PERSONALquarterly 3/2015 - page 27

03/15 PERSONALquarterly
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werden unterschiedliche Ursachen zum Teil kontrovers disku-
tiert. Dabei kristallisieren sich vor allem zwei zentrale Erklä-
rungsansätze heraus:
(1) Viele Praktiker sind schlichtweg nicht informiert über
die derzeitigen wissenschaftlichen Befunde („Wissenslücken“;
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Die Kluft zwischen Forschung und Praxis wird auch im Personalwesen
bemängelt: Vor diesem Hintergrund wurde untersucht, wie gut Personalmanagerinnen und
-manager die Vorhersagegüte von Personalauswahlinstrumenten einschätzen können und ob
ihnen Studierende diesbezüglich überlegen sind.
Methodik:
Es wurde eine 5-minütige Online-Befragung von 1.049 Studierenden und 97
Personalmanagerinnen und -managern durchgeführt.
Praktische Implikationen:
Zur Überbrückung der Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis
in der Personalauswahl muss bereits bei der Ausbildung zukünftiger Entscheidungsträger
angesetzt werden.
vgl. z.B. Dakin/Armstrong, 1989; Rynes/Colbert/Brown, 2002).
(2) Viele Praktiker sind informiert, wenden die derzeitigen
wissenschaftlichen Ergebnisse allerdings nicht an („Umset-
zungslücken“, vgl. z.B. Gelade, 2006; König/Klehe/Berchtold/
Kleinmann, 2010; Terpstra/Rozell, 1998).
Für den Erklärungsansatz des fehlgeschlagenen Wissens­
transfers zwischen akademischer Welt und Praxis und einem
daraus resultierenden faktischen Unwissen der Anwender in
der Praxis spricht, dass sich kaum Korrelationen zwischen
den Validitätseinschätzungen durch Personalmanager(-innen)
und den tatsächlichen Validitätsmessungen der Wissenschaft
nachweisen lassen (Ahlburg, 1992; Dakin/Armstrong, 1989;
Furnham, 2008). Ferner zeigt sich, dass viele Praktiker kaum
wissenschaftliche Fachzeitschriften lesen und somit über der-
zeitige wissenschaftliche Erkenntnisse gar nicht informiert
sein können (Rynes et al., 2002). Ein Mangel an Zeit oder die
erschwerte Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Artikeln für
Nichtwissenschaftler können hierfür Erklärungen darstellen
(Cohen, 2007; Rynes et al., 2002).
Für die Argumentation der „Umsetzungslücken“ spricht,
dass viele Praktiker schlicht die Glaubwürdigkeit, Relevanz
und Praktikabilität wissenschaftlicher Ergebnisse in Frage
stellen (Cascio/Aguinis, 2008; Terpstra/Rozell, 1998). So se-
hen die meisten Praktiker ihre relevanten Fragen durch die
wissenschaftliche Forschung nicht beantwortet, und es fehlt
ihnen an Anwendungsmöglichkeiten der dargestellten wissen-
schaftlichen Befunde (Gelade, 2006; Terpstra/Rozell, 1998).
Ferner trägt das verbreitete wissenschaftliche Erfolgspara-
digma, möglichst häufig in hochrangigen englischsprachigen
Wissenschaftszeitschriften zu publizieren, aber seltener in
deutschsprachigen Praxiszeitschriften, zu einer methoden- an-
statt themen- oder problemorientierten Forschung bei und da-
mit zu Verständnisschwierigkeiten auf Seiten von Praktikern
(Gelade, 2006; Rynes et al., 2002).
Können Studierende als Mittler zwischen Wissenschaft und
Praxis fungieren?
Aufgabe der Wissenschaft ist es auch, Lösungen zur Überwin-
dung der beschriebenen Kluft zu diskutieren und im besten
Fall sogar anzubieten. Zahlreiche Autoren betonen diesbe-
Abb. 1:
Einsatzhäufigkeit und Validität verschiedener
Instrumente der Personalauswahl
Quelle: Eigene Darstellung
Mittelwerte über verschiedene wissenschaftliche Studien berechnet
Eine Aufstellung der Referenzen, welche als Datengrundlage für Abb. 1 dienen,
ist bei den Autoren erhältlich.
Fachwissenstest
Arbeitsprobe
Assessment Center
Unstrukturiertes Interview
Persönlichkeitstest
.51
26%
.47
34%
.47
31%
.38
61%
.27
19%
.12
Intelligenztest
Strukturiertes Interview
20%
.56
60%
Validität
Einsatzhäufigkeit
1...,17,18,19,20,21,22,23,24,25,26 28,29,30,31,32,33,34,35,36,37,...60
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