WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 5/2018 - page 28

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
05_2018
finden, war durchweg hoch ausgeprägt.
Ein differenzierterer Blick offenbarte
jedoch auch, dass der Energielevel ent-
lang der Managementstufen absank, was
sich bei den Führungskräften der unte-
ren Ebene besonders deutlich zeigte. So
waren bei diesen die Energiewerte für
die produktive Energie deutlich geringer,
während die Werte für resignative Träg-
heit stärker ausgeprägt waren, ein Hin-
weis auf Frustration in der Belegschaft.
Dasselbe galt für die korrosive Energie.
Die Konzernleitung debattierte in Zer-
matt zwei Tage lang intensiv über diese
Befragungsergebnisse. Heraus kam der
Dreiklang „Kunde – Fokus – Energie“
als Kompass für den gewünschten Ver-
änderungsprozess. Der Dreiklang um-
fasste folgende Ziele: Erstens sollte die
produktive Energie auf allen Manage-
mentebenen und bei den Mitarbeitenden
mobilisiert und auf die Schlüsselthemen
fokussiert werden. Zweitens sollte die ne-
gative Energie abgebaut werden – durch
Vereinfachung der Prozesse, klare Rege-
lung der Zuständigkeiten und verstärkte
übergreifende Zusammenarbeit. Drittens
schließlich sollte eine inspirierende Lea-
dership-Kultur entwickelt werden, zumal
bis dahin eher zahlenorientiert und mit-
unter technisch geführt wurde. Diese
Führungskultur war aus der langen Histo-
rie der SBB als staatsnahes Unternehmen
gewachsen.
Um alle Mitarbeitenden für das Ziel 2016
zu gewinnen und so die Kundinnen und
Kunden in den Mittelpunkt zu rücken,
galt es, die Führung um eine inspirie-
rende, energetisierende Komponente zu
ergänzen. Die Führungsliteratur spricht
hier auch von transformationaler Füh-
rung.
Zusammengefasst als „New Leadership
School“ stellt die Kombination aus trans-
aktionaler und transformationaler Füh-
rung die bis heute effektivste bekannte
Art der Führung dar. Die transaktionale
Führung ist ein rein rationaler Führungs-
stil und basiert auf dem Austauschprin-
zip Aufgabenerfüllung gegen Belohnung
beziehungsweise Bestrafung. Transakti-
onale Führung wird in vielen Unterneh-
men durch Zielvereinbarungs-, Leistungs-
beurteilungs- und Bezahlungssysteme
umgesetzt. Sie sollte nicht zu dominant
werden, da sonst Begeisterung, Eigenini-
tiative und Interesse an der Sache zurück-
gehen.
Transformationsteam als
Resonanzkörper
Mehr Gewicht sollte stattdessen der
transformationalen Führung zukommen.
Dieser auch als inspirierende Führung
bezeichnete Führungsstil beinhaltet, dass
Mitarbeitende auch emotional angespro-
chen und motiviert werden. Im Vorder-
grund stehen dabei die Förderung von
Eigeninitiative und die Ausrichtung auf
übergeordnete gemeinsame Ziele, indem
die Bedeutung und der Sinn der Arbeit
aufgezeigt werden.
Um das Change-Leitmotiv „Kunde –
Fokus – Energie“ im Unternehmen zu
verankern, wurde ein sogenanntes Trans-
formationsteam etabliert. Dieses sollte
die gewünschten Veränderungen aktiv
vorantreiben, strukturieren und koordi-
nieren. Mittels Change-Landkarten wie
etwa Kotters „Acht Stufen des Wandels“
und Design-Thinking-Elementen sollte so
zudem der rote Faden des Change-Pro-
zesses für alle Mitarbeitenden sichtbar
werden.
Ferner fungierte das Transformationsteam
auch als „Sounding Board“. Das heißt:
Durch aktiven Austausch mit internen
und externen Stakeholdern sowie die ge-
zielte Erweiterung des Teams bei Exper-
tenfragen wurden Impulse und Stimmun-
gen aus den Ebenen der Führungskräfte
und der Mitarbeitenden aufgenommen.
Duch die enge Zusammenarbeit mit CEO
Andreas Meyer und die laufende Abstim-
mung mit der Konzernleitung gelangte
dieses Feedback rasch an die Unterneh-
mensspitze.
Symbolisch wurde die Bedeutung der
Transformation für die Konzernleitung
untermauert, indem das Transformati-
onsteam in unmittelbarer Nähe der Ar-
beitsumgebung von Andreas Meyer an-
gesiedelt wurde. Zudem wurde eigens ein
Transformationsraum eingerichtet, worin
der fortschreitende Change-Prozess für
alle zum Anfassen und Erleben darge-
stellt wurde.
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Ver-
ankerung der Change-Ziele bei den Mitar-
beitenden war das Projekt „MIT – Mitar-
beitende verbinden“. Dabei erhielten alle
32.000 SBB-Beschäftigten ein Smartphone
oder Tablet, um stets erreichbar zu sein,
um auf arbeitsrelevante Informationen
schnell zugreifen zu können und auch,
um sich untereinander vermehrt aus-
zutauschen. Zum Einsatz kamen dabei
auch speziell entwickelte SBB-Anwen-
dungen wie eine Mängel-App, News-App
und IT-Support-App.
Mit der Kundenbrille auf Custo-
mer-Field-Trips
Die größte Herausforderung bei der Trans-
formation der SBB gemäß dem Leitmotiv
„Kunde – Fokus – Energie“ lag darin, dass
weniger als ein Drittel der Mitarbeitenden
des Unternehmens im direkten Kunden-
kontakt stehen. Der eigene Beitrag zum
Kundenziel 2016 war daher für viele
schwer zu greifen. Aus diesem Grund war
es entscheidend, alle Mitarbeitenden für
R
Prof. Dr. Heike
Bruch
ist ordentliche Pro-
fessorin für Betriebs-
wirtschaftslehre und
Leadership und leitet das Institut für Füh-
rung und Personalmanagement (IFPM)
der Universität St. Gallen (HSG).
IFPM-HSG
Dufourstrasse 40a
CH-9000 St. Gallen
AUTOREN
Stefan Berger
ist wissenschaft-
licher Mitarbeiter
am Institut für Füh-
rung und Personal­
management. Seine Dissertation unter-
sucht die Auswirkungen multipler Team-
Mitgliedschaften von Angestellten.
IFPM-HSG
Dufourstrasse 40a
CH-9000 St. Gallen
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...68
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