CONTROLLER Magazin 1/2016 - page 37

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Der Lagebericht ist ein rechtlich und funktional
eigenständiges Instrument der Rechnungsle-
gung im Rahmen der Publizitätspflicht be-
stimmter Unternehmen. Er wird von der Ge-
schäftsführung erstellt und verantwortet. Der
Lagebericht erläutert und ergänzt den Jahres-
abschluss. Angesichts dieser Bedeutung stel-
len sich zahlreiche grundsätzliche Fragen. Aus
der übergreifenden Themenstellung der exter-
nen Berichterstattung und verschiedener Re-
formprozesse ergeben sich weitere diskussi-
onsbedürftige Fragestellungen. Dieser Dialog
behandelt dazu ausgewählte Fragen, sucht Po-
sitionen aus Wissenschaft und Prüfungspraxis
herauszufinden. Ein besonderer Akzent liegt
dabei auf den „Grenzen der Zahlenwerke“. Da-
rüber hinaus werden neben Fakten auch Mei-
nungen erfragt.
Biel:
Bitte lassen Sie uns zunächst den Lage-
bericht einordnen und seine Bedeutung um-
schreiben. Nach § 289 HGB soll der Lagebe-
richt Auskunft über verschiedene Tatbestände
geben. Diese reichen von der Darstellung des
Geschäftsverlaufs über Chancen und Risiken
bis hin zu Forschung und Entwicklung. Dies
wirkt wie ein Konglomerat, bei Kommentierun-
gen findet man auch häufig, der
Lagebericht
sei „auch etwas Vielschichtiges und Mehr-
wertiges“
. Er soll eine Informations-, Rechen-
schafts- und Ergänzungsfunktion ausüben.
Wieweit kann man diese unterschiedlichen
Zielsetzungen tatsächlich verfolgen und mitein-
ander verbinden?
Brösel:
In § 289 Abs. 1 Satz 1 HGB fordert der
Gesetzgeber, dass der Lagebericht „ein den
tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes
Bild vermittelt“. Hiermit wird die Brücke zur Ge-
neralnorm des § 264 Abs. 2 HGB geschlagen.
Wenn es der Vermittlung dieses Bildes
durch den Lagebericht bedarf, dann ist an-
zunehmen, dass der Jahresabschluss die-
ses Bild trotz Generalnorm nicht vermittelt.
Dies liegt vor allem an der Zweckpluralität des
Jahresabschlusses und dessen Informations-
grenzen.
Biel:
Bitte beurteilen Sie für unsere Leserinnen
und Leser den Lagebericht im Sinne der disku-
tierten Funktionen.
Brösel:
Gerne. Würden nun auch dem Lagebe-
richt mehrere Funktionen zugeordnet werden,
dann wird dieser das gewünschte Bild ebenso
Lagebericht – noch ein Bericht?
Teil 1: Grundlagen, Inhalt, Prüfung
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Gerrit Brösel, FernUniversität in Hagen,
und WP/StB Dipl.-Kfm. Christoph Freichel
von Alfred Biel
Fotos: Jörg Wasmuth
CM Januar / Februar 2016
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