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          der
        
        
          Sachverhaltsgestaltung
        
        
          , also lasse ich
        
        
          bestimmte Geschäftsvorfälle im Berichtsjahr
        
        
          noch eintreten oder nicht,
        
        
          mittlerweile eine
        
        
          wesentlich größere Bedeutung zukommt
        
        
          als der Darstellungsgestaltung
        
        
          , die primär
        
        
          auf Basis der existierenden Ansatz- bzw.
        
        
          Bewertungswahlrechte durchgeführt wird.
        
        
          Schließlich wurden die in der Vergangenheit
        
        
          existierenden Wahlrechte durch die Bilanz-
        
        
          rechtsreformen deutlich reduziert.
        
        
          Biel:
        
        
          Herr Prof. Dr. Brösel, was schlussfolgern
        
        
          Sie daraus als Wissenschaftler?
        
        
          Brösel:
        
        
          Insofern können wir uns beim Ge-
        
        
          setzgeber für undurchsichtigere Jahresab-
        
        
          schlüsse bedanken
        
        
          , denn bei der Ausnutzung
        
        
          expliziter Wahlrechte ist zumindest noch eine
        
        
          Tendenz der Bilanzpolitik aus dem Abschluss
        
        
          erkennbar. Die Sachverhaltsgestaltung bleibt
        
        
          unentdeckt!
        
        
          Biel:
        
        
          Dies führt uns einen Schritt weiter. Der
        
        
          Lagebericht unterliegt der Prüfung durch den
        
        
          Abschlussprüfer bzw. der Abschlussprüferin
        
        
          durch sogenannte analytische Prüfungshand-
        
        
          lungen. Was bedeutet dies für die Praxis?
        
        
          Wo verlaufen die Grenzlinien für eine sichere
        
        
          Prüfung?
        
        
          Brösel:
        
        
          Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer
        
        
          steht hier vor einer großen Herausforderung,
        
        
          weil er mit dem Testat auch für qualitative Aus-
        
        
          sagen die Verantwortung übernimmt. Dies ist
        
        
          vor allem für den Risiko- und den Prognosebe-
        
        
          richt kritisch anzusehen. In der Literatur wird
        
        
          davon gesprochen,
        
        
          dass er die „weichen“ In-
        
        
          formationen mit seinem Testat „härten“
        
        
          soll
        
        
          . Nach sinnvollen Hilfestellungen sucht man
        
        
          in der Literatur oft vergebens.
        
        
          Freichel:
        
        
          Gegenstand und Umfang der Prü-
        
        
          fung des Lageberichts ergeben sich aus den
        
        
          gesetzlichen Vorschriften. Hier sind die §§
        
        
          317 Abs. 2, 321 und 322 HGB zu nennen.
        
        
          Entsprechend hat der Abschlussprüfer ge-
        
        
          mäß § 317 Abs. 2 HGB zu prüfen, ob der La-
        
        
          gebericht – vor dem Hintergrund der bei der
        
        
          Prüfung gewonnen Erkenntnisse – mit dem
        
        
          Jahresabschluss in Einklang steht und ob der
        
        
          Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vor-
        
        
          stellung von der Lage des Unternehmens ver-
        
        
          mittelt. Zudem ist zu beurteilen, ob die Chan-
        
        
          cen und Risiken der zukünftigen Entwicklung
        
        
          zutreffend dargestellt sind. Dem Prüfer ist zu
        
        
          empfehlen, die Prüfung an der Einhaltung der
        
        
          Grundsätze ordnungsmäßiger Lageberichter-
        
        
          stattung i. S. d. DRS 20 auszurichten. Generell
        
        
          gilt, dass der Lagebericht mit der gleichen
        
        
          Sorgfalt wie der Jahresabschluss zu prüfen
        
        
          ist. Es ist – wie bei anderen Prüffeldern auch
        
        
          – der
        
        
          risikoorientierte Prüfungsansatz an-
        
        
          zuwenden
        
        
          . Im Sinne des risikoorientierten
        
        
          Vorgehens sind sämtliche Prüfungstechniken
        
        
          relevant. Daher sind neben den von Ihnen an-
        
        
          gesprochenen analytischen Prüfungshandlun-
        
        
          gen auch Systemprüfungen sowie Einzelfall-
        
        
          prüfungshandlungen vorzunehmen.
        
