PERSONALquarterly 3/2015 - page 40

PERSONALquarterly 03/15
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NEUE FORSCHUNG
_WORK-LIFE-BALANCE
Der Forschungsstand erlaubt somit nur sehr bedingt, begrün-
dete Hypothesen für die Zielgruppe der Auszubildenden abzu-
leiten. Der vorliegende Beitrag versucht daher auf Basis einer
eigenen Studie, relevante Zusammenhänge zu identifizieren,
auf deren Basis weitere Forschungsarbeiten erfolgen können.
Aus vorangegangenen Studien (Deuer 2013a) ist bekannt, dass
zwischen der Wahrnehmung der eigenen Work-Life-Balance
und der Ausprägung einer Tendenz zur vorzeitigen Vertrags-
lösung ein negativer Zusammenhang besteht. Allerdings wur-
den die Auszubildenden hierbei lediglich um ein Globalurteil
gebeten. Solche Globalurteile sind zwar vergleichsweise einfach
zu erheben, sie gehen jedoch mit messtheoretischen Problemen
wie bspw. einer ungenügenden Reliabilität einher (vgl. Syrek,
Bauer-Emmel, Antoni, Klusemann 2011, S. 136).
Um relevante und belastbare Handlungsempfehlungen ab-
zuleiten, erscheint es daher geboten, diese Einschätzungen
differenzierter zu erheben. Aufgrund der genannten Einschrän-
kungen der Verfahren aus dem Bereich der Work-Life-Balance-
Forschung wurde auf das Modell der Gratifikationskrisen nach
Siegrist (1996) sowie die auf dieser Basis entwickelten Instru-
mente zurückgegriffen.
Das Konzept der Gratifikationskrisen nach Siegrist (1996)
thematisiert die Relation von erbrachten Leistungen und An-
strengungen einerseits und erfahrenen Belohnungen anderer-
seits. Hierbei geht es jeweils umdie Perspektive der Betroffenen,
deren Einschätzungen durch einen spezifischen Fragebogen
zur Erfassung beruflicher Gratifikationskrisen erhoben wer-
den können. Grundannahme des Modells ist das Prinzip der
sozialen Reziprozität, welches den wechselseitigen Austausch
des Gebens und Nehmens in sozialen Beziehungen beschreibt.
Work-Life-Balance und Effort-Reward-Imbalance
Das Modell einer Work-Life-Balance und das Modell der Grati-
fikationskrisen (Effort-Reward-Imbalance) nach Siegrist (1996)
weisen einige Gemeinsamkeiten auf. Beide Konzepte gehen da-
von aus, dass eine gewisse Ausgewogenheit bzw. Reziprozität
erstrebenswert ist. Das Konzept der Work-Life-Balance stellt
verschiedene Lebensbereiche (Arbeit vs. Privatleben) in einen
Zusammenhang. Das Modell der Gratifikationskrisen bezieht
sich dagegen ausschließlich auf die Arbeitssituation und stellt
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Die Zahl der Ausbildungsabbrüche verharrt seit Jahren auf hohem Niveau
und die von Betroffenen genannten Gründe liegen überwiegend im betrieblichen Kontext.
Sind die Jugendlichen überfordert oder liegt es daran, dass ihre Anstrengungen nicht hinrei-
chend belohnt werden? Gibt es relevante Frühwarnsignale?
Methodik:
Fragebogenerhebung an Berufsschulen zur wahrgenommenen Work-Life-Balance
und zu verschiedenen Belastungs- und Belohnungsfaktoren im Kontext der Berufsausbildung.
Praktische Implikationen:
Defizite im Ausbildungsalltag werden sichtbar und eröffnen
Handlungspotenziale.
die hiermit verbundenen Belohnungen und Belastungen in ei-
nen Zusammenhang.
Die Dimensionen „Work“ und „Effort“ sind hierbei weit-
gehend vergleichbar, denn Arbeit ist mit Anstrengung und
Belastungen verbunden, wie es auch die Effort-Komponente
des Gratifikationskrisenmodells beschreibt. Schwieriger ist
ein Vergleich der Dimensionen „Life“ und „Reward“. Während
die Belohnungskomponente des Gratifikationskrisenmodells
ausdrücklich Aspekte der Arbeitssituation selbst thematisiert,
zielt die Life-Komponente ausdrücklich auf die Zeit und die He-
rausforderungen, die außerhalb der Arbeitswelt bzw. Arbeits-
zeit zu verorten sind (Abb. 1). Dies bringt auch methodische
Einschränkungen mit sich, da es sehr viel schwieriger ist,
sämtliche relevanten privaten Aspekte hinreichend zu erfas-
sen, als entsprechende Belohnungsfaktoren im Arbeitskontext
selbst zu erheben.
In diesem Sinne eignet sich das Gratifikationskrisenmodell
für eine empirische Erhebung, zumal hier bereits umfangreich
getestete Fragebogeninventare vorliegen (vgl. Siegrist et. al.
Abb. 1:
Reziprozitätsmodelle
Work-Life-Balance
Arbeit als Belastung
Ausgleich außerhalb der
Arbeitswelt
Effort-Reward-Imbalance
Arbeit als Belastung
Ausgleich innerhalb der
Arbeitswelt
Quelle: Eigene Darstellung
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