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PERSONALquarterly 02/15
SCHWERPUNKT
_CHANGE
O
rganisationen sind ständigen Veränderungen ausge-
setzt. Immer kürzere Innovationszyklen und Halb-
wertzeiten von Wissen sowie der demografische
Wandel betreffen fast alle Branchen und machen Ver-
änderungen zu einer Notwendigkeit, um wettbewerbsfähig zu
bleiben. Veränderungsprozesse werden damit immer mehr zur
Regel und immer weniger zur Ausnahme für Mitarbeiter (vgl.
Stock-Homburg, 2007). Der Erfolg der Veränderung hängt dabei
vor allem von der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter
ab (Klonek/Kauffeld, 2012), d.h. fehlende Veränderungsbereit-
schaft oder gar Widerstand der Mitarbeiter können Verände-
rungsprozesse zum Scheitern bringen (Higgs/Rowland, 2005).
Die aktuelle Change-Management-Literatur geht davon aus,
dass vor allem Führungskräfte, die Veränderungen an Mitarbei-
ter kommunizieren und damit in der Rolle des Change-Agenten
agieren, ungewollt Widerstände erzeugen (Ford/Ford/D‘Amelio,
2008; Klonek/Lehmann-Willenbrock/Kauffeld, 2014).
Um Mitarbeiter frühzeitig in Veränderungsprozesse einzu-
binden, setzen viele Organisationen auf einen partizipativen
Kommunikationsprozess. Sie führen z.B. Workshops durch, in
denen Change-Agenten mit Change-Rezipienten gemeinsam
zukünftige Veränderungen besprechen und konkret erarbei-
ten, wie diese nachhaltig in den Arbeitsalltag integriert werden
können (z.B. Griesel, 2004). Die Mitarbeiter diskutieren dort
die Auswirkungen der Veränderung für ihre spezifischen Ar-
beitsprozesse und planen Maßnahmen, um die Veränderung
erfolgreich zu bewältigen. Das Ziel solcher Workshops ist es,
den Veränderungsprozess durch kommunikativen Austausch
zu erleichtern. Solche Interventionen können – unabhängig
vom Ergebnis – dazu beitragen, dass Change-Rezipienten die
Umsetzung von Veränderungen als fairer erleben. Doch ber-
gen partizipative Interventionen auch Gefahren: Workshops
können zum falschen Zeitpunkt mit einer falschen Zielset-
zung im Veränderungsprozess eingesetzt werden. Wenn im
Workshop Maßnahmen geplant werden sollen, setzt dies z.B.
voraus, dass die Change-Rezipienten dazu bereit sind. Sind die
Mitarbeiter noch nicht bereit, können sich in den Workshops
die Widerstände entladen und andere Mitarbeiter damit an-
gesteckt werden, was sich z.B. in Jammerspiralen ausdrückt
(Kauffeld, 2012). Dies kann zur Folge haben, dass organisatio-
Ready, steady, go! Veränderungsbereitschaft
in der Interaktion messen
Von
Hilko Frederik Klaas Paulsen, Florian Erik Klonek, Frauke Rutsch
und
Prof. Dr. Simone Kauffeld
(Technische Universität Braunschweig)
nale Veränderungsprozesse durch die partizipative Interventi-
on nicht vorangetrieben, sondern sogar eher blockiert werden.
Um Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten, müssen
Change-Agenten die Veränderungsbereitschaft ihrer Change-
Rezipienten erfassen und darauf aufbauend intervenieren.
Forschungsfrage: Welche Informationen liefern Workshops
über die Veränderungsbereitschaft von Change-Rezipienten?
Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir die Interakti-
onsprozesse der Change-Rezipienten in partizipativen Inter-
ventionen (d.h. Workshops) im Rahmen eines organisationalen
Veränderungsprozesses. Unserer Studie liegt die Annahme zu
Grunde, dass sich die Veränderungsbereitschaft und der Wi-
derstand von Teilnehmenden in Interaktionen niederschlagen.
Die Veränderungsbereitschaft und der Widerstand der Teil-
nehmenden können somit in einem zeitlichen Verlauf direkt
gemessen werden (Klonek/Paulsen/Kauffeld, in Druck).
Bei der Interaktionsanalyse werden alle verbalen Äuße-
rungen der Teilnehmenden hinsichtlich ihrer veränderungs-
bezogenen Bedeutung systematisiert (Klonek/Kauffeld, 2012;
Klonek/Lehmann-Willenbrock/Kauffeld, 2014). Alle Äuße-
rungen, die die Veränderung befürworten, werden als „Change
Talk“ klassifiziert. Diese Äußerungen umfassen z.B. Gründe
für die Veränderung, Wünsche an die Veränderung, vorhan-
dene Fähigkeiten, um die Veränderung zu meistern, sowie
Handlungsabsichten oder bereits unternommene Schritte. Im
Gegensatz zu Change Talk werden Äußerungen von Change-
Rezipienten, die sich gegen die Veränderung aussprechen,
als „Sustain Talk“ klassifiziert. Der Begriff „sustain“ (engl.
aufrechterhalten) drückt dabei aus, dass die Äußerungen
ein Aufrechterhalten des Status quo befürworten und damit
dem Veränderungsprozess im Weg stehen. Sustain-Talk-Äu-
ßerungen umfassen z.B. Gründe gegen die Veränderung und
Wünsche, den gegenwärtigen Status aufrechtzuerhalten. Das
Klassifikationssystem für Change und Sustain Talk ist in Abb.
1 zusammengefasst.
Wir gehen davon aus, dass der Erfolg von Interventionen in
Veränderungsprozessen direkt mit der Bereitschaft bzw. dem
Widerstand der Change-Rezipienten zusammenhängt. Diese
Annahme wird durch Studien der organisationalen Gruppen-