles daran
setzen, Arbeitsbedingungen zu schaffen,
die genau auf die Bedürfnisse der Mitar-
beiter zugeschnitten sind. „Mehr noch
als in anderen Branchen muss im digi-
talen Umfeld die Ressource Mitarbeiter
künftig noch stärker in den Fokus von
HR rücken“, bestätigt Ursula Vranken
vom Institut für Personalentwicklung
(IPA) in Köln. Doch aktuell ist die Bran-
Von
Sonja Dietz
che von diesem Ziel weit entfernt: Jede
dritte Kündigung wird wegen schlechter
Mitarbeiterführung und fragwürdigem
People Management ausgesprochen.
Flache Hierarchien werden zum Chaos
Für Ursula Vranken kommt das nicht
von ungefähr, denn der Sektor steht
doppelt unter Druck. Die Unterneh-
men, denen es gelingt, sich am Markt
zu halten und zu wachsen, kämpfen
nicht nur mit Nachwuchssorgen, son-
dern auch mit der Schnelllebigkeit der
Branche. HR-Belange drohen angesichts
dieser Belastungen aus dem Blick zu
geraten. Ein Teufelskreis beginnt. Denn
ohne funktionierende Personalführung
kommt es unweigerlich zu Konflikten
und Unstimmigkeiten. Doch Vranken
hat auch Verständnis für dieses Dilem-
ma. „Woher soll das nötige HR-Know-
how kommen?“, fragt die Expertin, die
Unternehmen zu den Besonderheiten
und Herausforderungen der Personal-
führung in der IT berät. „Meist gehen
IT-Betriebe als Start-ups an den Markt,
feiern schnell große Erfolge und wach-
sen rasch“, zählt sie auf. Führungs-
kräfte und Unternehmenslenker bliebe
kaum Zeit, in ihre Managementrolle hi-
neinzuwachsen. „In der Gründerphase
entwickeln sich Aufgaben, Rollen, Ver-
antwortlichkeiten und Zuständigkeiten
von allein. Dementsprechend gibt es
keine oder nur flache Hierarchien. Ent-
scheidungen werden gemeinsam getrof-
fen. Jeder fühlt sich für alles verantwort-
lich“, resümiert Vranken. „Doch je mehr
Arbeitnehmer hinzukommen, droht
ohne klare Kommunikationsstrukturen
das Chaos.“
Wachstum bringt neue HR-Aufgaben
Arnold Nipper, Chief Technology Officer
der De-Cix Management GmbH mit Sitz
in Frankfurt und Köln, bestätigt das
aus der Sicht eines in den letzten Jah-
ren stark gewachsenen IT-Arbeitgebers.
Für ihn sind Vrankens Ausführungen
mehr als nur graue Theorie. Er hat in
der Praxis erlebt, was es bedeutet, wenn
die HR-Strukturen von der rasanten Ge-
schäftsentwicklung abgehängt werden.
Nippers Unternehmung, die er 1995
mit Harald A. Summa gründete, wickelt
einen großen Teil des globalen Peering-
Verkehrs über den weltweit größten und
verkehrsträchtigsten
Internetknoten
in Frankfurt ab. Internet-Knoten sind
Austauschpunkte für die Datenströme
des World Wide Webs, in denen Inter-
netdienstanbieter so zusammenge-
schlossen sind, dass sie Datenmassen
zwischen ihren Netzen austauschen
können. Zugunsten einer höheren und
schnelleren Übertragung.
Im Laufe der Zeit waren die Manage-
ment- und Personalführungsaufgaben
bei De-Cix mit der Vergrößerung der Be-
legschaft exponenziell angestiegen. Die
Verantwortlichen reagierten mit einer
Der lange Weg zur Führung 4.0
PRAXIS.
Die Schnelllebigkeit der Digitalisierung fordert besonders die IT-Branche. HR
bleibt da oft auf der Strecke. Wege aus diesem Teufelskreis fand die IT-Firma De-Cix.
„Anfangs entwickeln sich Aufgaben und Zuständig-
keiten von allein. Doch mit mehr Mitarbeitern droht
ohne klare Kommunikationsstrukturen das Chaos.“
Ursula Vranken, Geschäftsführerin IPA, Institut für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation