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PERSONALquarterly 03/15
SCHWERPUNKT
_ANREIZ UND VERGÜTUNG
V
or drei Jahren widmete sich die PERSONALquar-
terly Ausgabe 4/2012 dem Schwerpunkt „Evidence
Based Management“. Biemann, Sliwka und Weck-
müller argumentierten, dass die Personalwirt-
schaftslehre traditionell „eher rein normativ als empirisch“
geprägt gewesen sei mit nur geringem Austausch zwischen
den Denkschulen der klassischen Personalökonomie und der
Verhaltenswissenschaft. In der Zwischenzeit sei dieser Gegen-
satz – zumindest teilweise – entschärft durch die vermehrte
Verfügbarkeit von praxisrelevanten empirischen Studien. Die-
ser Erkenntnisgewinn führte zu einer Professionalisierung von
Personalentscheidungen, indem diese weniger nach „Gefühl“,
sondern verstärkt evidenzbasiert getroffen werden. Wir begrü-
ßen diese Entwicklung innerhalb der Personalwirtschaft und
gehen noch einen Schritt weiter: Um gerade komplexe perso-
nalwirtschaftliche Fragen umfassend zu adressieren, reicht es
in der Regel nicht, auf eine Form von Daten zurückzugreifen.
Wenn der Einfluss von personalpolitischen Maßnahmen auf
den Unternehmenserfolg untersucht wird, gibt es drei über-
geordnete Fragestellungen, die beantwortet werden sollten:
Zuerst gilt es zu verstehen, nach welchem Mechanismus sich
Menschen in Arbeitssituationen verhalten – oder anders aus-
gedrückt, ob eine Maßnahme Auswirkungen auf das Verhalten
vonMitarbeitern hat. Zweitens muss verstanden werden, welche
Bedeutung der Maßnahme zuzuschreiben ist, um zu verstehen,
ob der Maßnahme tatsächlich praktische Relevanz beizumessen
ist. Drittens sollte die Relevanz von Maßnahmen in Marktsitua-
tionen, also unter realistischen Bedingungen, getestet werden.
Um die formulierten Ziele zu erreichen, bietet es sich an,
verschiedene Methoden zu kombinieren: Formale Theorie-
bildung steht am Anfang von Forschungsprojekten, um eine
Ex-post-Rationalisierung von Resultaten zu vermeiden. Em-
pirische Laborstudien erlauben es, die Wirklichkeit unter
kontrollierten Bedingungen zu simulieren. Da auf diese Weise
simultan auftretende Einflussfaktoren eliminiert werden kön-
nen, eignen sich Laborexperimente, um kausale Zusammen-
hänge zu identifizieren. Allerdings können diese Ergebnisse
unter der künstlichen Umgebung in Laboren leiden, wodurch
es gegebenenfalls zu einer Verzerrung der Ergebnisse kommt.
Um die Relevanz von Maßnahmen in Marktsituationen valide
Behavioural Incentives – Alternativen zu
Pay-for-Performance-Anreizen
Von
Prof. Dr. Florian Englmaier
(LMU München) und
Dr. Thomas Kolaska
(Towers Watson Deutschland)
bewerten zu können, sollte, wo immer möglich, auf Quasi-Expe-
rimente zurückgegriffen werden, um Felddaten mit exogenen
Veränderungen zu gewinnen. Ergänzen sollten den Metho-
denmix großzahlige Beobachtungsdaten, bspw. aus Umfragen,
die zwar in der Regel keine kausalen Aussagen zulassen, die
jedoch wichtig sind, um Korrelationsmuster in den Praktiken
von Firmen zu erkennen.
Neue Erkenntnisse zu Reziprozität
Besondere Relevanz hat die konsequente Anwendung dieses
Methodenmixes bei der Analyse neuerer verhaltensökono-
mischer Ansätze in der Personalforschung: In zahlreichen
Überblicksstudien wurden systematische Abweichungen von
den Vorhersagen des neoklassischen Modells dokumentiert.
Formale, behavioralistische Modellbildung brachte dabei un-
terschiedliche theoretische Erklärungsansätze hervor, welche
in experimentellen Laborstudien verfeinert und validiert sowie
in Feldstudien auf ihre „Markttauglichkeit“ geprüft wurden. In-
spiriert von diesen Ergebnissen fand eine Weiterentwicklung
der Theoriebildung statt und neue Survey-gestützte Studien
zeigen Muster im HR-Management von Firmen.
Im Folgenden geben wir einen praxisnahen Überblick über
neue theoretische sowie empirische Erkenntnisse der Mitar-
beitermotivation durch „Gift Exchange“. Der Fachbegriff „Gift
Exchange“ steht hierbei für positiv reziprokes Verhalten zwi-
schen Firma und Mitarbeiter: Im Vertrauen auf künftig hohen
Arbeitseinsatz durch den Mitarbeiter geht der Arbeitgeber mit-
tels einer Erhöhung der Vergütung oder anderweitiger Benefits
in Vorleistung und bereitet demMitarbeiter auf diese Weise ein
Geschenk (Gift). Dieser, hierdurch intrinsisch motiviert, zahlt
das Geschenk durch hohen Leistungseinsatz zurück („Gift Ex-
change“). Das Konzept wurde maßgeblich vom späteren Nobel-
preisträger George Akerlof geprägt (Akerlof, 1982).
In zahlreichen Laborexperimenten, in denen diese Situation si-
muliert und dabei das Verhalten der Mitarbeiter beobachtet wur-
de, konnte nicht nur gezeigt werden, dass ein substanzieller Teil
der Teilnehmer der Experimente auf derartige Motivierung posi-
tiv reagiert. In vielen Fällen wurden durch Anreizsetzung mittels
„Gift Exchange“ Überschüsse erwirtschaftet, von denen sowohl
die Firma als auch deren Mitarbeiter profitierten. Die Entwick-