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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 03/15
in den Landesbanken besonders groß waren, die direkt von
staatlichen Institutionen gesteuert wurden. Wir wissen auch,
dass dort Bonuszahlungen eine geringere Rolle gespielt haben
als in den nichtstaatlichen Banken. Kann man daraus nicht ab-
leiten, dass die Bonussysteme nicht der wesentliche Verursacher
der Krise gewesen sein können?
Harald Hau:
Die Unterschiede in den Entlohnungssystemen von
Landesbanken zu anderen Banken sind eher gering. Das Bei-
spiel der Landesbanken verweist eher auf die toxische Alli-
anz von Politik und Banken. Dieses Problem wird von den
Wirtschaftsweisen schon seit Jahrzehnten angeprangert ohne
politische Konsequenzen. Die Geschichte des Versagens der
Landesbanken ist viel älter als die heutiger Bonussysteme.
PERSONALquarterly:
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Jean Tirole
argumentiert in einer Arbeit mit Roland Bénabou zur „Bonus-
kultur“, dass Unternehmen im Wettbewerb um die besten Köpfe
auf hohe Bonuszahlungen setzten, da sie nur so sicher sein
können, dass sie auch gute Leute holen können. Die Autoren
zeigen in einem spieltheoretischen Modell, dass staatliche Bo-
nusbegrenzungen hier wohlfahrtsverbessernd sein können, weil
der Wettbewerb um Talente zu exzessiv hohen Bonuszahlungen
führen kann. Wie relevant ist dieses Argument im Bankenbe-
reich? Liefert es eine gute Begründung für Bonusgrenzen?
Harald Hau:
Die Verallgemeinerungsfähigkeit solcher spiel-
theoretischer Modelle ist zweifelhaft: Deren sehr spezifische
Annahmen sind in der Regel nicht empirisch verifizierbar. Poli-
tikempfehlungen lassen sich daraus nicht ableiten, was vermut-
lich auch nicht im Sinne der Autoren ist.
Die besseren Anhaltspunkte liefert vermutlich die Wirtschafts-
geschichte und die Wachstumstheorie: Talentwettbewerb ist
hier in der Regel etwas Gutes. Wirtschaftswachstum basiert
auf Innovationen oft weniger sehr talentierter Menschen. Wer
sich die langfristigen negativen Folgen einer Einschränkung
des Talentwettbewerbs verdeutlichen will, der braucht nur auf
den Zustand der Universitäten in Deutschland zu schauen,
wo der Talentwettbewerb (verglichen mit den USA) lange Zeit
nur sehr eingeschränkt zur Wirkung kam. Deutsche Universi-
täten hatten ja früher fast keinerlei Freiheit, die Lohnanreize
ihrer verbeamteten Professoren selbst zu gestalten mit weitrei-
chenden negativen Konsequenzen für das gesamte deutsche
Hochschulsystem. Vor einer Einschränkung von Talentwett-
bewerb kann man daher nur warnen. Im Voraus ist es zudem
niemals klar, wo Talente ihre umfangreichste Wertschöpfung
entfalten – möglicherweise auch und gerade im Bankensektor.
PERSONALquarterly:
Nur eine Zwischenanmerkung: Hier hat sich
in den letzten Jahren sehr viel getan. Universitäten können
sehr wohl mittlerweile durchaus erheblich flexibel auf Markt-
gegebenheiten reagieren – der Wettbewerb um Talente ist in der
deutschen Hochschullandschaft in vollem Gange. Aber zurück
fentliche Bankenaufsicht. Beide gibt es auf dem Papier, aber
nicht in der Realität. Der bekannte Banker Josef Abs hat das
mal so auf den Punkt gebracht: Was ist der Unterschied zwi-
schen einem Aufsichtsrat und einer Hundehütte? Antwort: Die
Hundehütte ist für den Hund und der Aufsichtsrat für die Katz!
In einem Automobilkonzern zum Beispiel kann der Aufsichts-
rat durchaus seine wichtige Kontrollfunktion durchführen,
falls er mit kompetenten und unabhängigen Managern besetzt
ist. Anhand weniger Kennziffern lässt sich der Erfolg wichtiger
neuer Automodelle abbilden. Das Bankgeschäft ist in der Regel
viel undurchsichtiger und Misserfolg kann immer leicht durch
höheres Risiko verschleiert werden. Aufsichtsratsmitgliedern
fehlen in der Regel die nötigen internen Informationen, um ih-
re legale Kontrollfunktion wirklich wahrzunehmen. Besonders
in den Landesbanken wurden Aufsichtsratsposten zudem an
Leute vergeben, denen es an Finanzkompetenz fehlte. Wenn
den Aufsichtsratsmitgliedern ein hinreichender Einblick in das
Bankgeschäft verwehrt bleibt, kann man auch nicht erwarten,
dass diese zur Optimierung von Anreizsystemen beitragen.
Das gleiche Informationsdefizit erstreckt sich auf die öffentliche
Bankenaufsicht, wobei das Problem hier noch gravierender ist:
Zum Beispiel fehlen der deutschen Bankenaufsicht (BAFIN)
die relevanten Informationssysteme, hinreichend qualifizierte
und motivierte Mitarbeiter und auch die notwendige politische
Unabhängigkeit, um effektive Bankenaufsicht wahrzunehmen.
Bankenaufsicht gibt es auch nach der Finanzkrise hauptsäch-
lich auf dem Papier, was den Banken keineswegs missfällt.
Die Europäisierung und Zentralisierung der Bankenaufsicht in
Frankfurt im neuen „Single Supervisory Mechanism“ (SSM)
wird an der strukturellen Inkompetenz der Bankenaufsicht
nichts Grundlegendes ändern. Allein eine vollkommene Trans-
parenz- und Offenlegungspflicht der Banken hinsichtlich aller
Aktiva in ihrer Bankbilanz würde einen qualitativen Fortschritt
bringen. Und damit meine ich nicht die Aufhebung des Bankge-
heimnisses im üblichen Wortsinn. Das Bankgeheimnis bezieht
sich auf die Geheimhaltung der Einlagen von Bankkunden, da-
her auf die Passiva der Bankbilanz. Wovon ich rede, ist ein ganz
anderes Bankgeheimnis, nämlich wie die Bank das Geld ihrer
Kunden investiert. Welchen Unternehmen gibt die Bank Kredit?
Wie viel des Unternehmenskredits konzentriert sich auf ein
einzelnes Unternehmen? Wie viele griechische Staatsanleihen
hat die Bank gekauft? Dieses „Bilanzgeheimnis“ ist viel weni-
ger schützenswert als das eigentliche Bankgeheimnis. Seine
Offenlegung ist geradezu Voraussetzung für mehr Finanzstabi-
lität und einer systemischen Analyse von Risiko. Leider gibt es
hier kaum regulative Fortschritte zu vermelden. Dabei erlaubt
moderne Datenverarbeitung eine einfache und kosteneffiziente
vollständige Offenlegung aller Bilanzaktiva einer Bank.
PERSONALquarterly:
In deiner eigenen Forschung findest du Evi-
denz, dass die Probleme der Finanzkrise in Deutschland gerade