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02/15 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Reformprozesse gestalten sich häufig schwierig. Vor dem Hintergrund von
Annäherungs- vs. Vermeidungsmotivation versuchen wir, Reaktionsweisen auf Reformvorschlä-
ge zu verstehen.
Methodik:
In einem Experiment reagierten 76 Personen auf eine optimistische vs. pessimi-
stische Darstellung eines Reformvorhabens (Einkommenssteuer/Gesundheitsreform).
Praktische Implikationen:
Dominieren pessimistische Sichtweisen bei der Umsetzung
einer Reform, führt dies zu einer Vermeidungsmotivation, die mit einer Kette ungünstiger
Reaktionsweisen einhergeht. Optimismus bei der Umsetzung zieht hingegen Unterstützung
nach sich.
re eine konstruktive Reaktion, Vertrauen in die Regierung zu
äußern, eine positive Einstellung zur Reform auszubilden und
die verantwortlichen Akteure bei der Umsetzung der Reform zu
unterstützen. Eine destruktive Reaktion wäre, die Reform abzu-
lehnen, stattdessen den Status quo zu befürworten und Wider-
stand gegen die Umsetzung zu zeigen. Vermeidungsmotivation
zielt demgegenüber nur darauf ab, potenziellen Strafreizen zu
entgehen. Dieser Zustand ist zwar insofern wichtig, als dass er
auf mögliche Hindernisse aufmerksam macht, wäre Verhalten
jedoch alleine nur durch Vermeidungsmotivation gesteuert, wür-
de es desorganisiert bleiben, weil Menschen dann nur darauf fo-
kussieren, was nicht getan werden sollte (Carver/Scheier, 1998).
Passivität, hilfloses Beobachten sowie Gefühle von Depression
und Hoffnungslosigkeit wären die Folgen.
Die Fokussierung auf positive vs. negative Aspekte von Re-
formen sollte dementsprechend unterschiedliche emotionale,
kognitive und behaviorale Reaktionen gegenüber der Reform her-
vorrufen. Die Dominanz negativer Aspekte einer Reform in Form
von Verlusten, Risiken und pessimistischen Zukunftsaussichten
und die dadurch entstehende Konzentration auf Bestrafungs­
aspekte sollte also Vermeidungsmotivation auslösen, die mit ei-
ner erhöhten Aufmerksamkeit für mit der Reform verbundene
Probleme und Barrieren einhergehen sollte. Vermeidungsmoti-
vierte Zustände in Form von Misstrauen gegenüber der Reform
und den politischen Akteuren folgen, begleitet durch das Erleben
von Angst und Passivität. Als Hypothese 1 nehmen wir somit
an: Die Betonung pessimistischer Aspekte einer Reform führt zu
negativen Reaktionen auf a) affektiver Ebene, b) kognitiver Ebene,
c) Verhaltensebene und d) motivationaler Ebene.
Die Betonung positiver Aspekte, wie Möglichkeiten und
Chancen einer Reform, sollte demgegenüber Annäherungs-
motivation aktivieren. Dadurch ausgelöste positive emotionale
und kognitive Reaktionen sollten konstruktive annäherungs-
motivierte Zustände in Form von Vertrauen in das Vorhaben
und in die politischen Akteure hervorrufen. In weiterer Folge
kann Kontrolle abgegeben und ein Verlassen auf die Regierung
möglich werden. Hypothese 2 besagt daher: Die Betonung op-
timistischer Aspekte führt zu positiven Reaktionen gegenüber
der Reform auf a) affektiver Ebene, b) kognitiver Ebene, c) Ver-
haltensebene und d) motivationaler Ebene.
Um diese Vorhersagen zu prüfen, haben wir ein Experiment
durchgeführt, indem wir die unterschiedliche Wirkung einer op-
timistischen vs. pessimistischen Darstellungsweise einer Reform
überprüft haben. Zur Generalisierung wurden zwei unterschied-
liche Reformmodelle betrachtet, eine Reform der Einkommens-
steuer und eine Reform des Gesundheitssystems. Für beide
Reformmodelle galten dieselben oben dargestellten Vorhersagen.
Stichprobe und Erhebung
TeilnehmerInnen der Studie waren 76 Personen, die im Rahmen
eines Forschungsseminars an der Universität Duisburg-Essenmit
Hilfe eines Fragebogens befragt wurden.
1
Anhand eines Lese-
checks wurden 7 Personen, die die Texte offensichtlich nicht ge-
nau gelesen hatten, ausgeschlossen. Daher gingen die Daten von
69 Personen in die Analysen ein (61 Studierende, 8 Berufstätige;
30 Frauen und 39 Männer, Altersdurchschnitt 25.12 Jahre, SD =
7.32). Den TeilnehmerInnen wurde zu Beginn der Untersuchung
ein vorgeblicher Zeitungsartikel einer überregionalen Tageszei-
tung vorgelegt, in dem es entweder um die Reform der Einkom-
menssteuer (Flat-Tax) oder die Reform des Gesundheitswesens
(Kopfpauschale/Bürgerversicherung) ging. In allen Artikeln
wurde die Notwendigkeit von Reformen betont, mit Fakten unter-
mauert und Reformansätze dargestellt. Dies war jedoch entweder
in eine optimistische Betrachtung der Arbeit der deutschen Bun-
desregierung eingebettet oder in eine pessimistische Sichtweise.
In der optimistischen Bedingung wurde die Bundesregierung für
ihre Arbeit gelobt und ihre Reformpolitik als erfolgversprechend
beschrieben (Betonung potenzieller Belohnungen, wie z.B. Bei-
fall, Zuversicht, gute Fortschritte, grundlegende Verbesserung,
zukunftsfähiges System, Stabilisierung, Kontrolle von Kosten). In
der pessimistischen Bedingung wurden die andauernden Reibe-
reien zwischen den Parteien erwähnt, die Reformpolitik als pro-
blematisch und wenig erfolgversprechend dargestellt (Betonung
potenziell bestrafender Aspekte, wie z.B. steigende Kosten, dro-
hende Kollabierung des Systems, gegenseitige Blockaden, Macht-
spiele, unschöne Kompromisse, mangelnde Zukunftsfähigkeit).
1 Bei einem Teil der vorliegenden Daten handelt es sich um eine Re-Analyse der bei Traut-Mattausch,
Jonas, Schwennen & Peus (2011) berichteten Daten.
Traut-Mattausch, E., Jonas, E., Schwennen, C., & Peus, C. (2011). Things will get better: Führt der
Optimismus in den Erfolg von Steuerreformen zu weniger Widerstand, mehr Vertrauen und einer
positiveren Einstellung? Wirtschaftspsychologie, 1, 43-52.
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