PERSONALquarterly 3/2015 - page 22

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PERSONALquarterly 03/15
SCHWERPUNKT
_ANREIZ & VERGÜTUNG
Z
u Beginn des Jahres 2014 stand die regionale Bäckerei-
Kette Brotmeister GmbH
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vor ernsthaften Schwierig-
keiten. Zwar hatte sie als Antwort auf den Eintritt von
Aldi und Lidl in den Markt für frische Backprodukte
eine Qualitätsstrategie durchgeführt – die Qualität der Produkte
wurde gesteigert und die Filialen wurden renoviert. Die Qualität
des Services aber war unverändert verbesserungswürdig. In Ko-
operation mit einem Forscherteam der Goethe-Universität und
der Universität zu Köln wurde ein Teambonus in einem Pilot-
projekt eingeführt. Die Resultate sind erfreulich: Die Teamboni
führten sowohl zu einer Steigerung der Umsätze und Gewinne
des Unternehmens als auch zu einem Anstieg der Gehälter.
Die Backbranche und der Markteintritt von Aldi und Lidl
„Deutsches Brot ist nicht nur weltweit beliebt, sondern auch in
seiner Vielfalt einzigartig. Im Bäckerhandwerk, das die Vielfalt
und Qualität des deutschen Brotes über die Jahrhunderte ent-
wickelt und bewahrt hat, leben die alten Traditionen auch heu-
te noch fort (…). Die Weitergabe des Wissens von Generation
zu Generation vom Meister und Gesellen zum Lehrling lassen
lebendige Traditionen bestehen und kreative Neuschöpfungen
entstehen.“
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Dieses Statement, das die große Bedeutung des „Brotes“ in
Deutschland hervorhebt, ist die Begründung der UNESCO für
die Aufnahme des deutschen Brotes auf die Liste der „immateri-
ellen UNESCO Kulturgüter“. Das deutsche Bäckereihandwerk,
der wichtigste Produzent des „Kulturgutes“, erlebte dagegen
in den vergangenen Jahren zwei nachhaltige Veränderungen
des Marktes. Zunächst wurden in den 1980ern viele traditio-
nelle kleine Handwerksbetriebe vom Markt gedrängt und es
entstanden regionale Bäckereiketten, die oft hunderte Filialen
besitzen. Im Jahr 2011 erlebten die bis dato 12.000 deutschen
Bäckereien eine erneute Zäsur: Aldi und Lidl begannen mit
dem Verkauf von frischen Backwaren in ihren mehr als 6.000
Filialen. Der Verkauf von frischen Backwaren war für die bei-
den Discounter ein voller Erfolg und eine Vielzahl von Konsu-
menten kaufte das „tägliche Brot“ seither bei einem der beiden
Einzelhändler – und nicht mehr bei den etablierten Bäckereien.
Auch Brotmeister, eine regionale Bäckereikette, war stark
von den Veränderungen des Marktes betroffen – was nicht ver-
Teamboni: Wie man Gewinn und Gehälter
mit dem gleichen Instrument erhöhen kann
Von
Prof. Guido Friebel, Ph.D.
(Goethe-Universität Frankfurt),
Jun.-Prof. Dr. Matthias Heinz
(Universität zu Köln) und
Prof. Nick Zubanov, Ph.D.
(Goethe-Universität Frankfurt)
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wunderlich ist, da der nächstgelegene Aldi oder Lidl im Schnitt
lediglich einen Kilometer (!) von jeder Bäckerei des Unterneh-
mens entfernt ist. Da Brotmeister – ähnlich wie viele andere
regionale Bäckereiketten – mit den Preisen der Discounter nur
schwer mithalten konnte, antwortete die Firma mit einer Qua-
litätsstrategie, um das „Shopping-Erlebnis“ für die Kunden zu
steigern: Die Qualität der Backwaren wurde gesteigert, Filialen
renoviert und das Angebot an Fast Food ausgeweitet.
Ein wichtiger Teil der neuen Qualitätsstrategie war auch
die Steigerung der Service-Qualität. Während die Mitarbeite-
rinnen
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und Mitarbeiter im Verkauf in der Vergangenheit eine
eher passive Rolle eingenommen hatten, war nun das Ziel von
Brotmeister, die Kundenorientierung im Service (z. B. über
Freundlichkeit, Anbieten von zusätzlichen Produkten) zu stei-
gern. Brotmeister versuchte zunächst, die Servicequalität mit
Mitarbeiterschulungen und der Einstellung von qualifizierte-
rem Personal zu steigern – mit geringem Erfolg.
Der Teambonus
Wie aber lassen sich die Service-Qualität und damit auch die
Umsätze in den Filialen steigern? Brotmeister entschloss sich,
den Mitarbeiterinnen, die bisher einen fixen Lohn für ihre Ar-
beit erhielten, finanzielle Anreize zu einer Steigerung der Leis-
tung zu geben. Bei der Gestaltung des neuen Anreizsystems fiel
die Wahl auf einen Teambonus und gegen einen individuellen
Bonus – und das aus gutem Grund: Der Job der Mitarbeite-
rinnen in den Filialen war eine „klassische Teamaufgabe“. Die
Mitarbeiterinnen hatten eine Vielzahl an Aufgaben (z. B. die
Bedienung der Kunden, Sauberhalten der Verkaufstheke, Auf-
bereitung der Backwaren), die Zuteilung der Aufgaben wech-
selte je nach Tageszeit und Anzahl der Kunden, und ständige
gegenseitige Unterstützung unter den Kolleginnen war wichtig.
Abbildung 1 zeigt den Teambonus, den Brotmeister in sei-
nen Filialen einführte. Jede Filiale hatte monatliche Umsatz-
ziele, deren Höhe bereits Monate vor dem Beschluss über die
1 Der Artikel basiert auf dem Forschungspapier „Team Incentives and Performance: Evidence from a Re-
tail Chain“ von Guido Friebel, Matthias Heinz, Miriam Krüger und Nick Zubanov (Friebel et al., 2015).
2 Um die Anonymität des Unternehmens zu wahren, wurde der Name der Bäckereikette in diesem
Artikel in „Brotmeister“ geändert.
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deutsche-brotkultur.html
4 Nahezu alle Beschäftigten in den Bäckereien von Brotmeister sind weiblich. Dennoch wird in der
Regel von „Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ gesprochen.
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