        
          Biel:
        
        
          Wie umfassend, wie intensiv ist der Lage-
        
        
          bericht zu prüfen?
        
        
          Freichel:
        
        
          Bei der Prüfung des Lageberichts
        
        
          handelt es sich um eine Art der
        
        
          „Vollprüfung“
        
        
          .
        
        
          Schließlich ist zu überprüfen, ob sämtliche
        
        
          Anforderungen an die Lageberichterstattung
        
        
          eingehalten sind. Eine Prüfung lediglich aus-
        
        
          gewählter Berichtsbestandteile als Auswahl-
        
        
          prüfung wird dem nicht gerecht. Dennoch kann
        
        
          die Prüfungsintensität der einzelnen Bereiche
        
        
          risikoorientiert angepasst werden.
        
        
          Biel:
        
        
          Und wie prüft man „Zukunft“?
        
        
          Freichel:
        
        
          Da der Lagebericht im Wesentlichen
        
        
          zukunftsorientierte und beurteilende Elemente
        
        
          enthält, kommen in der Tat vor allem analytische
        
        
          Prüfungshandlungen in Betracht. Analytische
        
        
          Prüfungshandlungen
        
        
          zielen auf die Nachvoll-
        
        
          ziehbarkeit der Angaben durch den Prüfer
        
        
          unter Berücksichtigung der bei der Prüfung
        
        
          gewonnenen Erkenntnisse sowie Erwartungen.
        
        
          Bezüglich der Verlässlichkeit der Beurteilungen
        
        
          auf Basis der analytischen Prüfungshandlungen
        
        
          muss sich der Prüfer jedoch darüber bewusst
        
        
          sein, dass diese im Vergleich zu den übrigen
        
        
          Prüfungshandlungen am schwächsten ist.
        
        
          Biel:
        
        
          Und wie verlässlich ist nun diese Prüfung?
        
        
          Wie belastbar sind diese Prüfungsergebnisse?
        
        
          Freichel:
        
        
          Damit ist in der Tat das
        
        
          Sicher-
        
        
          heitsniveau bei Abschlussprüfungen
        
        
          an-
        
        
          gesprochen. Eine absolute Sicherheit ist mit
        
        
          einer handelsrechtlichen Abschlussprüfung
        
        
          generell nicht zu erreichen, weil diese das
        
        
          Konzept der hinreichenden Sicherheit verfolgt.
        
        
          Schließlich besteht auch bei einer ordnungs-
        
        
          gemäß durchgeführten Abschlussprüfung
        
        
          aufgrund
        
        
          der bei jeder Abschlussprüfung
        
        
          innewohnenden begrenzten Erkenntnis-
        
        
          und Feststellungsmöglichkeiten
        
        
          , z. B. auf-
        
        
          grund eines temporär unwirksamen IKS, ein
        
        
          unvermeidbares Risiko, dass falsche Aussa-
        
        
          gen nicht entdeckt werden können. Hinrei-
        
        
          chende Sicherheit bedeutet jedoch zumindest
        
        
          einen hohen Grad an Sicherheit. Exakt quanti-
        
        
          fiziert werden kann dies jedoch nicht. In Mas-
        
        
          senfällen im Zusammenhang mit mathema-
        
        
          tisch-statistischen Stichprobenverfahren
        
        
          geht
        
        
          die Praxis von einem Sicherheitsgrad von
        
        
          90 bis 95% aus.
        
        
          
            CM Januar / Februar 2016