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03/15 PERSONALquarterly
SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly:
Bonussysteme werden oft verantwortlich
gemacht für die exzessive Risikoaufnahme vor der Finanzkrise.
Was sagt die empirische Forschung zu der Frage? Haben uns die
Bonuspläne in die Finanzkrise gestürzt oder sind sie zumindest
mit verantwortlich für die Probleme der Banken?
Harald Hau:
Die ehrliche Antwort auf diese Frage ist: Wir wissen
es nicht. Wenn ein Flugzeug abstürzt, wird alles unternommen,
um der Ursache auf den Grund zu gehen. Alle verfügbaren
Daten werden erhoben und eine Expertengruppe unternimmt
eine Untersuchung, um die Ursache zu finden. Für die Finanz-
krise hätte eine vergleichbare Anstrengung bedeutet, dass man
die relevanten Daten zu Bonuszahlungen und Risikopositionen
der Banken systematisch zusammenstellt und aufarbeitet, was
aber nicht erfolgt ist.
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PERSONALquarterly:
Deine neueste Veröffentlichung basiert aber
doch auf der Auswertung umfangreicher Gehaltsdaten von
66 Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Was
können wir aus dieser Analyse lernen?
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Harald Hau:
Unsere empirische Studie konzentriert sich auf den
Ertrag und das Risiko im Eigenhandel der Banken, der aller-
dings nicht der Auslöser der Finanzkrise war. Wir waren hier
ausnahmsweise in der Lage, die Gehaltsstruktur der Mitarbeiter
dieser Bankabteilungen genau zu messen und mit dem erwirt-
schafteten Gewinn und Risiko zu vergleichen. Die Analyse zeigt,
dass ein höherer Bonusanteil sowohl mit höheren Erträgen als
auch mit höherem Risiko einhergeht. Unter bestimmten Annah-
men können wir ebenfalls zeigen, dass dieser Zusammenhang ein
kausaler ist: Stärkere Bonusanreize führen zu höheren Handels-
gewinnen und vergrößern gleichzeitig das Handelsrisiko.
PERSONALquarterly:
Anreizentlohnung in Banken bewegt sich also
in einem Zielkonflikt?
Harald Hau:
Grundsätzlich sollte ein optimales Anreizsystem die
Wertschöpfung einer Bank maximieren – man spricht auch
von Kapitalwert (auf Englisch: NPV)-Maximierung. Ein größe-
Erfordert bessere Bankenaufsicht eine
Kontrolle der Bonuszahlungen?
Das Interview mit
Prof. Dr. Harald Hau
(Universität Genf und Swiss Finance Institute) führte
Prof. Dr. Dirk Sliwka
rer Gewinn ist positiv und vergrößert den Kapitalwert; ein hö-
heres (systematisches) Risiko verlangt hingegen eine stärkere
Diskontierung und verringert den Kapitalwert der Handelsak-
tivität. Konkret bedeutet dies, dass ein optimales Anreizsystem
höhere Gewinne gegen höheres Risiko abwägen muss. Wertver-
nichtung kann sowohl aus zu geringen als auch zu hohen An-
reizen resultieren. Für die Vorkrisenperiode der Jahre 2003 bis
2007 finden wir, dass die Bonusanreize tendenziell zu stark wa-
ren für eine Kapitalwertmaximierung der Banken. Das ändert
sich aber in der Krisenperiode der Jahre 2008 bis 2012, weil die
Bonuszahlungen stark verringert wurden. Wir finden keinen
Hinweis auf exzessive Bonusanreize in der zweiten Periode.
PERSONALquarterly:
In der EU gilt seit dem letzten Jahr die Richtli-
nie, dass Bonuszahlungen in Banken in der Regel auf 100 Pro-
zent des Fixgehalts begrenzt sein müssen. Es deutet sich an, dass
nun die Fixgehälter steigen, ohne dass die Gesamtvergütung sinkt
– offenbar um die Manager für die niedrigeren Bonuszahlungen
zu kompensieren. Ist damit das Ziel der Richtlinie verfehlt?
Harald Hau:
Ich kenne keine seröse empirische Studie, auf die
sich die EU-Richtlinie stützen könnte. Die Deckelung des Bonus
bei 100 Prozent des Grundgehaltes ist willkürlich gewählt und
liegt nach den Ergebnissen unserer Analyse weit unter der
verbreiteten Entlohnungspraxis vieler (insbesondere anglo-
amerikanischer) Banken selbst in der Krisenperiode 2008 bis
2012. Die Bankenregulierung wird hier zum Spielball von sym-
bolischer Politik und politischem Opportunismus. Das wird
kaum zu mehr Finanzstabilität führen. Höhere Eigenkapital-
finanzierung und mehr Transparenz der Aktiva der Banken
wären viel sinnvollere Regulierungsvorhaben.
PERSONALquarterly:
Ökonomen diskutieren teilweise durchaus
kritisch die staatlichen Interventionen. Eine grundlegende Frage
in der Debatte ist, ob Eigentümer und Aktionäre nicht schon aus
Eigeninteresse danach streben werden, langfristiges Handeln zu
fördern. Dann könnte man hoffen, dass die Vergütungskomitees
aus Fehlern auch ohne gesetzliche Regeln lernen werden, gute
Systeme zu gestalten. Ist das plausibel?
Harald Hau:
Bei Großbanken gibt es in der Regel weder eine funk-
tionierende Aufsicht durch die Aktionäre noch durch die öf-
1 Eine vergleichbare Feststellung findet sich bei Luigi Zingales, 2011, The Unexamined Crisis,
2 Eine Zusammenfassung findet sich unter
docbase/details.html?docId=19153817 und der vollständige Beitrag unter
sol3/papers.cfm?abstract_id=2507720