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          Der Lagebericht ist ein rechtlich und funktional
        
        
          eigenständiges Instrument der Rechnungsle-
        
        
          gung im Rahmen der Publizitätspflicht be-
        
        
          stimmter Unternehmen. Er wird von der Ge-
        
        
          schäftsführung erstellt und verantwortet. Der
        
        
          Lagebericht erläutert und ergänzt den Jahres-
        
        
          abschluss. Angesichts dieser Bedeutung stel-
        
        
          len sich zahlreiche grundsätzliche Fragen. Aus
        
        
          der übergreifenden Themenstellung der exter-
        
        
          nen Berichterstattung und verschiedener Re-
        
        
          formprozesse ergeben sich weitere diskussi-
        
        
          onsbedürftige Fragestellungen. Dieser Dialog
        
        
          behandelt dazu ausgewählte Fragen, sucht Po-
        
        
          sitionen aus Wissenschaft und Prüfungspraxis
        
        
          herauszufinden. Ein besonderer Akzent liegt
        
        
          dabei auf den „Grenzen der Zahlenwerke“. Da-
        
        
          rüber hinaus werden neben Fakten auch Mei-
        
        
          nungen erfragt.
        
        
          Biel:
        
        
          Bitte lassen Sie uns zunächst den Lage-
        
        
          bericht einordnen und seine Bedeutung um-
        
        
          schreiben. Nach § 289 HGB soll der Lagebe-
        
        
          richt Auskunft über verschiedene Tatbestände
        
        
          geben. Diese reichen von der Darstellung des
        
        
          Geschäftsverlaufs über Chancen und Risiken
        
        
          bis hin zu Forschung und Entwicklung. Dies
        
        
          wirkt wie ein Konglomerat, bei Kommentierun-
        
        
          gen findet man auch häufig, der
        
        
          Lagebericht
        
        
          sei „auch etwas Vielschichtiges und Mehr-
        
        
          wertiges“
        
        
          . Er soll eine Informations-, Rechen-
        
        
          schafts- und Ergänzungsfunktion ausüben.
        
        
          Wieweit kann man diese unterschiedlichen
        
        
          Zielsetzungen tatsächlich verfolgen und mitein-
        
        
          ander verbinden?
        
        
          Brösel:
        
        
          In § 289 Abs. 1 Satz 1 HGB fordert der
        
        
          Gesetzgeber, dass der Lagebericht „ein den
        
        
          tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes
        
        
          Bild vermittelt“. Hiermit wird die Brücke zur Ge-
        
        
          neralnorm des § 264 Abs. 2 HGB geschlagen.
        
        
          Wenn es der Vermittlung dieses Bildes
        
        
          durch den Lagebericht bedarf, dann ist an-
        
        
          zunehmen, dass der Jahresabschluss die-
        
        
          ses Bild trotz Generalnorm nicht vermittelt.
        
        
          Dies liegt vor allem an der Zweckpluralität des
        
        
          Jahresabschlusses und dessen Informations-
        
        
          grenzen.
        
        
          Biel:
        
        
          Bitte beurteilen Sie für unsere Leserinnen
        
        
          und Leser den Lagebericht im Sinne der disku-
        
        
          tierten Funktionen.
        
        
          Brösel:
        
        
          Gerne. Würden nun auch dem Lagebe-
        
        
          richt mehrere Funktionen zugeordnet werden,
        
        
          dann wird dieser das gewünschte Bild ebenso
        
        
          
            Lagebericht – noch ein Bericht?
          
        
        
          
            Teil 1: Grundlagen, Inhalt, Prüfung
          
        
        
          
            Interview mit Univ.-Prof. Dr. Gerrit Brösel, FernUniversität in Hagen,
          
        
        
          
            und WP/StB Dipl.-Kfm. Christoph Freichel
          
        
        
          von Alfred Biel
        
        
          Fotos: Jörg Wasmuth
        
        
          
            CM Januar / Februar 2016