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02/15 PERSONALquarterly
Aufbauend auf dem Loop-to-Loop-Modell sozialer Interaktionen
(Jonas, 2015; Abb. 5) postulieren wir, dass durch Annäherung
vs. Vermeidung positive vs. negative dynamische Spiralen in In-
teraktionen ausgelöst werden können. Das Loop-to-Loop-Modell
beschreibt, wie aus dem Zusammenspiel von Personen- und Si-
tuationsmerkmalen bestimmte motivational-affektive Zustände
(z.B. Approach-Avoidance Phänomene) bei Personen aktiviert
werden, die unsere Kognitionen, d.h. unser Denken, und unsere
Verhaltensweisen
9
beeinflussen. Diese werden in der Interakti-
on für den Interaktionspartner sichtbar und wirken sich – wie in
einer Schleife bzw. einem Loop – auf dessen motivational-affek-
tiven Zustand und darauf folgend auf seine Kognitionen und Ver-
haltensweisen aus. Da auch diese Reaktionen des Gegenübers
wiederum in der Interaktion für die erste Person sichtbar wer-
den und auf deren Motive, Wünsche, Zielsetzungen in positiver
oder negativer Weise zurückwirken, setzt sich die Interaktion
in einem neuen Loop an ausgelösten Motivationen, Affekten,
Kognitionen und Verhaltensweisen fort.
Auch wenn wir in der vorliegenden Studie nur den Beginn einer
solchen Loopreaktion zeigen konnten, so lässt sich das Loop-to-
Loop-Modell jedoch gut auf den Kontext politischer Reformen
übertragen. Positivspiralen entstehen dann, wenn Entscheidungs-
träger in der Kommunikation mit den von Veränderungsmaß-
nahmen betroffenen Personen in glaubwürdiger Art und Weise
taler Effekt von optimistischer vs. pessimistischer Darstellung
auf Hilflosigkeit: b = -0.35, SE = 0.23, t(67) = -1.55, p = .125; indi-
rekter Effekt von optimistischer vs. pessimistischer Darstellung
über Misstrauen und Angst auf Hilflosigkeit: b = -0.08, SE = .05,
BC CI [-0.24, -0.01]). Andererseits erzeugte das Misstrauen in
die Regierung nicht nur Angst, sondern auch erhöhte Reaktanz,
was in Folge zu Widerstand gegen die Reformen führte (totaler
Effekt von optimistischer vs. pessimistischer Darstellung auf
Widerstand: b = -0.45, SE = 0.18, t(67) = -2.49, p = .015; indi-
rekter Effekt von optimistischer vs. pessimistischer Darstellung
über Misstrauen und Reaktanz auf Widerstand: b = -0.09, SE
= .05, BC CI [-0.24, -0.02]; indirekter Effekt von optimistischer
vs. pessimistischer Darstellung über Misstrauen und Angst auf
Widerstand: b = -0.04, SE = .03, BC CI [-0.12, -0.01]).
8
Die Ergebnisse zeigen, dass die Betonung von Optimismus vs.
Pessimismus bei der Darstellung einer Veränderungsmaßnahme
in beträchtlicher Weise darauf wirkt, ob Personen mit Akzeptanz,
Widerstand oder Hilflosigkeit auf diese Maßnahme reagieren.
Bei optimistischer Darstellung zeigen Personen aber nicht nur
eine höhere Akzeptanz in Form einer positiveren Einstellung
als bei einer pessimistischen Darstellung. Vielmehr wird eine
ganze Kette an affektiven, kognitiven, motivationalen und ver-
haltensbezogenen Reaktionen ausgelöst. Diese Reaktionsweisen
können wir vor dem Hintergrund eines prozessbezogenen An-
näherungs- vs. Vermeidungsansatzes verstehen: Eine optimis-
tische Darstellung einer Reform macht belohnende Zielzustände
salient, welche eine Annäherungsmotivation auslösen. Durch
ihre positive Einstellung gegenüber der Regierung vertrauen
Personen dieser auch mehr und nähern sich ihr dadurch stär-
ker an, d.h., sie delegieren Kontrolle und verlassen sich stärker
auf sie. Das Vorherrschen von Pessimismus macht hingegen auf
Diskrepanzen aufmerksam, denn die Notwendigkeit zur Reform
ist ja offensichtlich. Dies wird als aversiv erlebt und aktiviert
Vermeidungsmotivation. Personen reagieren zunächst gehemmt
und mit Angst und Irritation (Gray/McNaughton, 2000). Miss-
trauen macht sich breit. Dieses Gefühl geht entweder in einen
vermeidungsmotivierten passiven Zustand der Hilflosigkeit über
oder aber inWiderstand, wobei Letzteres die Aktivierung von An-
näherungsmotivation anzeigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass
bei Darstellung einer Veränderungsmaßnahme nur positive As-
pekte betont werden dürften. Im Gegenteil, in vielen Situationen
würde es sogar unglaubwürdig wirken, wenn alle Probleme ver-
leugnet würden. Die Frage ist jedoch, was die Darstellungsweise
dominiert. Durch Herausstellen von Stärken und Möglichkeiten
können aufgrund der aktivierten Annäherungsmotivation näm-
lich Ressourcen aktiviert werden, die bei der Überwindung von
Schwächen und Problemen helfen können. Dies ist insbesondere
in Phasen der Umsetzung von Reformvorhaben wichtig.
Für zukünftige Forschung wäre es interessant, die Auswir-
kungen von Annäherungs- vs. Vermeidungsmotivation auf
den weiteren Verlauf von Interaktionen näher zu betrachten.
8 Beim Testen von alternativen Modellen fanden wir, dass nur Angst, nicht aber Reaktanz, der vermit-
telnde Faktor zwischen der Art der Darstellung, dem Misstrauen und Hilflosigkeit ist. Das heißt, dass
Widerstand sowohl durch den motivationalen Zustand der Reaktanz als auch der Angst hervorgerufen
werden kann, innerliche Kündigung jedoch nur durch Misstrauen in Kombination mit Angst entsteht.
9 Im Loop-to-Loop-Modell (Jonas, 2015; siehe Abb. 5) sprechen wir von motivierter Kognition und mo-
tiviertem Verhalten. Motiviert bedeutet hier, dass das Denken und Verhalten einer Person beeinflusst
wird durch die eigenen Wünsche und Bedürfnisse.
Quelle: nach Jonas, 2015
Abb. 5:
Loop-to-Loop-Modell – Eine dynamische Be-
trachtungsweise sozialer Interaktionen
INTERAKTION
Motivierte
Handlung
Motivierte
Kognition
Motivational-
affektiver Zustand
Motivierte
Handlung
Motivierte
Kognition
Motivational-
affektiver Zustand
PERSON 1
PERSON 2
Interaktionssituation
Fokus
Motive
Fokus
Motive
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