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PERSONALquarterly 03/15
NEUE FORSCHUNG
_MITARBEITERBINDUNG
N
icht wenige Unternehmen sehen der zukünftigen
Arbeitsmarktentwicklung mit Sorge entgegen und
befürchten zunehmende Schwierigkeiten bei der
Besetzung offener Stellen. Zudem steht es den ar-
beitsvertraglich bereits gebundenen Mitarbeitern stets frei,
nach Alternativen Ausschau zu halten. Ihre Mitwirkungs- und
Kooperationsbereitschaft muss daher immer wieder aufs Neue
gewonnen werden. Deshalb sind die Senkung der mitarbeiter-
seitigen Kündigungsabsicht und der Fluktuation die vornehm-
lichen Ziele des Retention Managements.
Duales Studium
Um sich unabhängiger von externen Arbeitsmarktentwick-
lungen zu machen und Schlüsselpositionen intern besetzen
zu können, nutzen Unternehmen neben der traditionellen
Berufsausbildung zunehmend auch duale Studiengänge zur
Ausbildung potenzieller Fach- und Führungskräfte. Das duale
Studienkonzept sieht hierbei wechselnde Theorie- und Pra-
xisphasen für die Studierenden im dreimonatigen Rhythmus
sowie eine enge Kooperation zwischen Hochschule und den
Partnerunternehmen vor. Die Unternehmen wählen ihre Stu-
dierenden selbst aus, schließen mit ihnen einen Ausbildungs-
vertrag und bieten während des Studiums eine fortlaufende
Vergütung (Huf, 2004; Kramer u. a., 2011). Der Ursprung des
dualen Studiums liegt mit der Gründung der ersten „Berufs
akademie“ 1974 in Baden-Württemberg. Diese firmiert heute
als „Duale Hochschule Baden-Württemberg“ (DHBW) und hat
sich zwischenzeitlich mit rund 34.000 Studierenden zur größ-
ten Hochschule des Landes entwickelt. In Kooperation mit über
9.000 Unternehmen werden Bachelor- und Masterstudiengän-
ge angeboten. Darüber hinaus können zwischenzeitlich nicht
nur in Baden-Württemberg, sondern im gesamten Bundesge-
biet duale Studiengänge an Berufsakademien und Hochschu-
len absolviert werden.
Das betriebliche Engagement in dualen Studiengängen zahlt
sich allerdings erst dann aus, wenn es den Unternehmen ge-
lingt, die Mitarbeiter auch nach dem erfolgreichen Studienab-
Mitarbeiterbindung im Rahmen
dualer Studiengänge
Von
Prof. Dr. Petra Hardock
und
Prof. Dr. Stefan Huf
(Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart) gemeinsam mit Studierenden des
Kurses WIN11C der DHBW Stuttgart
1
schluss an sich zu binden. Schließlich entstehen die Kosten der
Ausbildung unmittelbar während dieser, wohingegen sich der
Nutzen erst vollumfänglich durch den längerfristigen Einsatz
der Mitarbeiter nach dem Ausbildungsende einstellt (Schönfeld
u. a., 2010). Das Ziel der internen Besetzung von Fach- und Füh-
rungsfunktionen durch selbst ausgebildete, duale Hochschul-
absolventen wird nur erreicht, wenn im Rahmen des Retention
Managements die eigenen Absolventen dualer Studiengänge
über das Studienende hinaus gebunden werden können.
Der Beitrag fragt daher danach, inwiefern es denUnternehmen
gelingt, die dual Studierenden an sich zu binden, bzw. wie hoch
die Gefahr ist, dass diese das Unternehmen nach erfolgreichem
Abschluss des Studiums verlassen. Die empirische Ermittlung
der Bindungsintensität erfolgt exemplarisch in den Studiengän-
gen „BWL-Industrie“ und „BWL-International Business“ der
DHBW Stuttgart auf der Basis des in der Fluktuationsforschung
entwickelten Einbettungsansatzes (Lee/Burch/Mitchell, 2014),
der mittlerweile eine dominante Rolle in diesem Forschungs-
gebiet einnimmt (Allen/Hancock/Vardaman/McKee, 2014).
Während die traditionellen Ansätze der Fluktuationsforschung
wie die Anreiz-Beitrags-Theorie (March/Simon, 1958, S. 112-
125), das Verkettungsmodell (Mobley, 1977) oder das Pfadmodell
(Lee/Mitchell, 1994) primär bestrebt sind, die Ursachen für das
Verlassen des Unternehmens zu ermitteln („Push-Faktoren“),
fragt der Einbettungsansatz danach, warum Mitarbeiter im Un-
ternehmen verbleiben („Pull-Faktoren“) (Mitchell/Holtom/Lee/
Sablynski/Erez, 2001). Da in unserem Fall die Gründe für den
Verbleib im Zentrum stehen, bietet sich der Einbettungsansatz
eher als die traditionellen Fluktuationstheorien als theoretische
Basis für die empirische Ermittlung des Bindungsausmaßes du-
al Studierender an ihr Ausbildungsunternehmen an.
Einbettungsansatz der Fluktuationsforschung
Gemäß der Einbettungstheorie verbleiben Mitarbeiter beimAr-
beitgeber aus beruflichenwie auch aus privaten Gründen. Denn
schließlich bringt die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
nicht nur berufliche Veränderungen mit sich, sondern kann
auch Auswirkungen auf die private Lebensführung haben. Die
Einbettung der Mitarbeiter hat mithin eine arbeitsplatz- bzw.
unternehmensbezogene Dimension (On-the-Job-Einbettung)
1 Wir danken folgenden Studierenden für ihren Beitrag: Markus Arnold, Samantha Blaeß, Daniel Brink-
hoff, Judith Faber, Christopher Figel, Alexander Haun, Max Häuser, Katharina Heinrich, Carina Jauch,
Andreas Kaupp, Lisa-Sophie Kielwein, Robin Kürschner, Philipp Lunemann, Julia Michel, Sibylle
Näßler, Julia Peszold, Nadine Rahm, Eileen Rozek, Lolita Sauer, Anneke Schmidt.